Madrid. Nach einem Brand auf der spanischen „Tenacia“ mussten sämtliche Passagiere evakuiert werden. Nun kommt Kritik an der Reederei auf.
„Überall, wo man hinguckte, kam Rauch heraus: aus den Seiten des Schiffes und auch aus dem Schornstein“, berichtete ein spanischer Urlauber, der mit seiner Partnerin Ferien auf Mallorca machen wollte, nach dem Drama auf der Mittelmeer-Fähre „Tenacia“. „Man hörte schreiende Menschen, es waren Momente des Chaos“. In einem der unteren Decks, in einem der Technik- und Maschinenräume, war ein Feuer ausgebrochen. Der Brandgeruch sei massiv gewesen. „Vom Oberdeck aus sah man Qualm aufsteigen“, so der Urlauber weiter.
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Wohl nie werden die Passagiere vergessen, wie sie nachts um zwei aus der Ruhe gerissen wurden. „Dies ist keine Übung, sondern ein Ernstfall“, schallte es aus den Lautsprechern. Die Autofähre der italienischen Reederei GNV war mit 350 Passagieren und 61 Besatzungsmitgliedern auf dem Weg vom spanischen Valencia nach Mallorca. Viele Reisende schliefen zu dieser Zeit und wurden von der Durchsage geweckt. Alle Passagiere sollten sich mit Schwimmweste auf dem Oberdeck einfinden, wo sich die Rettungsboote befinden. Das Ganze spielte sich etwa 100 Kilometer vor Mallorca ab. Doch statt zur Balearen-Insel ging es auf Ersatzschiffen zurück nach Valencia. Verletzt worden sei zum Glück niemand.
Passagiere berichten: „Es war wie in einem Film“
Das Entsetzen ist immer noch groß: 16 Stunden mussten die Passagiere auf dem brennenden Schiff ausharren, bis am Montagnachmittag die Evakuierung angeordnet wurde, weil die Fähre durch das Löschwasser Schlagseite bekommen hatte. Doch warum dauerte die Rettung der Reisenden so lange, obwohl schon in den ersten Stunden nach Brandausbruch mehrere Schiffe zur Unglücksstelle geeilt waren? Diese Frage blieb zunächst unbeantwortet.
An fehlender Hilfe kann es nicht gelegen haben: Mehrere Löschschiffe des spanischen Seenotrettungsdienstes waren vor Ort. Hubschrauber kreisten über der Unglücksstelle. Zwei Containerschiffe und eine weitere Passagierfähre hielten sich in der Nähe bereit, um bei der Evakuierung zu helfen.
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Es war eine bange Zeit des Wartens: Für viele Passagiere, darunter auch Urlauberfamilien mit Kindern, waren es die schlimmsten Stunden ihres Lebens. „Meine größte Angst war eine Explosion“, sagte ein Passagier namens Bryan der Zeitung „Ultima Hora“. „Ich hatte große Angst, als ich sah, wie sich aus einem Hubschrauber Feuerwehrleute abseilten und auf die Fähre kamen. Es war wie in einem Film.“ Die Feuerwehr unterstützte die Mannschaft, der es mit dem bordeigenen Löschsystem schließlich gelang, die Flammen zu ersticken.
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Kritik an der Besatzung: „Niemand hat etwas erklärt“
Nach der Rettung kam Kritik an der Reederei und am Rettungseinsatz auf: „Es gab viel Nervosität, Momente der Panik, Angst, weinende Kinder und wenige Informationen“, berichtete ein Lastwagenfahrer, der mit seinem LKW Obst und Gemüse nach Mallorca bringen wollte. Entgegen offiziellen Angaben seien sehr wohl Menschen verletzt worden, und zwar bei der Evakuierung über die aufblasbaren Rettungsrutschen, über welche die Passagiere von den Oberdecks in die Rettungsboote auf dem Wasser gelangten. „Ich habe mir beim Rutschen Arme, Beine und Zehen verbrannt.“ Wie dieser Mann mussten auch andere Passagiere mit Hautverbrennungen behandelt werden.
Ein weiterer LKW-Fahrer beklagte fehlende Informationen und mangelnde Betreuung während der vielen Stunden, die die Passagiere auf der Fähre ausharren mussten. „Niemand hat etwas erklärt.“ Nach dem Brandausbruch habe es keine Elektrizität mehr auf dem Schiff gegeben. Handys konnten nicht aufgeladen werden, lediglich die Notbeleuchtung funktionierte. „Wir mussten unsere Schlafkabinen mit dem verlassen, was wir am Leib trugen“. Der Mann verbrachte die langen Stunden bis zur Rettung „in Flip-Flops, einer Badehose und einem T-Shirt“.
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Die italienische Reederei GNV hielt sich nach dem Unglück zunächst bedeckt und beschränkte sich darauf, den Rettungseinsatz per öffentlichen Statement zu loben: „Durch das sofortige Eingreifen des Bordpersonals, das in Abstimmung mit den verschiedenen beteiligten Behörden schnell die festgelegten Sicherheitsverfahren aktivierte, konnten alle Personen, sowohl Passagiere als auch Besatzung, an Land gebracht werden, ohne dass es zu körperlichen Folgen kam.“
Ein Sprecher der spanischen Seenotrettung räumte hingegen inzwischen ein, dass die Situation brenzliger war, als offiziell mitgeteilt wurde: „Es gab besonders kritische Momente, in denen nicht klar war, ob das Feuer unter Kontrolle gebracht werden konnte.“ Inzwischen wurde die Unglücksfähre in den Hafen von Valencia geschleppt. Dem Vernehmen nach soll der Laderaum, in dem sich zahlreiche Autos von Reisenden und auch Lkws befanden, zum Teil unter Wasser stehen. Experten begannen mit der Suche nach der Brandursache.