Berlin. Der Mann hatte vor der Polizei fliehen wollen und verlor die Kontrolle. Bei dem schweren Unfall starb auch ein sechsjähriges Kind.
Freitagmorgen, 3.15 Uhr auf der A94 bei Waldkraiburg in Bayern. 23 Menschen sitzen eingepfercht in einem Mercedes Vito, der eigentlich für neun Passagiere ausgelegt ist. Auch mehrere Kinder sind darunter. Beamte der Bundespolizei werden auf den schwarzen Wagen mit österreichischem Kennzeichen aufmerksam, wollen eine Kontrolle einleiten. Da tritt der Fahrer aufs Gas.
Es dauert nicht lange, da verliert er die Kontrolle, der Kleinbus kommt von der Fahrbahn ab und überschlägt sich in einer Kurve. Sieben Menschen sterben, darunter ein sechsjähriges Kind. Alle anderen Insassen erleiden mindestens leichte, teils schwere Verletzungen. Sie kommen in umliegende Krankenhäuser.
Nach Unfall: Mutmaßlicher Schleuser festgenommen
Am Freitagvormittag werden erste Details bekannt: Die Polizei vermutet ein Schleuserfahrzeug. Der Fahrer – laut Polizei ein staatenloser Mann aus Österreich – soll Berichten zufolge bei dem Unfall verletzt worden sein. Er wurde noch am Tag des Unfalls festgenommen. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd werden ihm unter anderem ein Tötungsdelikt und Schleusung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Bei den anderen Autoinsassen soll es sich ersten Erkenntnissen zufolge um Syrer und Türken gehandelt haben. Alle Personalien seien festgestellt worden. Wohin sie wollten, ist noch nicht bekannt. Ebenso wenig, wo genau der Wagen die Grenze zu Deutschland passiert hatte. Der schwere Unfall ereignete sich nur rund 50 Kilometer von der Grenze zu Österreich. Die Fahrbahn Richtung München blieb am Freitagvormittag voll gesperrt, die Polizei war nach eigenen Angaben mit „hohem Kräfteaufgebot vor Ort“. Da das Auto nicht für so viele Menschen ausgelegt war, konnten viele der Insassen nicht angeschnallt gewesen sein, so die Annahme der Ermittler. Daher auch die hohe Zahl der Verletzten und Todesopfer.
Politik fordert stärkere Grenzkontrollen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich erschüttert von dem Unfall. „Wir haben überall an den Schleuserrouten an unseren Grenzen die Kräfte der Bundespolizei deutlich verstärkt“, sagte die SPD-Politikerin. „Wir müssen das grausame Geschäft der Schleuserbanden zerschlagen, die mit der Not von Menschen maximalen Profit machen und sie auf solch lebensbedrohliche Weise über Grenzen schmuggeln.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte nach dem schweren Unfall seine Forderung nach stärkeren Grenzkontrollen: „Jedenfalls zeigt auch dieser Vorfall, wie wichtig es ist, die unmittelbaren Grenzkontrollen weiter zu verstärken, um Schleuser bereits an der Grenze aufzuhalten.“ Hermann nannte den Vorfall eine „schlimme Tragödie“: „Mit meinen Gedanken bin ich bei den vielen Opfern des Verkehrsunfalls und bei den Hinterbliebenen. Das menschenverachtende Verhalten des durch den Unfall verletzten Schleusers, der sich der Anhaltung durch die Bundespolizei entziehen wollte, nur um seine eigene Haut zu retten, macht fassungslos.“
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Die bayerische Polizei führe „die Ermittlungen zum Unfallhergang mit Hochdruck und unterstützt auch die Bundespolizei bei den Ermittlungen zur zugrunde liegenden Schleusung und zu den Hintermännern“, betonte Herrmann. Seit Monaten steigt nach Informationen der Bundespolizei die Zahl der registrierten unerlaubten Einreisen. Die bayerische Grenzpolizei stellte von Januar bis August 154 Schleuserfälle fest – das sind über 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Zahl illegal Eingereister steigt seit Monaten
Nach Informationen von bayerischer Grenzpolizei und Bundespolizei gibt es im Freistaat seit März vermehrt sogenannte Großschleusungen mit Gruppen von mehr als zehn Personen. Das teilte das Innenministerium kürzlich mit. „Die Migranten werden dabei hauptsächlich in Lkw und Kleintransportern nach Bayern eingeschleust.“ Alleine im August registrierten Bundespolizei und Polizei 66 Großschleusungen, in einer Woche im September waren es 28 Fälle. Experten beobachten, dass
gerade vor Einbruch des Winters versuchen, so viele Menschen wie möglich nach Deutschland oder Frankreich zu bringen.
Die A94 gilt als typische Schleuserroute. Die an der Grenze kontrollierende Bundespolizei veröffentlicht mehrmals die Woche Pressemitteilungen
. Alleine an zwei Tagen Anfang Oktober berichtete die Behörde von neun Fällen, darunter auch ein Unfall mit zwei Verletzten. Ein mutmaßlicher Schleuser war bei Burghausen mit vier Menschen im Auto vor der Bundespolizei geflohen. Seine Flucht nahm ein dramatisches Ende: Der 25-jährige Türke kam von der Straße ab, die Fahrt endete in einer Böschung. Der Fahrer stieg aus, sein Wagen rutschte die abschüssige Böschung wieder hinab und begrub ihn unter sich. Auch ein 33-jähriger Insasse des Wagens wurde schwer verletzt.