Washington. Der Mount Rainier ist einer der spektakulärsten Vulkane in den USA und bereitet Wissenschaftlern derzeit viel Kopfzerbrechen.
Laut der jüngsten Bedrohungsbewertung des US Geological Survey aus dem Jahr 2018 betrachtet die Bundesbehörde den Mount Rainier nur als drittgefährlichsten Vulkan in den USA. Vor ihm liegt noch Kīlauea auf Hawaii – keine Überraschung, wenn man bedenkt, wie viele Menschen in seiner Nähe leben und wie häufig er ausbricht – und der Mount St. Helens, der im Mai 1980 katastrophal ausbrach. Forscher blicken jedoch derzeit trotzdem besorgt auf den schneebedeckten Gipfel des Mount Rainier, im US-Bundesstaat Washington. In den letzten 1000 Jahren verursachte er keinen nennenswerten Vulkanausbruch und genau das bereitet vielen US-Vulkanologen Sorgen. Der nächste Ausbruch könnte nur eine Frage der Zeit sei.
„Der Mount Rainier hält mich nachts wach, weil er eine große Bedrohung für die umliegenden Gemeinden darstellt. Tacoma und Süd-Seattle sind auf 100 Fuß (ca. 30,5 Meter) dicken alten Schlammflüssen von Ausbrüchen des Mount Rainier gebaut“, sagt Jess Phoenix, Vulkanologin und Botschafterin der Union of Concerned Scientists, gegenüber dem Nachrichtensender CNN.
Größte Gefahr bei Vulkanausbruch ist ein Lahar
Das zerstörerische Potenzial des schlafenden Riesen liegt dabei nicht in feurigen Lavaströmen, die sich im Falle eines Ausbruchs wahrscheinlich nicht mehr als ein paar Meilen über die Grenze des Mount-Rainier-Nationalparks im pazifischen Nordwesten hinaus erstrecken würden. Und der Großteil der Vulkanasche würde sich nach Angaben des US Geological Survey wahrscheinlich in östlicher Richtung, weg von den Bevölkerungszentren, auflösen.
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Stattdessen befürchten viele Wissenschaftler die Aussicht auf einen Lahar – eine sich schnell bewegende Schlammlawine aus Wasser und Vulkangestein, die aus Eis oder Schnee entsteht, was bei einem Ausbruch schnell geschmolzen ist und Trümmer aufnimmt, während sie durch Täler und Entwässerungskanäle fließt.
„Das, was den Mount Rainier so widerstandsfähig macht, ist, dass er so hoch ist und mit Eis und Schnee bedeckt ist. Wenn es also irgendeine Art von Eruption gibt, schmilzt heißes Zeug das kalte Zeug und es wird viel Wasser kommen“, sagt Seth Moran, Forschungsseismologe am USGS Cascades Volcano Observatory in Vancouver, Washington. „Und es gibt Zehn-, wenn nicht Hunderttausende Menschen, die in Gebieten leben, die potenziell von einem großen Lahar betroffen sein könnten, und das könnte ziemlich schnell passieren“, so der Wissenschaftler
Beim tödlichste Lahar der letzten Zeit starben über 23.000 Menschen
Der tödlichste Lahar der letzten Zeit ereignete sich im November 1985, als der kolumbianische Vulkan Nevado del Ruiz ausbrach. Nur wenige Stunden nach Beginn des Ausbruchs ergoss sich ein Fluss aus Schlamm, Steinen, Lava und eisigem Wasser über die Stadt Armero und tötete innerhalb weniger Minuten über 23.000 Menschen.
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Der Mount Rainier habe etwa achtmal so viele Gletscher und Schnee wie der Nevado del Ruiz bei seinem Ausbruch. „Es besteht die Möglichkeit einer viel katastrophaleren Schlammlawine.“ Lahare treten typischerweise bei Vulkanausbrüchen auf, können aber auch durch Erdrutsche und Erdbeben verursacht werden. Geologen hätten Hinweise darauf gefunden, dass in den letzten 6000 Jahren mindestens elf große Lahare vom Mount Rainier in die Umgebung, die sogenannten Puget Lowlands, vorgedrungen seien, sagte Moran.
Wissenschaftler haben den jüngsten dieser Lahare, der vor etwa 500 Jahren stattfand, nicht mit irgendeiner Art von vulkanischer Aktivität in Verbindung gebracht. Den Forschern zufolge könnte ein großer Erdrutsch an der Westflanke des Berges das Strömungsereignis verursacht haben. An dieser Stelle verbleibt loses, schwaches Gestein, und die Gefahr eines ähnlichen, durch einen spontanen Erdrutsch ausgelösten Lahar bereitet Moran und anderen Vulkanologen besondere Sorgen.
Zwei Worst-Case-Szenarien
„Mittlerweile weiß man, dass der Vulkan möglicherweise dazu in der Lage ist und es könnte jederzeit passieren“, sagte Moran. Sollte der Lahan die gleiche Größe haben, seien es zehn Minuten zu den nächstgelegenen Wohnorten und 60 Minuten zu den nächstgelegenen größeren Gemeinden. „Und das sind wirklich kurze Zeitrahmen“, fügt er hinzu.
Eine Studie aus dem Jahr 2022 modellierte zwei Worst-Case-Szenarien. In der ersten Simulation würde ein 260 Millionen Kubikmeter großer und vier Meter tiefer Lahar auf der Westseite des Mount Rainier entstehen. Der Murgang entspräche laut Moran der Größe von 104.000 olympischen Schwimm-Becken und könnte etwa eine Stunde nach einem Ausbruch das dicht besiedelte Tiefland von Orting, erreichen, wo er sich mit einer Geschwindigkeit von vier Metern in der Sekunde fortbewegen würde.
Ein zweites Gebiet mit „erheblicher Gefahr“ sei das Nisqually River Valley, wo ein gewaltiger Lahar der Simulation zufolge so viel Wasser aus dem Alder Lake verdrängen könnte, dass der 100 Meter hohe Alder Dam überlaufen könnte .
Lahar-Erkennungssystem eingerichtet
Der Cousin des Mount Rainier, Mount St. Helens, weiter südlich in der Cascade Range, löste bei seinem Ausbruch vor vier Jahrzehnten einen verheerenden Lahar aus, der jedoch keine dicht besiedelten Gebiete erreichte. Nach dem Ausbruch des Mount St. Helens richtete der US Geological Survey 1998 am Mount Rainier ein Lahar-Erkennungssystem ein, das seit 2017 modernisiert und erweitert wurde.
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Ungefähr 20 Standorte an den Hängen des Vulkans und die beiden Pfade, die als am stärksten von einem Lahar gefährdet eingestuft wurden, verfügen jetzt über Breitbandseismometer, die Echtzeitdaten übertragen, sowie über andere Sensoren, darunter Stolperdrähte, Infraschallsensoren, Webkameras und GPS-Empfänger.
Das System sei sowohl darauf ausgerichtet, einen Lahar zu erkennen, falls der Vulkan in Zukunft aufwachen sollte, als auch auf das spezifische Szenario eines durch einen Erdrutsch ausgelösten Lahars, sagte Moran. Das ursprüngliche System hatte aufgrund der Einschränkungen der Technologie der 1990er-Jahre eine geringe Bandbreite und einen geringen Strombedarf, was bedeutete, dass Daten nur alle zwei Minuten übertragen wurden.