Ankara. Vor einem türkischen Tierheim werden getötete Hunde und Katzen gefunden – weitere Massentötungen werden befürchtet. Was steckt dahinter?
Es war ein Bild, das nicht nur Tierschützern das Herz bricht: In mehreren Müllcontainern vor einem städtischen Tierheim in der nordwesttürkischen Stadt Gebze wurden am vergangenen Freitag 51 Hunde und Katzen gefunden, die meisten waren tot. „Vier Tiere atmeten noch, als wir sie fanden“, berichtet Nimet Özdemir, eine Tieraktivistin und Abgeordnete der Oppositionspartei CHP. Die vier Tiere seien später ebenfalls verendet.
Nach Özdemirs Aussagen haben Augenzeugen beobachtet und gefilmt, wie Mitarbeiter des Heims zwei Hunden Spritzen setzten, sie dann in schwarze Plastiksäcke steckten und in die Müllcontainer warfen. Unter den getöteten Tieren waren auch mehrere Welpen und kleine Kätzchen. In den Plastiksäcken befanden sich neben den toten Tieren Spritzen und leere Arzneimittelflaschen, mutmaßlich Betäubungsmittel.
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Türkei: Gesetz erlaubt Tötung „unter außergewöhnlichen Umständen“
Für türkische Tierschützer und Oppositionspolitiker kommt der Fall nicht überraschend. Im Juli hatte das türkische Parlament einen Gesetzentwurf der islamisch-konservativen Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gebilligt. Das neue Gesetz legalisiert Massentötungen von Straßenhunden. Für die Vorlage stimmten die Regierungspartei AKP und die rechtsextreme Partei MHP. Die Kommunen sind nun verpflichtet, Streuner einzufangen und in Tierheimen unterzubringen. Sie sollen dann vermittelt werden. Hunde, die krank sind oder sich aggressiv verhalten, können eingeschläfert werden.
Die meisten Tierheime sind aber seit Jahren überfüllt. Nach Regierungsangaben gibt es in der Türkei rund 100.000 Tierheimplätze, aber geschätzt vier Millionen Straßenhunde. Tierschützer fürchten, dass die eingefangenen Hunde in den Tierheimen nicht artgerecht untergebracht, sondern massenhaft getötet werden, weil es keinen Platz gibt. Das Gesetz ist überdies unscharf formuliert. So erlaubt es die Tötung von Tieren „unter außergewöhnlichen Umständen“.
Massengrab in Ankara entdeckt
Im August hatte Landwirtschaftsminister Ibrahim Yumakli von der regierenden Erdogan-Partei AKP die Kommunen vor „rechtlichen Konsequenzen“ gewarnt, wenn sie das Gesetz nicht umsetzen. Den Verantwortlichen drohen bis zu zwei Jahren Haft. Die Regierung werde die Einhaltung des Gesetzes überprüfen, kündigte der Minister in einem Fernsehinterview mit dem regierungsnahen Sender TGRT Haber an.
Bereits in den vergangenen zwei Monaten hatten Tierschützer von Massentötungen in anderen Städten berichtet. Im August entdeckten sie im Ankaraner Stadtteil Altindag, der von der AKP regiert wird, ein Massengrab mit Dutzenden getöteten Hunden.
Zu dem jüngsten Fund erklärte die ebenfalls von Erdogans AKP regierte Gemeinde Gebze in einer Stellungnahme, 16 der in den Müllcontainern entdeckten Hunde seien bereits tot auf der Straße aufgefunden wurden, drei bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen und zehn an Krankheiten gestorben. Der für Gebze zuständige Gouverneur kündigte eine Untersuchung an.