Berlin. In Berlin verprügelte ein Student einen jüdischen Kommilitonen. Das Entsetzen ist groß – und die Konflikte an der Uni schwelen weiter.
Der Konflikt zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas schlägt immer höhere Wellen, die bis nach Berlin schwappen – nicht nur bei öffentlichen Demos und Kundgebungen, sondern auch an Universitäten. An der Freien Universität (FU) Berlin treffen pro-palästinensische und pro-israelische Studenten täglich aufeinander. Der Konflikt fand am vergangenen Freitag seinen vorläufigen Höhepunkt in einem Angriff auf den israelischen Studenten Lahav Shapira in Berlin-Mitte, bei dem dieser krankenhausreif geprügelt wurde.
Zentralrat der Juden fordert Exmatrikulation des „Schlägers“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat gefordert, dass Universitäten keine „No-go-Areas für Juden“ werden dürften. Universitäten dürften Extremisten keinen Raum geben. Spätestens wenn die verbale Gewalt in physische Gewalt umschlage, solle die Bedrohungslage allen klar sein. „Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen“, sagte Schuster. „Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos“, fügte er hinzu.
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) zeigte sich vom Übergriff entsetzt. „Ich verurteile den Angriff auf einen jüdischen Studenten der FU deutlich“, sagte sie am Dienstag. „Diese abscheuliche antisemitische Tat muss konsequent verfolgt werden.“ Sie erwarte von der FU, dass Konsequenzen gezogen werden. „Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die Universität ein Hausverbot gegenüber dem Täter erteilen will.“ Dem Geschädigten wünscht die Senatorin „eine schnelle und vollständige Genesung.“
„Israelkritische“ Aktivisten der Hochschulen: Nicht gesprächsbereit
Auf der anderen Seite des in Berlin weitergeführten Nahost-Konflikts stehen propalästinensische Gruppen, die nicht zum Gespräch mit der Morgenpost bereit waren. Die Studentenvereinigung Students for Palestine FU Berlin, die im Dezember die FU besetzt hat, trifft sich jeden Donnerstag an der FU, auch am 8. Februar. Die Aktivisten, die oft eine palästinensische Kufija tragen, ein meist schwarz-weiß gemustertes Kopf- oder Halstuch, werfen der FU vor, sie unterstütze „den Genozid in Gaza“, indem sie zum Beispiel eine Kooperation mit der Hebrew University in Jerusalem aufrechterhalte. Die Students for Palestine fordern „einen dauerhaften Waffenstillstand in Nahost“. Auf Anfrage teilte die Vereinigung mit, man habe bereits alles gesagt. Es dürfe aber aus älteren Statements zitiert werden.
Die Student Coalition will akademische Freiheit an Berliner Universitäten, das heißt, die Möglichkeit zum offenen Diskurs. Am Mittwoch präsentiert die Coalition den Film „Even though my land is burning“ des israelischen Filmemachers Dror Dayan an einem geheimen Ort. Eine Aufführung des israelkritischen Films im Moviemento hatte 2016 zu Unruhen vor dem Kino geführt. Dayan hat den Verein FOR Palestine gegründet. Sein Credo verkündet er auf X, vormals Twitter: „Ich habe (...) null Geduld für deutsche Zionisten. Wer mir mit Antisemitismus, Terror usw. ankommt wird erst beschimpft, bis ich Interesse verliere, dann geblockt.“
Fridays for Israel: Passivität der FU-Leitung begünstigt „raues Klima“
Clara von Nathusius und Tim Gräfe von „Fridays for Israel“ (FFI) kennen den Namen des Angreifers. Ihre Initiative kämpft gegen Antisemitismus und dafür, „dass sich alle Menschen in Deutschland sicher fühlen können, unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Hautfarbe oder Sexualität.“ Die Attacke am Freitag sehen sie als „symptomatisch für die problematische Entwicklung in deutschen Universitäten.“ Jüdische Studierende würden durch ausbleibendes Handeln der Universitäten in die Rolle von Aktivisten gedrängt, um ihre eigenen Rechte an ihrer Universität zu verteidigen. Die Passivität und negierende Haltung der Universitätsleitung der FU Berlin begünstige die Ausbreitung eines zunehmend rauer werdenden Klimas.
Lahav Shapira: Großvater wurde bei Olympia 1972 getötet
Wie lange der Nahost-Konflikt bereits schwelt, kann man daran ablesen, dass Lahav Shapiras Großvater vor mehr als 50 Jahren unter tragischen Umständen ums Leben kam. Er wurde zusammen mit zehn anderen Sportlern während der Olympiade 1972 von Attentätern des „Schwarzen September“ entführt und beim Versuch der Befreiung getötet. Bundespräsident Walter Steinmeier hat sich am 50. Jahrestag im September 2022 bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt.
Solange keine Aussöhnung oder kein Waffenstillstand im Nahost-Konflikt zustande kommt, scheint sich die aufgeheizte Atmosphäre in Berlin nicht zu beruhigen. An den Universitäten in Berlin gibt es regelmäßig Kundgebungen von beiden Seiten. Die Gefahr, dass die Gewalt eskaliert, bleibt bestehen.