Berlin. Die Umweltministerin will Wölfe “erleichtert abschießen“ lassen. Ein Wildexperte erklärt, was das heißt und was den Wölfen nun droht.
- Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat erneut Pläne bekräftigt, das schnellere Abschießen einzelner Wölfe in Deutschland zu ermöglichen. „Dort wo Wölfe Schafe reißen, (...) müssen wir diese Wölfe schießen, weil sie gelernt haben, dass man dort leichte Beute machen kann“, sagte Lemke am Donnerstag (12.10.23) in Berlin – hier lesen Sie mehr dazu.
- Ein Experte erklärt, was der Unterschied zwischen Bejagung und Entnahme einzelner Wölfe ist und warum ein Zusammenleben mit Wölfen keine Option ist.
„Es ist kein Hexenwerk“, sagt Professor Sven Herzog, Autor und Wildökologe von der Technischen Universität Dresden. Einen Wolf abzuschießen, sei im Grunde eine recht einfache Angelegenheit.
Nachdem die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) das Thema der erleichterten Abschüsse von Wölfen in die Welt gebracht hat, herrsche allerdings ein wenig Konfusion. Zwar geht es um den Abschuss. Aber der Fachmann unterscheidet zwischen Bejagung und Entnahme: Wölfe werden in vielen Ländern gejagt. In Deutschland aber sollen sie ja nicht gejagt werden, so Herzog: „Es geht dabei um die Entnahme eines Tiers, die erleichtert werden soll.“ Also um den gezielten Abschuss eines Problemtiers.
Mit dem Jagdgewehr: So erfolgt der Abschuss eines Wolfs
Aber wie erfolgt der Abschuss? Was genau muss der Jäger beachten? Herzog spricht von einer „einfachen Lage“: Wenn der Wolf also immer wieder an einer bestimmten Stelle auftaucht, sei die Entnahme nicht kompliziert. „Dann wartet man“, so der Wildexperte. Man lauere ihm auf, meist in der Nähe von Weiden, wo er bereits gesichtet wurde. In der Regel habe man schnellen Erfolg. Und wenn man ihn dann sieht, ist er zum Abschuss freigegeben. „Dazu nutzt ein ganz normales Jagdgewehr.“
Die komplizierte Lage sieht so aus: Es könne ja sein, so Herzog, dass das Tier keine bestimmte Stelle aufsucht. „Dann ist ein Zufallstreffer notwendig. Allerdings stehen die Chancen nicht schlecht, da Tiere, die sich so nah heranwagen, ja wenig scheu sind.“ Kameras aufzustellen, sei keine wirkliche Lösung. „Dann hat man das Tier ja auch noch nicht wirklich vor sich.“
Der Wolf erobert sich Lebensräume zurück. Was Naturschützer freut, ruft bei Schäfern oft Entsetzen hervor. Immer wieder werden ihre Tiere von Wölfen gerissen. Jetzt sollen, so will es Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Weidetiere wie Schafe besser geschützt werden. Abschüsse von Wölfen nach Rissen müssen schneller und unbürokratischer möglich sein, forderte Steffi Lemke (Grüne).
So gehen die Nachbarländer mit dem Wolf um
Bejagung und Entnahme – diese Begriffe gingen vielfach durcheinander, so Wildexperte Herzog. Während in vielen osteuropäischen Ländern und in Skandinavien der Wolf gejagt werden darf, gilt beispielsweise in Deutschland, aber auch in Österreich oder der Schweiz nur eine erleichterte Entnahme.
- Lesen Sie auch: Begegnung mit einem Bären – Das müssen Sie beachten
„In Deutschland gibt es viele bürokratische Vorschriften, die es erschweren, überhaupt ein Tier zu entnehmen“, so Herzog. „Es darf wirklich nur der ganz bestimmte Wolf entnommen werden.“ Dazu wurde ein DNA-Abgleich vorgenommen aus Exkrementen oder Speichelproben. Erst wenn hundertprozentig klar ist, dass es sich um das entsprechende Tier handelt“, darf er erschossen werden.
In Deutschland sind die Bundesländer für das Wolfsmanagement zuständig. Bayern hat eine strikte Auslegung der Vorschriften angeordnet. Im Freistaat soll der Riss eines Schafes genügen, um Wölfe abschießen zu dürfen.
Experte: Frankreich jagt Wölfe trotz Verbots
In der Schweiz dürfen Einzelwölfe durch eine neue Verordnung ab sechs Nutztier-Rissen erschossen werden, vorher lag die Schwelle bei zehn Rissen. Zudem dürfen Wölfe eher getötet werden, wenn sie in der Nähe von Häusern auftauchen und keine Scheu vor Menschen zeigen.
Wie weit die ins Spiel gebrachte „Erleichterung des Abschusses“ gehen soll, sei interpretationsfähig. „In Frankreich beispielsweise hat man die EU-Vorschriften sehr flexibel ausgelegt. Bei etwa 100 Tier-Entnahmen kann man ja schon fast von einer Bejagung sprechen“, so Herzog.
Zusammenleben mit dem Wolf: Für Experten keine Option
Herzog spricht immer gern davon, dass es schon seltsam sei: An die Jagd von Hirschen und Rehen hätten sich die Menschen gewöhnt, das sei akzeptiert. Aber der Wolf gelte als Tabu. Von der Aussage, dass wir „wieder mit dem Wolf leben lernen müssen“, hält er nicht viel, wie er in Interviews sagte. Unsere Vorfahren hätten nie „mit dem Wolf“ gelebt. „Sie haben ihn verfolgt, auf die eine oder andere Weise. Und das war in einer klein- und kleinstbäuerlich geprägten Gesellschaft auch überlebensnotwendig.“
Dieser Artikel erschien zuerst am 6.9.2023