Berlin/Washington. Beim Unglück der „Titan“ starben fünf Menschen. Die Sicherheitsstandards waren haarsträubend, wie sich nun immer klarer herausstellt.
Vor dem Ausschuss der US-Küstenwache zur Aufarbeitung des „Titan“-Unglücks kommen immer mehr Details ans Tageslicht: Guillermo Sohnlein, Mitgründer des Betreiberunternehmens OceanGate, sagte nun aus, dass das Unternehmen ursprünglich nicht geplant hatte, ein eigenes U-Boot zu bauen.
Stattdessen besprachen Sohnlein und der zweite Mitgründer Stockton Rush die Idee für ein Tiefsee-Boot zunächst mit Herstellern von U-Booten. Doch keiner konnte liefern, was sie brauchten, sagte Sohnlein laut CNN vor dem Ausschuss. Als Unternehmer standen er und Rush vor zwei Alternativen: Entweder ändere man sein Geschäftsmodell oder man finde eine bessere technische Lösung.
„Titan“-U-Boot: Playstation-Controller und komplizierte Navigation
„Und Stockton, der Ingenieur, der er war, entschied sich für eine bessere technische Lösung“, sagte Sohnlein. Das Unternehmen begann, ein eigenes Modell zu bauen. Von einer besseren technischen Lösung kann jedoch keine Rede sein, die verheerenden Konsequenzen des Vorhabens sind bekannt: Die „Titan“ implodierte im Juni 2023 bei ihrer Erkundungstour zum Wrack der Titanic. Die Insassen Paul-Henri Nargeolet, Hamish Harding, Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman sowie OceanGate-Chef Stockton Rush kamen dabei ums Leben.
Vor dem Küstenwachen-Ausschuss sagte vergangenen Freitag auch die ehemalige Mitarbeiterin Antonella Wilby aus, wie unter anderem das Magazin „Verge“ berichtet. Sie bezeichnete die Navigationsmethode der „Titan“, die mit einem Playstation-Controller gesteuert wurde, schon vor der Unglücksmission als „idiotisch“, weshalb sie aus dem Team genommen wurde. Laut Wilby erfolgte die Standortbestimmung des U-Boots durch per Hand auszufüllende Excel-Tabellen. Wie sie während der Anhörung der US-Küstenwache beschrieb, generierte das GPS-ähnliche akustische USBL-Positionierungssystem (Ultra-Short Baseline) der „Titan“ mithilfe von Tonsignalen Daten zur Geschwindigkeit, Tiefe und Position eines U-Boots.
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Mitarbeiterin bezeichnete Navigationsmethode als „idiotisch“
Diese Informationen werden normalerweise automatisch in eine Kartensoftware geladen, um die Position eines U-Boots zu verfolgen. Doch laut Wilby wurden die Koordinatendaten für die „Titan“ von Hand in ein Notizbuch übertragen und dann in Excel eingegeben, bevor die Tabelle in eine Kartensoftware geladen wurde, um die Position des U-Boots auf einer handgezeichneten Karte des Wracks zu verfolgen.
Als Wilby dem Unternehmen empfahl, Standardsoftware zu verwenden, um Ping-Daten zu verarbeiten und die Telemetrie des U-Boots automatisch aufzuzeichnen, lautete die Antwort, dass das Unternehmen ein eigenes System entwickeln wollte, aber nicht genug Zeit hatte. (les)
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