Rom. Barbesitzer Gian Marco Goldoni fühlt sich von der Polizei im Stich gelassen. Als Schutz gegen Diebe schenkt er nun Gratis-Drinks aus.
14 Raubüberfälle in elf Monaten hat Gian Marco Goldoni, Inhaber der eleganten Weinbar „In Vino Veritas“ im Zentrum Modenas, erlitten. Beim letzten Mal Ende Januar, als er gerade gegen ein Uhr nachts sein Lokal schließen wollte, wurde der 33-Jährige sogar mit vorgehaltener Waffe bedroht.
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Diese unliebsame Begegnung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Nachdem ich 14 Mal in nicht einmal einem Jahr überfallen worden bin, ist mir der Geduldsfaden gerissen“, erzählt Goldoni. Da er nicht mit der Unterstützung der Polizei rechnen könne, die „wegen der Kriminalität selbst überfordert ist“, habe er beschlossen, einen anderen Weg zu gehen – seither gibt es für jeden, der bis Ladenschluss sitzen bleibt, einen Drink aufs Haus.
Italien: „Nachts wird Modena zum Niemandsland“
Den entsprechenden Aufruf postete der Somelier in den sozialen Medien: „Von Mitternacht bis zur Schließung spende ich jedem, der mir Gesellschaft leistet, bis ich den Laden schließe, einen Gin Tonic“, schrieb der Italiener. Damit will er vermeiden, allein spät in der Nacht sein Lokal schließen zu müssen.
„Nachts wird das Stadtzentrum Modenas zum Niemandsland“, erzählt der Einheimische. Bei den Überfällen habe man ihm bisher insgesamt 600 Euro entwendet. „Das ist nicht dramatisch, doch die Schäden, die ich wegen eingeschlagener Scheiben und anderer Delikte erlitten habe, betragen über 70.000 Euro.“ So könne es nicht weitergehen.
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Vor drei Jahren erst hat Gian Marco Goldoni seine Weinbar eröffnet. Nach dem Vorbild einer eleganten Mailänder Bar, die auf Gin spezialisiert ist. „Das Geschäft läuft bestens, die Kunden kommen sogar aus anderen Städten und Regionen“, sagt Goldoni und ist entschlossen: „Ich will um keinen Preis mein Lokal schließen.“
Mit Waffe bedroht: „Ich war wie versteinert vor Angst“
Doch die Angst ist sein täglicher Begleiter. Bei dem Vorfall im Januar war er gegen ein Uhr nachts allein im Lokal. „Ich wollte schließen, als ein Mann hereinkam und mich um einen Drink bat.“ Statt das Glas entgegenzunehmen, öffnete der Unbekannte seine Jacke und zeigte ihm eine Pistole.
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Der Mann habe die Kassenschublade geöffnet, das Bargeld herausgenommen und sei dann zum Ausgang gerannt. „Bevor er ging, sagte er mir, dass er das Geld brauche, weil er vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden sei und versicherte mir, dass er mir den Betrag zurückgeben würde, sobald er könne“, erzählt Goldoni. „Ich war wie versteinert vor Angst.“
Erst am nächsten Morgen habe er sich dazu durchringen können, den Vorfall der Polizei zu melden. Diese prüft jetzt das Videoüberwachungsmaterial. „Nun hoffe ich, dass sich endlich etwas bewegt, obwohl die Polizei angesichts der zunehmenden Kriminalität ziemlich machtlos ist.“ Die Zahl der Beamten, die auf Modenas Straßen patrouillieren, sei unzulänglich, klagt Goldoni.
Regierung Meloni will gegen Kriminalität vorgehen
Die Kriminalität in der 230.000-Einwohner-Stadt, die vor allem wegen ihrer Gastronomie und Autoproduktion bekannt ist, habe in den vergangenen Monaten zugenommen, erklärt Goldoni. „Bis vor einem Jahr war Modena eine durchaus sichere Stadt, aber dann haben sich Jugendbanden gebildet, die gefährlich sind. Man fühlt sich nicht mehr sicher.“
Laut einem Ranking der Mailänder Tageszeitung „Sole 24“, das auf Zahlen des italienischen Innenministeriums basiert, liegt Modena auf Platz 15 der Städte mit den meisten angezeigten Straftaten im Jahr 2023. Wenn es um Diebstähle geht, landet Modena sogar auf Platz sechs. Auch Anzeigen wegen sexueller Gewalt nehmen laut der Auswertung zu, wobei Modena mit insgesamt 97 Anzeigen landesweit auf Platz 13 liegt.
Das Thema Kriminalität beschäftigt auch die Regierung in Rom. So will das Kabinett der Rechtspopulistin Giorgia Meloni verstärkt auf Soldaten setzen, um die öffentliche Sicherheit in den Städten zu garantieren. 6800 Soldaten werden 2024 zur Unterstützung der Polizei und der Carabinieri in den italienischen Großstädten eingesetzt. 800 Soldaten werden die größten Bahnhöfe des Landes überwachen. Sie sollen der Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, heißt es aus Rom.
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In Modena setzt man indes auf Nachbarschaftshilfe: Goldonis Aufruf ist nicht auf taube Ohren gestoßen. Freunde, Kunden und sogar Unbekannte, die von seinem Appell gehört haben, leisten ihm bis spät in die Nacht hinein Gesellschaft. Mit einer solchen Solidaritätswelle hätte der Gastronom selbst nicht gerechnet: „Ich dachte nicht, dass mein Aufruf einen derartigen Anklang ernten würde – ich bin überwältigt.“