Rom. Wenn die Urlauber abreisen, wird die Küste zu einer Goldgrube. Italiens bekanntester Schatzsucher über seine verrücktesten Fundstücke.
Am Lido von Ostia ist die Sommersaison vorbei. Die Urlauber verlassen die Strände. Die Betreiber der Badeanstalten schließen ihre Strandbars, Liegestühle und Sonnenschirme werden in Lagerräumen verstaut. Das Ende der Badesaison freut die Schatzsucher, die mit Metalldetektoren bei Sonnenuntergang im Sand stöbern.
Mit gesenktem Haupt, den Kopfhörer auf, laufen sie am Sandstrand und im seichten Wasser hin und her. Konzentriert nehmen sie jeden Ton wahr, den ihre Geräte abgeben. Sie suchen nach allem Wertvollen, was die Badegäste im Laufe der Sommertage im Sand verloren haben. Viele Münzen sind dabei, aber auch abgezogene Ringe, Mobiltelefone, Halsketten.
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In Internetforen präsentieren die Hobbyschatzsucher stolz ihre Funde und tauschen sich über die erfolgversprechendsten Orte aus. Schatzsuche mit Metalldetektoren wird in Italien immer mehr zu einem beliebten Hobby: Die Ausrüstung des Schatzsuchers kostet ab 100 Euro aufwärts. Auf den modernsten Geräten zeigt ein Display einen Zahlencode an, wenn die Sonde auf etwas Metallisches stößt. Dank ihrer jahrelangen Erfahrung können Schatzsucher bereits am Piep-Geräusch der Sonde erkennen, was sich im Sand verbirgt.
Italiener gründet Schatzsucher-Akademie
Dass Sondeln nicht nur ein Hobby, sondern eine wahre Leidenschaft und sogar eine Lebensphilosophie ist, weiß Leonardo Ciocca genau. Er gilt italienweit als größter Experte unter den Schatzsuchern. Mit Büchern, Videos auf Youtube, Internet-Foren und zahlreichen Artikeln ist Ciocca inzwischen zu einer Berühmtheit unter den italienischen Sondlern avanciert. In der Adria-Stadt Cesenatico hat er eine Sondler-Akademie gegründet und zwar mit dem Unternehmen „Detector Shop“, das Metalldetektoren importiert und verkauft.
Im Laufe der Jahre hat sich das bei deutschen Touristen beliebte Cesenatico zur italienischen Hauptstadt der Schatzsucher entwickelt. Hier hat sich eine ganze Gemeinschaft gebildet und im Frühjahr findet jährlich ein Wettbewerb, der „Garret Contest“, statt, bei dem sich Hunderte von Teilnehmern aus aller Welt auf die Suche nach vergrabenen Gegenständen begeben. Die Akademie in Cesenatico bietet theoretischen und praktischen Unterricht für angehende Sondler. 27 Kursteilnehmer waren es bei der Eröffnung im vergangenen April.
„Wir fühlen uns wie Kinder bei einer Schatzsuche“
„Die Sondengänger-Bewegung in Italien ist größer, als man sich vorstellen kann“, erzählt Akademie-Leiter Leonardo Ciocca. Schätzungen gingen von bis zu 30.000 Tausend Menschen aus. Wenn man die Gelegenheitssucher mitzähle, seien es noch viel mehr. „Es ist eine Leidenschaft, die uns in die freie Natur führt, gut für den Körper ist, uns entspannt“, beschreibt der 51-Jährige seine Begeisterung. „Sie fasziniert uns, vor allem, weil wir uns wie Kinder bei einer Schatzsuche fühlen.“
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Vor 16 Jahren hatte Ciocca für 50 Euro seinen ersten Metalldetektor gekauft, sein Hobby später zum Beruf gemacht. Ciocca testet Metalldetektoren und veröffentlicht Videoguides darüber auf Youtube. Sein Kanal zählt bereits 15.000 Abonnenten. Ciocca sondelt nicht nur am Strand, sondern auch in Wäldern, Parks und auf Feldern. „Dort findet man oft die interessantesten und ältesten Gegenstände“, erzählt er. So ist es nicht unüblich, Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg, Kugeln, Flugzeugteile, aber auch Plaketten toter Soldaten zu finden.
Gebisse, Sexspielzeug: Schatzsucher finden Kurioses
Leidenschaft ist ansteckend: So stellt das Hotel Esedra in der Adria-Badeortschaft Milano Marittima seinen Gästen kostenlos Metalldetektoren zur Verfügung. Hotelbesitzer Marcello Cenerelli ist gerade mit einigen Freunden bei einer nächtlichen Jagd auf dem Adria-Strand unterwegs. Sondeln ist für den Italiener eine 30-jährige Leidenschaft. „Meistens tauchen Münzen aus dem Sand auf. Man kann aber auch immer noch die alten Lire finden“, erzählt er.
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In den vergangenen Tagen war Cenerelli in der süditalienischen Region Salento unterwegs. Er ist stolz: „Dort habe ich einen Goldring gefunden.“ Anfang Herbst sei die ideale Zeit, um nach Schätzen im Sand zu graben. „Die Touristen sind weg und man findet viel.“ Seine kuriosesten Funde? „Gebisse, Goldzähne und sogar Sexspielzeuge“, erzählt Cenerelli. „Meine wertvollste Trophäe war bisher ein Ring mit einem besonders schönen Stein.“ Was er findet, verkauft er nicht, das ist seine Regel. Meistens verschenke er die Gegenstände – den Schmuck bekommt seine Frau.
Die Verwendung von Metalldetektoren ist in Italien allgemein zugelassen – mit Ausnahme umweltgeschützter und archäologischer Bereiche. Der Italienische Verbands für Metalldetektion plädiert dafür, dass die Sondengänger-Bewegung in Italien besser geregelt werden sollte: „Wir setzen uns dafür ein, dass eine Lizenz wie für Drohnen eingeführt wird. Das erfordert von den Schatzsuchern mehr Verantwortung“, so Verbandspräsident Francesco Manzella. Die Einhaltung der Vorschriften sei wichtig: „Wir drängen darauf, dass bei dem Fund von Gegenständen von besonderem historischem Interesse dies an die zuständigen Behörden gemeldet wird.“
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