Berlin. Unsere Autorin kann nichts daran finden, andere kotzen zu sehen. Aber das ist nicht der Grund, warum sie vom Dschungelcamp genug hat.

  • Man liebt es oder man hasst es: Das Dschungelcamp spaltet wie jedes Jahr die Geister
  • Ist die RTL-Show nun großartige Unterhaltung – oder einfach nur Trash?
  • Lesen Sie hier das Pro & Contra unserer Autorinnen

Nervenzusammenbrüche, Hilfeschreie, Beichtgeheimnisse, Tränen und Skandale: Es geht wieder los mit den Mut- und Ekelprüfungen. Das „Dschungelcamp“ (RTL, seit Freitag, 24. Januar, 20.15 Uhr) ist zurück. Und wird auch dieses Mal ganz sicher die Lager spalten in die, die es lieben und die, die es einfach nur furchtbar finden. Ein Pro & Contra über die Show, die Menschen im australischen Dschungel Dinge tun lässt, die sich sonst keiner traut. Großartige Unterhaltung oder aber schlimmster Trash?

Pro „Dschungelcamp“: Warum ich mich jedes Jahr wieder in die Show verliebe

von Patricia von Thien

Ich liebe das Dschungelcamp. So, jetzt ist es raus.

Ja, ich lasse mich zwei Wochen lang bis tief in die Nacht von diesem Spektakel fesseln. Als Fan der ersten Stunde kann ich alle Dschungelkönige der letzten 20 Jahre im Schlaf aufsagen. Ich schaue zu, wie Menschen Krokodilpenis, Durian (unter Insidern treffend als „Kotzfrucht“ bekannt) oder ein Glas Emu-Blut stöhnend runterwürgen. Aber darum geht es nicht.

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Die Dschungelprüfungen? Brauche ich gar nicht unbedingt. Sie sind nur der Brandbeschleuniger, um Konflikte zwischen Charakteren anzufeuern, die eine große Bandbreite an Eloquenz und Temperament abdecken. Wer scheitert und seine Mitcamper auf unfreiwillige Diät setzt, ist schneller unten durch als Christian Lindners FDP in aktuellen Wahlumfragen.

Patricia von Thien, Berliner Morgenpost/Funke Zentralredaktion
Patricia von Thien ist Chefin vom Dienst digital in der FUNKE Zentralredaktion. © - | Patricia von Thien

Dschungelcamp: Krokodilpenis egal – das Besondere ist die Menschlichkeit

Es geht um mehr. Um Konflikte. Um Intrigen. Um einzigartige Momente, in denen vermeintliche Promis ihre Masken fallen lassen – oder sie mit aller Kraft festhalten. Flankiert vom beißenden und treffsicheren Witz in den Einspielern und Anmoderationen (Micky Beisenherz sei Dank). Aber es sind auch die rührenden Szenen, die selbst die härtesten Kritiker überraschen dürften. Wenn Mitcamper älteren Teilnehmern die Socken anziehen, weil diese sich nicht so leicht bücken können. Oder eine von misslungenen Schönheits-OPs gezeichnete Dame gesteht, dass sie sich nichts sehnlicher wünscht, als einmal für das geliebt zu werden, was hinter der Fassade steckt.

Kenne ich jeden der „Stars“? Nein. Interessiert mich, wie viel Geld sie kassieren? Auch nicht. Ich will sehen, wie ein zusammengewürfelter Haufen aneinandergerät – und wie Menschen über sich hinauswachsen. Wer offenbart echte Schwächen, wer spielt eine Rolle? Diese kleinen Dramen und unerwarteten Wendungen locken mich seit Jahrzehnten vor den Fernseher. Die Augenringe am nächsten Morgen? Geschenkt.

Contra „Dschungelcamp“: Ich habe Angst vor Sonja Zietlow

von Petra Koruhn

Wissen Sie, wovor ich Angst habe? Dass ich beim Zappen aus Versehen das „Dschungelcamp“ einschalten könnte. Hilfe, da guckt mich dann wieder Sonja Zietlow mit diesem lockenden Blick einer Käseverkäuferin auf einem Mittelaltermarkt an. Und irgendein C-Promi würgt seine Känguru-Penis-Milch aus. Ich gestehe: Ich bin eine, die andere nicht gern kotzen sieht.

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Dass wieder heftig gereihert wird, damit muss man rechnen. Immerhin hat Teilnehmerin Nina Bott, GZSZ-Star, schon vorab lauthals bekanntgeben, dass sie für Leute wie mich eine ernste Gefahr darstellt: „Ich habe eine direkte Leitung zum Kotzreiz“, gestand sie vor Abflug, weil sie nämlich ziemlich empfindlich sei. Wenn jemand was Fieses esse, würde ihr schon schlecht. Die Arme.

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Kotzreiz als Masche. Okay, es wäre ja komplett naiv zu fragen, wie es sein kann, dass eine Sendung mit so einem Konzept überhaupt noch von einem einzigen Menschen geguckt wird? Noch knapp vier Millionen Leute haben sich im vergangenen Jahr das Hirschhodengemampfe reingezogen. Vor zehn Jahren waren es fast acht. Würge-TV nutzt sich anscheinend doch ab.

Ergötzen am Elend der anderen – was daran wirklich nervt

Ich gehöre nicht zu denen, die herummoralisieren, weil sich hier die Zuschauer am Elend der anderen ergötzen. Gehört in der Unterhaltungsbranche schließlich längst zum guten Ton. Selbst bei biederen TV-Shows im Öffentlich-Rechtlichen wie bei „Verstehen Sie Spaß“ werden Promis reihenweise, wenn auch nicht ins Haifischbecken, aber doch in die Pfanne gehauen.

Kommentarfoto Petra Brost Koruhn
Petra Koruhn ist Redakteurin im Ressort „Leben“ der FUNKE Zentralredaktion. © Reto Klar | Reto Klar

Leute, die sich lächerlich machen, haben seit jeher einen hohen Unterhaltungswert. Kann man bedauern, aber so tickt der Mensch nun mal. Nein, ich habe absolut kein Mitleid mit den Möchtegern-Promis, die für Hunderttausende Euro warmes Buschschwein-Sperma schlucken.

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Was mich rauswirft aus dem Dschungel, ist einfach nur die unglaubliche Langeweile. So viel Facetten hat der Kotzreiz einfach nicht.