Berlin. Vom Koch zum Rechtsextremisten: Attila Hildmann hält auch Jahre nach seinem Verschwinden die deutsche Justiz auf Trab. Was bekannt ist.
- Vom Koch zum Verschwörungstheoretiker: Attila Hildmann beschäftigt noch immer die Justiz
- Im Jahr 2020 setzte er sich in die Türkei ab, gilt seither als untergetaucht
- Der Staatsanwaltschaft sind in dem Fall die Hände gebunden
Im Jahr 2016 krönte Attila Hildmann noch seine Karriere mit einem Auftritt bei „Let’s Dance“. Berühmt war er da längst durch seine Kochbücher. Für das Exemplar „Vegan For Fun“ erhielt Hildmann 2012 die Auszeichnung „Kochbuch des Jahres“. Doch mit der Pandemie folgte der Abstieg: Schlagzeilen machte Hildmann nicht mehr als Promi-Koch, sondern als antisemitischer, rechtsextremer und verschwörungsideologischer Aktivist. Doch was macht Attila Hildmann eigentlich heute? Eine Spurensuche.
Attila Hildmann: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung
Parallel zu seinen Auftritten auf Demonstrationen erreichte Hildmann über den Messenger-Dienst Telegram mehrere Tausend Menschen. Dort verbreitete er Verschwörungstheorien, sprach sich gegen die Corona-Maßnahmen aus und teilte Lügen aller Art.
Doch die Hetze des ehemaligen Kochs und sein demokratiefeindliches Verhalten hatten juristische Folgen. Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Volksverhetzung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Im Fokus der Ermittlungen standen die Inhalte, die der selbst ernannte Nationalsozialist gegenüber dem ehemaligen Grünen-Politiker Volker Beck äußerte. Beck setzt sich nicht nur für die LGBTQ-Bewegung ein, sondern engagiert sich für Israel und die jüdische Gemeinschaft. Immer wieder formulierte Hildmann menschenverachtende Beiträge über Beck und rief wiederholt dazu auf, ihm gewalttätig gegenüberzutreten. So fielen Beleidigungen wie „Judenschwuchtel“. Außerdem werde er als „zukünftiger Reichskanzler“ für Beck „die Todesstrafe durch Eier-Treten auf öffentlichem Platz einführen“, so Hildmann.
So konnte Hildmann noch vor der Verurteilung in die Türkei abtauchen
Nach jahrelangen Drohungen und Angriffen gegenüber Beck erließ das Landgericht Berlin erstmals eine einstweilige Verfügung gegen Hildmann. In einem weiteren Verfahren wurde er dann zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1000 Euro verurteilt. Zudem muss er die Kosten beider Verfahren – die von der gemeinnützigen Organisation HateAid vorfinanziert wurden – tragen. Dies geschah im Jahr 2021 durch eine Zwangsvollstreckung der Erlöse aus Hildmanns Buchverkäufen.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte Hildmann Deutschland längst verlassen. Bereits 2020 entzog er sich durch eine Ausreise in die Türkei der deutschen Justiz. Dabei sollen ihm zwei Schwestern, beide Justizmitarbeiterinnen, geholfen haben. Die Schwestern, heißt es, gaben Informationen an ihn heraus. Mit dieser Hilfe konnte er sich frühzeitig in Sicherheit bringen. Wie die Staatsanwaltschaft dieser Redaktion mitteilte, wurde den Mitarbeiterinnen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gekündigt.
Seit der Verurteilung in Abwesenheit von Hildmann gibt es keine Neuigkeiten. Die Gesamtkosten, die er zu tragen hat, konnten noch nicht vollstreckt werden, so HateAid. Der Grund: Die Vollstreckung der Verfahrenskosten erfolgt direkt bei der VG Wort, einer Verwertungsgesellschaft, die sich bei der Verbreitung von Texten um die Vergütung von Urheberinnen und Urhebern kümmert. Buchtantiemen werden allerdings nur einmal jährlich ausgezahlt, weswegen keine weiteren aktuellen Zahlungseingänge zu verzeichnen sind.
Amazon und weitere große Unternehmen haben nahezu alle Produkte von Hildmann ausgelistet. Einzig und allein die Buchhandelskette Thalia bietet seine Kochbücher als E-Books weiterhin zum Verkauf an. Außerdem herrschte lang Verwirrung um die Staatsangehörigkeit Hildmanns. Er selbst behauptete, die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Laut dem rbb wurde dies jedoch widerlegt. Die Personalien Hildmanns seien bei der türkischen Behörde registermäßig nicht erfasst.
Justiz sind die Hände gebunden: Hildmann ist abgetaucht
Nachdem Telegram im Jahr 2022 alle seine Kanäle gesperrt hatte, wurde es ziemlich still um den Verschwörungsideologen. Im Dezember 2023 teilte er auf seiner Webseite seinen letzten Beitrag zum Thema Alice Weidel. Was er über die AfD-Chefin schreibt, ist unklar. Auf die Inhalte kann inzwischen nicht mehr zugegriffen werden. Über den Link gelangt man lediglich auf seinen Webshop.
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Unbekannte verteilten zudem vergangenes Jahr in Kassel Flugblätter, die auf die Webseite Hildmanns verweisen. Auch hier verlinkt er sein Forum und einen Survival-Shop, in dem man von einer Armbrust bis zu Notfallnahrung alles erwerben kann. Hat Attila Hildmann also noch Verbündete hier in Deutschland?
Viele offene Fragen und sehr wenige Antworten. Was jedoch klar ist: Gegen Hildmann besteht in Deutschland ein Haftbefehl. Die türkischen Behörden lehnten jedoch die Bitte, Hildmann festzunehmen, vor einiger Zeit bereits ab. Dies bestätigte die Staatsanwaltschaft Berlin unserer Redaktion.
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Sollte Hildmann also jemals wieder die Grenzen der Europäischen Union betreten, würde eine Festnahme folgen. Welche strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind, lässt sich aktuell leider nicht sagen. Der Zeitpunkt der Wiedereinreise bestimmt, welche Straftaten des aktuellen Ermittlungsverfahrens zwischenzeitig bereits verjährt sind. „Ob neue Straftaten erfolgt und nachweisbar sind“, müsse sich laut Staatsanwaltschaft ebenfalls noch klären. Fest steht: Solange Hildmann im Exil lebt, tritt die deutsche Justiz auf der Stelle.