San Francisco/Los Angeles. Heute Nacht ist es wieder so weit. Wer ist nominiert? Wer hat gute Chancen auf einen Goldjungen? Und was sind die Kontroversen der Show?
- In der Nacht werden wieder die Oscars verliehen
- In diesem Jahr lohnt sich das Einschalten besonders, denn es gibt gleich mehrere deutsche Hoffnungen
- Die wichtigsten Infos im Überblick
„Und der Oscar geht an ...“ Zum 96. Mal werden in der Nacht von Sonntag auf Montag die Academy Awards verliehen. Sehr zur Freude vieler Oscar-Fans hat die Academy dieses Jahr auf Experimente verzichtet: Statt wie 2023 in Champagnerfarben leuchtet der Teppich für 2024 wieder in edlem Rot.
Die glamouröse Gala im Dolby Theatre in Los Angeles verspricht Spannung, Pomp, extravagante Outfits – und bietet deutschen Zuschauern drei gute Gründe, die Nacht vor dem TV oder Tablet zu verbringen. Aber der Reihe nach.
Oscars 2024: Wann geht‘s los?
Die Goldjungen-Verleihung beginnt um 19 Uhr Eastern Standard Time (EST), in Deutschland läuft die Übertragung ab 23.30 Uhr beim Sender ProSieben und parallel im Stream beim Anbieter Joyn. Immerhin eine Stunde früher als in den letzten Jahren.
Oscars 2024: Wer moderiert?
Wie schon 2023 gibt sich Comedian und Talkshow-Host Jimmy Kimmel die Ehre, zum insgesamt vierten Mal. Zu den Laudatoren gehören die Gewinner und Gewinnerinnen aus der vergangenen Oscar-Verleihung: Brendan Fraser, Michelle Yeoh, Ke Huy Quan und Jamie Lee Curtis werden die begehrte Trophäe aushändigen. Dazu kommen Stars aller Altersgruppen: Steven Spielberg, America Ferrera, Ariana Grande, Ben Kingsley und Christoph Waltz, um nur ein paar zu nennen.
Oscars 2024: Wer ist für den „Besten Film“ nominiert?
Insgesamt zehn Filme treten in der wichtigsten Kategorie „Bester Film“ an:
- „American Fiction“ (Cord Jefferson, Komödie)
- „Anatomie eines Falls“ (Justine Triet, Beziehungsdrama)
- „Barbie“ (Greta Gerwig, Komödie)
- „The Holdovers“ (Alexander Payne, Drama)
- „Killers of the Flower Moon“ (Martin Scorsese, Biopic/Romanverfilmung)
- „Maestro“ (Bradley Cooper, Biopic/Romanverfilmung)
- „Oppenheimer“ (Christopher Nolan, Biopic)
- „Past Lives“ (Celine Song, Drama)
- „Poor Things“ (Yorgos Lanthimos, Drama)
- „The Zone of Interest“ (Jonathan Glazer, Holocaust-Drama)
Reichlich schwerer Stoff also, von wenigen Ausnahmen („Barbie“) einmal abgesehen. So handelt Glazers deutschsprachiges Holocaust-Drama – gleichzeitig in der Kategorie „Bester Internationaler Film“ nominiert – von niemand Geringerem als dem Auschwitz-Lagerkommandanten Rudolf Höss und dessen Frau Hedwig, die sich, nur wenige Meter vom größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte entfernt, ein ganz normales Leben aufbauen, inklusive Gemüsegarten.
Auch „Oppenheimer“ entführt die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und skizziert in einem atemlosen und unglaublich dialogstarken Film den Bau der ersten Atombombe der Geschichte.
Oscars 2024: Deutschland hat drei gute Gründe zum Einschalten
2023 konnte das deutsche Kino gleich vier Mal jubeln: Der Netflix-Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ wurde unter anderem als „Bester Internationaler Film“ ausgezeichnet. Die Titelverteidigung ist möglich: Regisseur İlker Çatak ist mit „Das Lehrerzimmer“ als deutscher Beitrag in derselben Kategorie nominiert.
Çatak sorgte in Deutschland bereits für Gesprächsstoff, weil deutsche Medien dem Film zunächst wenig Beachtung schenkten oder den Namen des Regisseurs falsch geschrieben hatten. Im „Spiegel“ warf Çatak der Presse daraufhin „Ignoranz“ vor, die die „Wurzel von Rassismus“ sei, und forderte von Redakteuren und Medienmacherinnen mehr Einsatz dagegen.
Mit Wim Wenders geht ein zweiter deutscher Regisseur ins Rennen um die Auslandsfilm-Trophäe. Der 78-Jährige könnte für den japanischen Film „Perfect Days“ den ersten, manche meinen überfälligen, Oscar seiner Karriere bekommen. Dem „Hollywood Reporter“ sagte Wenders dazu, es sei doch ein wenig ironisch, für einen japanischsprachigen Film nominiert zu sein, gleichzeitig aber „eine große Ehre“.
Die Leipziger Schauspielerin Sandra Hüller freut sich über gedrückte Daumen in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ für „Anatomie eines Falls“. Seit den 1930er-Jahren hat das keine deutsche Mime mehr geschafft. Mit ihrer Darstellung einer karrierefokussierten, bisexuellen Autorin unter Mordverdacht gilt sie als Geheimfavoritin für die diesjährige Verleihung. Der BBC sagte sie: „Es war richtig befreiend, eine Frau zu spielen, die so viel über sich weiß.“
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Für Hüller wird die Oscar-Nacht gleich doppelt spannend, denn sie spielt auch in Glazers Holocaust-Drama eine prominente Rolle: die der Ehefrau von Menschenschlächter Höss. „Zwei Charaktere, die auf verschiedene Weise als Monster verstanden werden können“, urteilte die BBC.
Hüller muss sich allerdings gegen große Konkurrenz durchsetzen: Emma Stone und Lily Gladstone werden ebenfalls als Favoritinnen für die „Beste Hauptdarstellerin“ gehandelt. Gladstone wäre die erste amerikanische Ureinwohnerin, die jemals einen Oscar gewinnen würde.
Bei den Männern streiten sich der Ire Cillian Murphy („Oppenheimer“) und der US-Amerikaner Paul Giamatti („The Holdovers“) um den Goldjungen. Beide müssen aber mit Bradley Cooper rechnen, auch wenn dessen Perfomance in „Maestro“ als legendärer Dirigent Leonard Bernstein in elitäreren Zirkeln der US-Presse als etwas zu oscarhungrig gilt.
Wenn es um den „Besten Film“ geht, dann hat der zeitgeistige „Barbie“ gute Karten. Gerwigs pink lackierte Einstiegsvorlesung in Feminismus darf sich schon deswegen Hoffnungen machen, weil sie eigentlich selbstverständliche Menschenrechte propagiert, gleichzeitig die unmöglichen Anforderungen an eine moderne Frau kritisiert und dabei wahnsinnig unterhaltsam ist.
Allein, Hollywood liebt zwar Komödien, zeichnet dann aber doch lieber die großen Dramen aus: Und da hat sich bereits Nolans „Oppenheimer“ in Stellung gebracht, dem der „Hollywood Reporter“ die mit himmelweitem Abstand größten Chancen ausrechnet. Der Film dominierte zudem die Bafta Awards, die gemeinhin als Gradmesser für die Oscar-Verleihung gelten. „Barbie“ ging leer aus.
Oscars 2024: Das sind die Kontroversen der Verleihung
All eyes on: „Barbie“. Der Film ist insgesamt acht Mal nominiert, allerdings nicht in den Kategorien „Regie“ und „Beste Hauptdarstellerin“. Das sorgte vorab für Diskussionen bis hin zum Vorwurf, die Auslassung von Greta Gerwig und Margot Robbie sei Ausdruck ebenjener Frauenfeindlichkeit, die der Film parodiere – weil Ryan Gosling für seine Rolle als Barbie-Beiwerk Ken in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“ Chancen auf einen Oscar hat.
Der war entsprechend wütend: „Es wäre eine Untertreibung, wenn ich sagen würde, ich sei enttäuscht darüber, dass die beiden nicht nominiert sind“, sagte er CNN. Sollte Gosling den Oscar erhalten, steht eine entsprechend kritische Dankesrede ins Haus.
Auch die Nominierung für „Oppenheimer“ hat zuletzt für Aufregung gesorgt. Der Film blendet die teils tödlichen Folgen des Trinity-Tests für die im atomaren Testgebiet in New Mexico ansässige indigene Bevölkerung aus – ein Kritikpunkt in den Augen der Nachkommen, für die der Atomtest mit Krebsleiden, Vertreibungstraumata und Trauer verbunden ist. Eine Erwähnung dieser Umstände in einer möglichen Dankesrede halten viele von ihnen für das Mindeste.
Ansonsten dürfte beäugt werden, wie sehr sich die Academy an ihre selbst auferlegten Diversitätsregeln hält. Die diesjährige Verleihung ist die erste, die nach dem neuen Regelwerk abläuft. So müssen etwa Nominierungen für den „Besten Film“ mindestens zwei von vier Standards erfüllen. Etwa 30 Prozent der Schauspieler im Werk müssen einer marginalisierten Gruppe angehören. Dazu zählen Frauen, nichtweiße Ethnien, Vertreter der LGBTQIA+-Community und Menschen mit Behinderungen.
Die Frage wird sein: Alles nur schöner Schein? Zwar sind dieses Jahr mehr Frauen nominiert als in den Jahren zuvor, machen aber nur rund ein Drittel aller Nominierungen aus. In der Kategorie „Beste Regie“ haben überhaupt nur acht Frauen jemals einen Oscar erhalten – hier besteht in den Augen vieler Kritiker Nachholbedarf.