Rom. Kleine Orte im italienischen Hinterland werden bei Auswanderern immer beliebter. Zwei Deutsche berichten, was sie dorthin zog.
Ein neues Leben im Ausland – die einen träumen davon, die anderen leben den Traum. Italien ist seit der Corona-Pandemie zum Ziel vieler deutscher Auswanderer geworden, die aus ihrem liebsten Urlaubsland ihre neue Heimat machen wollen. Doch nicht die großen Hotspots ziehen sie an – stattdessen blühen immer mehr kleinere Ortschaften dank neuer Einwohner aus dem Ausland regelrecht auf. Zu denen, die im italienischen Hinterland ein Zuhause gefunden haben, gehört die Deutsche Dorothea Geiss. 2018 erwarb sie mit ihrem Mann Alexander einen Pferdehof in Italien. Seitdem leben sie mit ihrer zehnjährigen Tochter in Pergola, einer 6000-Seelen-Gemeinde in der mittelitalienischen Region Marken. Den Umzug nach Italien hat sich Familie Geiss gut überlegt.
Ausgewandert nach Italien: Münchnerin macht sich selbstständig
„Vor dem Umzug nach Italien hatten wir 16 Jahre lang im Naturpark Altmühltal in Bayern eine Reitschule geführt“, erzählt Dorothea Geiss. „Allerdings arbeiteten wir damals beide noch als feste Angestellte, der Reiterhof war zu klein, um davon zu leben, wir schauten uns daher nach einem größeren um.“ Über ein Inserat erfuhren sie 2016, dass ein Reiterhof in den Marken – 50 Kilometer von Rimini entfernt – zum Verkauf stand. „Die Vorstellung, nach Italien zu ziehen, das ich schon als Erasmus-Studentin im norditalienischen Vicenza kennengelernt hatte, hat uns gleich begeistert“, so die 50-Jährige. Auch ihre Tochter habe den Wechsel in eine Schule im Ausland nicht gescheut. „Das hat uns überzeugt.“
Als EU-Bürger braucht man keine Aufenthaltsgenehmigung, um nach Italien zu ziehen. Ohne allzu große Probleme kann man in Bella Italia arbeiten, eine Wohnung kaufen oder mieten. Auf ihrem Reiterhof „Colle del Lupo“ (Zu Deutsch: Wolfshügel) bietet die gebürtige Münchnerin Wanderritte durch die Berglandschaft des Apennin oder ans Meer an. Geritten wird auf Islandpferden – eine vielseitige, robuste Pferderasse, die Dorothea in Italien bekannter machen will.
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Doch mit dem Wechsel in ein anderes Land sind auch einige Hürden verbunden. Die Anfänge in Italien waren für die Familie Geiss nicht ganz einfach. Kurz nachdem sie sich niedergelassen hatten, brach die Corona-Pandemie aus und alles lag still. „Das war schwierig, wir haben uns natürlich Sorgen gemacht“, erzählt Dorothea Geiss. Inzwischen laufe das Geschäft aber gut und sie haben sich in die lokale Gemeinschaft eingelebt. „Die Leute sind sehr nett, wir beteiligen uns am Dorfleben und haben inzwischen viele Bekannte.“ Außerdem sind Rimini und Riccione nicht weit, wo eine große deutsche Gemeinschaft lebe.
Deutscher Auswanderer: Gardasee und Toskana zu teuer
Sich in die Dorfgemeinschaft zu integrieren und den Alltag in Italien wirklich erleben: Dies ist auch für Wolf Heisig ein wichtiges Anliegen. Nach fast drei Jahrzehnten als Angestellter bei Bayer in Leverkusen und 15 Jahren als Selbstständiger in Köln hat Heisig vor zwei Jahren beschlossen, dass die Zeit für einen Lebenswandel gekommen sei. „Ich arbeite gern im Garten. Ich suchte nach einem Grundstück, um mich niederzulassen und einen neuen Lebensabschnitt anzufangen“, erzählt er. „Da ich Single bin, hatte ich nicht die Probleme, mit denen man konfrontiert ist, wenn eine ganze Familie umsiedeln muss.“
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Anfangs schaute er sich Ungarn genauer an, doch die Gegend um den Balaton-See sagte ihm nicht wirklich zu. „Also habe ich an Italien gedacht.“ Der Gardasee und die Toskana, die der 65-Jährige vom Urlaub her kannte, waren zu teuer. „Dann habe ich zufällig das Dorf Bagnolo im norditalienischen Piemont entdeckt und es hat mich überzeugt, denn ich liebe die Berge.“ Die Gegend ist für ihre Haselnussproduktion bekannt. Hier fand Wolf Heisig ein Haus mit 6000 Quadratmetern Grundstück und einem eigenen Waldstück. Mit seinem Gemüsegarten ist der Auswanderer voll beschäftigt und lebt von seiner eigenen Produktion.
„Als 65-Jähriger Italienisch zu lernen, ist eine Herausforderung“, gesteht der Kölner. Doch wenn die Leute seine sprachlichen Schwierigkeiten bemerkten, versuchten sie oft, ihm auf Englisch entgegenzukommmen. „Sie sind alle unheimlich hilfsbereit“, betont Heisig. Heimweh nach Köln habe er nicht, er schließe aber eine Rückkehr nach Deutschland in einigen Jahren nicht aus. „Für mich ist Wechsel im Leben ein Bedürfnis. Sollte ich in einigen Jahren merken, dass die Erfahrung hier zu Ende ist, hätte ich keine Probleme, wieder nach Deutschland zurückzukehren“, erzählt Heisig, der sich inzwischen in einem lokalen Tierheim einen Hund angeschafft hat. „Er heißt Joey und ist ein reinrassiger Straßenköter. Er ist mein erster Hund und leistet mir viel Gesellschaft. Zusammen wandern wir mit Begeisterung.“
Abgelegene italienische Dörfer bei Auswanderern immer beliebter
Dass immer mehr Ausländer in kleinere Dörfer in weniger bekannten Teilen Italiens ziehen, begeistert Riccardo Bardelli, Bürgermeister von Paciano, einer idyllischen 1000-Einwohner-Gemeinschaft am Trasimeno-See in der Region Umbrien. „Unsere neuen Mitbürger stammen aus Deutschland, England und den USA: Der Trend ist wachsend und wir sind darüber sehr froh“, erzählt Bardelli.
„Unsere neuen Dorfbewohner aus dem Ausland sind aktiv, sie werden Mitglieder unserer Verbände, oft helfen sie uns bei der Organisation von Volksfesten.“ Viele Ausländer, die sich hier niederlassen, seien Rentner. „Sie haben viel Freizeit und stehen oft der Gemeinschaft zur Verfügung. Andere Ausländer hingegen beschließen, hier zu arbeiten“, so der Bürgermeister. Für berufstätige Auswanderer habe Smart Working, also Arbeiten von überall, viele neue Möglichkeiten eröffnet.
Der Sender „CNN Travel“ spricht von einer „wahren Migration“ von Amerikanern und Engländern in Richtung Italien. „Mein Geld ist hier mehr wert“, erzählt die 62-jährige Barbara Barto dem Sender. Sie hat den US-Staat Texas verlassen und wohnt jetzt in der Abruzzen-Kleinstadt Palombara. „An eine Rückkehr in die USA denke ich nicht. Hier ist mein neues Zuhause“, sagt Barto überzeugt.