Berlin. Der Fehmarnbelttunnel soll die Verbindung von Dänemark und Deutschland verbessern. Die wichtigsten Details zur neuen Ostseequerung.
Wer heute mit dem Zug von Hamburg nach Kopenhagen reisen will, muss rund fünf Stunden einplanen. Ein deutsch-dänisches Projekt soll die Reisezeit halbieren, auch Autofahrer sollen Zeit und Treibstoff sparen können. Der Fehmarnbelttunnel klingt nach einer Win-win-Situation für Mensch und Umwelt. Doch Umweltschützer sehen das Projekt kritisch und sprechen von irreversiblen Folgen für Flora und Fauna in der Ostsee.
Fehmarnbelttunnel: Die Fakten zum Projekt
Zunächst zur Idee: Der Fehmarnbelttunnel ist ein gemeinschaftliches, deutsch-dänisches Projekt. Er soll die Küsten der beiden Länder verbinden und dazu mitten durch die Ostsee verlaufen. Bisher überqueren Autos die Wasserstraße zwischen den beiden Küsten – den Fehmarnbelt – per Fähre. Um das Projekt zu verwirklichen, werden bereits seit mehreren Jahren die Eingänge beim dänischen Rødbyhavn und beim deutschen Puttgarden ausgehoben. Bauherr ist die Femern A/S, Teil einer Firma, die zum dänischen Verkehrsministerium gehört.
Um die Überquerung unter die Meeresoberfläche zu verlegen, sollen in einen bereits ausgehobenen Tunnelgraben 89 Tunnelelemente abgesenkt und miteinander verbunden werden. Rund 18 Kilometer sollen Reisende dann ab 2029 per Tunnel zurücklegen, in Zügen mit bis zu 200 km/h und auf insgesamt vier Autobahnspuren, zwei pro Richtung. Das spart dem Transitverkehr laut Projektwebsite einen Umweg von 160 Kilometern. „Zudem stärkt die neue direkte Bahnverbindung über den Fehmarnbelt den umweltschonenden Schienengüterverkehr.“
Umweltschützer kritisieren Fehmarnbelttunnel
Doch an dem Wort „umweltschonend“ stößt sich der Verein Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Die Umweltschützer listen mehrere Gründe auf, „warum der geplante Ostseetunnel ein Skandal ist“. Sie fürchten, dass die Folgen des Baus „das Ökosystem weit über den Fehmarnbelt bis in die zentrale Ostsee hinaus belasten. Die Folgen werden über Jahre zu spüren sein und der Nabu geht davon aus, dass einige Arten und Lebensräume sich niemals davon erholen werden.“
Grund dafür sei neben dem Baulärm die Sedimentverdriftung vor der Ostseeinsel. 15 Millionen Kubikmeter Boden wurden laut Denise Juchem, Pressechefin der Femern A/S, am Boden des Femahrnbelts ausgehoben. „Durch die sorgfältige Planung des eingesetzten Baggergeräts konnte die Sedimentfreisetzung so weit minimiert werden, dass die Aushubarbeiten letztlich deutlich weniger Sediment freigesetzt haben, als behördlich zugelassen war“, berichtet sie. Der Nabu antwortete nicht auf Nachfragen dieser Redaktion.
Bundesrechnungshof hinterfragt Nutzen des Fehmarnbelttunnels
Ein weiterer Vorwurf der Umweltschützer: Bei der Konstruktion sollen Riffe zerstört und dies nicht ausreichend kompensiert worden sein. Eine Klage des Nabu, wurde allerdings bereits 2022 durch das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Laut der Femern A/S wird hingegen ausreichend kompensiert. Die 9,2 Hektar Riffe, die unter den Bauarbeiten leiden, werden laut Juchem durch 17,5 Hektar neu geschaffene Riffe ausgeglichen. Insgesamt will die Femern S/A sogar 42,5 Hektar Riffe südöstlich von Fehmarn anlegen, um auch Eingriffe an Land zu kompensieren.
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Doch nicht nur Umweltschützer treibt das Projekt um. So hat das Projekt laut dem Bundesrechnungshof eine „ausschließlich politische Relevanz“. Der Hauptkritikpunkt: Kosten und Nutzen klaffen den Berechnungen zufolge weit auseinander. Schließlich ist das Projekt nicht günstig. Inzwischen ist das Budget von ursprünglich 5,6 Milliarden auf 7,1 Milliarden Euro angewachsen. Die Kosten trägt Dänemark, Deutschland finanziert allerdings die Anbindung an das deutsche Verkehrsnetz.
3,5 Milliarden Euro nur für die Schienenanbindung des Fehmarnbelttunnels
Dazu sollen die B207 zwischen Heiligenhafen-Ost und Puttgarden auf vier Spuren erweitert und die Brücke zwischen Fehmarn und dem Festland ebenfalls durch einen Tunnel mit vier Autobahnspuren und zwei Gleisen ersetzt werden. Die Brücke soll allerdings bestehen bleiben und für Radfahrer und Fußgänger nutzbar sein.
Die Bahn wird eine zweigleisige Anbindung zwischen Lübeck und Puttgarden, rund 88 Kilometer, bauen. Der Bundesrechnungshof rechnet damit, dass allein die Schienenanbindung rund 3,5 Milliarden Euro kosten wird. Gleichzeitig geht er davon aus, dass die Strecke zu wenig genutzt wird. Er schlägt daher vor, „die finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt durch eine stufenweise, am tatsächlichen Verkehrsbedarf orientierte Realisierung deutlich zu reduzieren.“
Rechtfertigt das Verkehrsaufkommen den Fehmarnbelttunnel?
Der Europäische Rechnungshof hinterfragt ebenfalls den Nutzen der Strecke, vor allem im Hinblick auf die Verbindung von Hamburg nach Kopenhagen: „Der Teil dieser Eisenbahnstrecke, der durch die feste Fehmarnbeltquerung verläuft, wird pro Jahr von nur einer Million Fahrgästen in beide Richtungen genutzt werden, was viel zu wenig ist, um wirtschaftlich tragfähig zu sein“, heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 2020. Dennoch kommen aus Brüssel 159,5 Millionen Euro.
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Auch die Autofähren sind nicht überlastet, laut eines durch den Nabu beauftragten Verkehrsgutachtens überqueren täglich rund 6000 Fahrzeuge den Fehmarnbelt. Die Femern A/S beruft sich allerdings auf eine Verkehrsprognose, die für das Jahr 2030 12.158 tägliche Fahrzeuge vorhersagt. Diese sollen auch die Finanzierung des Tunnels sichern, denn die Kredite sollen durch eine erhobene Maut abbezahlt werden.
Wie sicher ist der Fehmarnbelttunnel?
Ein weiteres Fragezeichen: Wie sicher ist ein langer Tunnel unter der Wasseroberfläche? Im Inneren können Unfälle passieren und auch von außen könnte Gefahr drohen. Schon bei den Sabotageakten an den Nord-Stream-Pipelines wurden Unterwasserstrukturen in der Ostsee Ziel von Angriffen.
„Die Tunnelelemente werden so ausgelegt, dass sie einem Brandereignis mit Temperaturen von 1.200 Grad Celsius über drei Stunden standhalten“, berichtet Juchem. „Darüber hinaus verfügt der Fehmarnbelttunnel auch über ein sehr detailliertes Rettungs- und Notfallkonzept.“ Von außen soll eine Schutzschicht aus Steinen, die über den Tunnelelementen ausgebracht wird, für Sicherheit vor den Gefahren der Ostsee sorgen.
Ohnehin ist das Projekt wohl nicht mehr aufzuhalten. Die ersten Tunnelelemente wurden bereits in einer dänischen Fabrik fertig betoniert, auch die Bauarbeiten sind bereits gestartet, der Tunnelgraben fertig ausgehoben. Ob sich die Sorgen der Kritiker bewahrheiten, wird sich dann frühestens 2029 zeigen.