Berlin. Viele Unfälle in den Bergen wären leicht zu vermeiden. Was Menschen wissen sollten, die Wanderurlaub machen, erklärt ein Bergretter.
- Immer wieder kommt es in den Alpen zu Unfällen
- Häufig überschätzen sich Laien im Hochgebirge
- Ein Bergretter erklärt, worauf man achten sollte
Roland Ampenberger ist im Vorstand der Stiftung Bergwacht in Bayern. Im Interview spricht er über den Trend zum Outdoor-Sport, welche Gefahren in den Bergen drohen und wie man sich am besten auf eine ausgiebige Wandertour vorbereitet.
Herr Ampenberger, laut Unfall-Statistik des Deutschen Alpenvereins sind die Unfallzahlen in den Bergen so hoch wie nie. Können Sie sich erklären, woran das liegt?
Roland Ampenberger: Die Zahlen des Deutschen Alpenvereins beziehen sich auf dessen Mitglieder. Die sind alpenweit beziehungsweise sogar weltweit unterwegs. Diese Zahlen kann man nicht unbedingt mit unserem Gebiet in Deutschland vergleichen.
Welches Gebiet wäre das?
Ampenberger: Unser Zuständigkeitsbereich sind die bayerischen Alpen von Oberstdorf bis Berchtesgaden, aber auch die Mittelgebirge bis rauf in den Spessart. Außerdem ist die Bergwacht in den Mittelgebirgen in Deutschland aktiv, etwa in Sachsen und Thüringen, bis rauf in den Harz oder ganz im Westen und auch im Schwarzwald. Überall dort, wo der Rettungswagen nicht mehr fährt, ist die Bergwacht zuständig.
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Und nehmen die Unfälle dort zu oder nicht?
Ampenberger: 2017 hatten wir in den Sommermonaten 2835 Einsätze. 2021 – das war ein Spitzenjahr – waren es 3800 Einsätze. 2022 hatten wir einen leichten Rückgang. Insofern stimmt das schon. Die Zahlen werden nicht weniger, weil der Trend zum Outdoor-Sport seit Jahren zunimmt.
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Gibt es denn bestimmte Sportarten in der Sommersaison, die unfallanfälliger sind als andere?
Ampenberger: Die einfachste und naheliegendste ist das Wandern und Bergsteigen. Weil so die meisten Menschen im Gebirge unterwegs sind. Und dann natürlich das alpine Klettern, weil es am anspruchsvollsten ist.
Was gilt es denn für Wander-Anfänger vor der ersten Tour zu beachten, dass es erst gar nicht soweit kommt?
Ampenberger: Die richtige Ausrüstung: Dazu gehören Kälte- und Sonnenschutz, ein kleines Erste-Hilfe-Pack, das richtige Schuhwerk und ein Mobiltelefon. Dann sollte man gut vorplanen. Dazu gehört, die Schwierigkeit des Weges einzuschätzen, zu wissen, wie lange die Wanderung dauert, man sollte keinen Zeitdruck haben – gerade jetzt im Herbst werden die Tage kürzer. Und natürlich den Wetterbericht im Blick haben.
Um nicht in ein Gewitter zu geraten?
Ampenberger: Zum Beispiel. Tatsächlich hatten wir diesen Sommer häufig Wetterlagen, die regional oder punktuell ganz unterschiedlich waren. Das Wetter kann sich sehr schnell ändern. Bei einer labilen Wetterlage muss man also möglicherweise mehr Reserven oder Alternativen einplanen, eine Tour abzubrechen.
Wenn bei einer Tour doch etwas passiert: Wie muss man sich einen typischen Einsatz der Bergwacht vorstellen?
Ampenberger: Im Winter ist der typische Einsatz die Knieverletzung auf der Skipiste. Das ist ein Standardeinsatz. Im Sommer kann es eine Vermisstensuche oder ein Abtransport bei Dunkelheit und schlechtem Wetter sein.
Und wie geht die Bergwacht dabei vor?
Ampenberger: Wenn Sie 112 wählen, meldet sich zunächst die Rettungsleitstelle und fragt, was passiert ist, wo Sie sind und welche Verletzung vorliegt. Die Informationen gibt sie an den zuständigen Einsatzleiter der Bergwacht vor Ort weiter. In der Regel versucht der sie nochmal zurückzurufen und sich ein genaueres Bild von der Situation zu machen. Rufen Sie zum Beispiel spätnachmittag kurz vor Dunkelheit an, kommt der Hubschrauber vielleicht nicht mehr hin. Manchmal werden auch zwei Teams losgeschickt, eins aus der Luft und eins vom Boden, also eine Einsatzmannschaft mit 6 bis 8 Leuten, die im Fahrzeug anfahren und dann aufsteigen.
Wie bereitet man sich auf diese Einsätze vor?
Ampenberger: In Bayern arbeiten die Bergretter ehrenamtlich, wie die Freiwillige Feuerwehr. Die Bergretter verlassen also unter der Woche den Arbeitsplatz und starten in den Einsatz. Grundvoraussetzung ist, dass man Bergsteiger ist, Skifahren kann und sich im Alpinen Gelände zurechtfindet. Das wird im Eignungstest abgeprüft. Anschließend erfolgt die Ausbildung in den Rettungstechniken, in der Notfallmedizin mit entsprechenden Prüfungen.
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Noch ein anderes Thema: Verändert sich durch den Klimawandel eigentlich der Job des Bergretters?
Ampenberger: Also per se ändert sich nichts. Wir retten Verletzte und Verunfallte. Wieso es zum Unfall gekommen ist, ist erstmal egal. Aber natürlich hat das Klima mittelbare Auswirkungen. Wenn das Wetter lange schön und stabil ist, sind viele Menschen im Gebirge. Diesen Sommer hatten wir zudem sehr lokal Starkregen, mit starkem Niederschlag und riesigen Hagelkörnern.
Ein großes Thema im Gebirge ist auch der Rückgang des Permafrostbodens. Das betrifft insbesondere die vergletscherten Bereiche unter anderem in Österreich, der Schweiz und Italien. Da können Berge instabil werden und im Extremfall entstehen Steinschläge, Hangrutsche oder ein Felssturz. Grundsätzlich ist der Gebirgsraum ein unglaublich wertvoller Raum für uns. Dort hinzugehen, Erlebnisse zu haben, Erfahrungen zu machen, Sport zu machen ist großartig. Mit dieser Freiheit verbunden, ist die Verantwortung für uns selbst, für den Naturraum und die Rücksichtnahme auch gegenüber allen anderen, die am Berg unterwegs sind.