Neapel/Berlin. Um Neapel bebte am Montag erneut die Erde. Bewohner rannten in Panik auf die Straße. Die Angst vor einer größeren Katastrophe ist groß.

Am Mittwoch (5. Oktober) hat sich in der Region um Neapel ein weiteres Erdbeben ereignet. Nach den zwei stärkeren Erdbeben vergangene Woche Mittwoch (4,2) und am Montag diese Woche (4,0) lag die Stärke dieses Mal bei 2,6 auf der Richterskala, wie italienische Medien berichten. Das Epizentrum lag erneut in den Phlegräischen Feldern. Seit Wochen sorgen Erdstöße und eine Anhebung der Erde um den Supervulkan für die große Befürchtung, dass ein Ausbruch des Vulkans bevorstehen könnte.

Laut dem italienischen Zivilschutz gab es bei den jüngsten Erdbeben keine Schäden oder Verletzten, allerdings haben die Erdstöße erneut für Panik unter den Bewohnern gesorgt. Für die Menschen, die direkt auf dem Supervulkan wohnen, ist die ständige Bedrohung eine große Belastung. Experten sprechen sogar schon vom "Syndrom der Phlegräischen Felder", weil viele der Menschen unter Panikattacken leiden und sich in ihren Häusern nicht mehr sicher fühlen. Lesen Sie auch: Vulkanausbruch in Italien: Video zeigt Schreckensszenario

Campi Flegrei: So sieht der Evakuierungsplan aus

Grund zur Sorge geben auch die aus Sicht vieler Experten bislang unzureichenden Evakuierungspläne im Falle eines Ausbruchs der Campi Flegrei, wie der Supervulkan auf Italienisch bezeichnet wird. Immerhin arbeitet der Minister für Zivilschutz, Nello Musumeci, laut italienischen Medien an einem Dekret für einen Evakuierungsplan, für den Vesuv gebe es einen solchen Evakuierungsplan bereits.

  • Der nationale Zivilschutzplan sieht eine "rote Zone" vor. In ihr liegen die Regionen, die am stärksten von der Gefahr von pyroklastischen Strömen bedroht ist und in der die vorbeugende Evakuierung von etwa 500.000 Einwohnern, die zwischen den Gemeinden Pozzuoli, Bacoli, Monte di Procida und Quarto verteilt sind, vorgesehen ist.
  • In der äußeren, "gelben Zone", in der 800.000 Einwohner leben, wäre im Falle eines Ausbruchs eine zeitweilige Evakuierung der Bevölkerung aufgrund des Aschefalls erforderlich.

In Neapel ist man sich wohl bewusst, dass man auf einem Pulverfass sitzt. Sowohl der Vesuv als auch die etwa 20 Kilometer westlich gelegenen Campi Flegrei werden als Vulkane mit einem hohen Aktivitätslevel und einer erheblichen Gefahr für den drei Millionen Einwohner zählenden Ballungsraum eingestuft

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Das neue Erdbeben in der Region um Neapel sorgte für Panik unter den Bewohnern.
Das neue Erdbeben in der Region um Neapel sorgte für Panik unter den Bewohnern. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Ciro Fusco | Unbekannt

Erdbeben in Neapel: Steht Ausbruch der Phlegräischen Felder bevor?

"Bei den Phlegräischen Feldern handelt es sich um einen Vulkan mit 70 Mündungen, in dessen Zentrum sich die Stadt Pozzuoli befindet, von denen die Hälfte unter Wasser und die andere Hälfte an Land liegt", erklärt die Vulkanologin Lucia Pappalardo vom Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) gegenüber "La Stampa". Das Magma liege 8 Kilometer tief. "Es ist ein aktiver und gefährlicher Vulkan, aber das ist er immer und unabhängig von dem, was wir in diesen Tagen erleben", so Pappalardo. Sie rechne mit deutlicheren Vorwarnungen vor einem möglichen Ausbruch des Supervulkans. Diese seien bisher nicht aufgetreten.

Bei Anwohnern, die sich auf Facebook in der Gruppe "Diejenigen aus dem roten Bereich des Campi-Flegrei-Vulkans" zusammengetan haben, sorgen die jüngsten Eruptionen dennoch für Angst. "Ich muss zugeben, dass ich von den Erdbeben terrorisiert bin", schreibt eine Nutzerin etwa. Sie würde am liebsten weggehen. Sie reagiert in ihrem Beitrag auf Diskussionen innerhalb der Gruppe, dass Informationen seitens der Behörden der Bevölkerung zurückgehalten würden. Sie glaube nicht, dass "Politiker oder Vulkanologen uns im Dunkeln lassen". Sie fragt: "Warum sollten sie uns sterben lassen?"

Die größten Vulkanausbrüche seit dem 19. Jahrhundert

April 2010: Der isländische Vulkan am Eyjafjallajökull -Gletscher bricht aus. Die Aschewolke legte tagelang den Flugverkehr lahm, Schmelzwasser des Gletschers sorgt für Überschwemmungen. Erst im Dezember 2010 erklärten die isländischen Behörden den Vulkan wieder für ungefährlich.
April 2010: Der isländische Vulkan am Eyjafjallajökull -Gletscher bricht aus. Die Aschewolke legte tagelang den Flugverkehr lahm, Schmelzwasser des Gletschers sorgt für Überschwemmungen. Erst im Dezember 2010 erklärten die isländischen Behörden den Vulkan wieder für ungefährlich. © dpa
Heute Idylle, 1991 Ursprungsort einer verheerenden Katastrophe: Die Erruption des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991 war der stärkste Vulkanausbruch im 20 Jahrhundert. Die Temperaturen sanken in der Folge weltweit um circa 0,5 Grad Celsius. 1000 Menschen kamen ums Leben.
Heute Idylle, 1991 Ursprungsort einer verheerenden Katastrophe: Die Erruption des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991 war der stärkste Vulkanausbruch im 20 Jahrhundert. Die Temperaturen sanken in der Folge weltweit um circa 0,5 Grad Celsius. 1000 Menschen kamen ums Leben. © Imago Images
Der Ausbruch vom St.-Helens-Vulkan im US-Bundesstaat Washington gilt als Meilenstein in der Vulkanologie, weil er zum ersten Mal frühzeitig vorausgesagt werden konnte. In Folge der Eruption am 18. Mai 1980 starben dennoch 62 Menschen. Die Explosion war so immens, dass die Spitze des Vulkans abbrach und einen 700 Meter tiefen Krater hinterließ.
Der Ausbruch vom St.-Helens-Vulkan im US-Bundesstaat Washington gilt als Meilenstein in der Vulkanologie, weil er zum ersten Mal frühzeitig vorausgesagt werden konnte. In Folge der Eruption am 18. Mai 1980 starben dennoch 62 Menschen. Die Explosion war so immens, dass die Spitze des Vulkans abbrach und einen 700 Meter tiefen Krater hinterließ. © Imago Images
Der Novarupt im US-Bundesstaat Alaska brach am 6. Juni 1912 aus. Der Vulkan stieß innerhalb von 60 Stunden rund 14 Kubikkilometer Magma aus - mehr als bei jedem anderen Vulkanausbruch in diesem Jahrhundert. Da das Gebiet so gut wie unbewohnt war, kamen nur wenige Menschen zu schaden.
Der Novarupt im US-Bundesstaat Alaska brach am 6. Juni 1912 aus. Der Vulkan stieß innerhalb von 60 Stunden rund 14 Kubikkilometer Magma aus - mehr als bei jedem anderen Vulkanausbruch in diesem Jahrhundert. Da das Gebiet so gut wie unbewohnt war, kamen nur wenige Menschen zu schaden. © Imago Images
Nach dem Ausbruch des Stratovulkan Montagne Pelée auf der französischen Insel Martinique in der Karibik brannte die naheliegende Hafenstadt St. Pierre im Jahr 1902 bis auf ihre Grundmauer nieder. Bis zu 40.000 Menschen sollen ums Leben gekommen sein, ganz genau konnte die Anzahl nie beziffert werden. Der Vulkan hatte explosionsartig tausende Grad heiße Gase, Magmen, Aschen und Gesteinsbrocken in einer Glutwolke ausgestoßen, die eine Geschwindigkeit von mehr als 650 Kilometern pro Stunde erreicht haben soll. Die Menschen kamen innerhalb von Sekunden ums Leben, selbst das Meer begann unter der Glutwolke zu kochen.
Nach dem Ausbruch des Stratovulkan Montagne Pelée auf der französischen Insel Martinique in der Karibik brannte die naheliegende Hafenstadt St. Pierre im Jahr 1902 bis auf ihre Grundmauer nieder. Bis zu 40.000 Menschen sollen ums Leben gekommen sein, ganz genau konnte die Anzahl nie beziffert werden. Der Vulkan hatte explosionsartig tausende Grad heiße Gase, Magmen, Aschen und Gesteinsbrocken in einer Glutwolke ausgestoßen, die eine Geschwindigkeit von mehr als 650 Kilometern pro Stunde erreicht haben soll. Die Menschen kamen innerhalb von Sekunden ums Leben, selbst das Meer begann unter der Glutwolke zu kochen. © iStock
Der Knall, den die Explosion des indonesischen Krakatau-Vulkans im Jahr 1883 verursachte, gilt als das lauteste Geräusch, dass die Menschheit je gehört hat. Die Druckwelle war so stark, dass sie auch nach sieben Erdumläufen noch messbar war. Die Gesteinsdecke des Vulkansystems brach zusammen. Dies führte zu 40 Meter hohen Tsunami-Wellen. Auf den indonesischen Inseln wurden 165 Städte und Dörfer zerstört, mindestens 36.417 Menschen verloren ihr Leben. Das Foto zeigt einen späteren schwächeren Ausbruch im Jahr 2012.
Der Knall, den die Explosion des indonesischen Krakatau-Vulkans im Jahr 1883 verursachte, gilt als das lauteste Geräusch, dass die Menschheit je gehört hat. Die Druckwelle war so stark, dass sie auch nach sieben Erdumläufen noch messbar war. Die Gesteinsdecke des Vulkansystems brach zusammen. Dies führte zu 40 Meter hohen Tsunami-Wellen. Auf den indonesischen Inseln wurden 165 Städte und Dörfer zerstört, mindestens 36.417 Menschen verloren ihr Leben. Das Foto zeigt einen späteren schwächeren Ausbruch im Jahr 2012. © iStock
Der Ausbruch des Tambora in Indonesien im Jahr 1815 gilt als die größte beobachtete Eruption der Geschichte. Sie soll etwa viermal stärker gewesen sein als die des Krakatau. Der Himmel verdunkelte sich in einem Radius von 600 Kilometern vollständig für zwei Tage. Mehr als 50.000 Menschen starben durch die Katastrophe, Hunderttausende durch ihre Folgen. Weltweit gab es Ernteausfälle, der kommender Sommer war der kälteste der je dokumentiert wurde. Der Tambora war vor seinem Ausbruch rund 4300 Meter hoch, heute sind es 2850 Meter.
Der Ausbruch des Tambora in Indonesien im Jahr 1815 gilt als die größte beobachtete Eruption der Geschichte. Sie soll etwa viermal stärker gewesen sein als die des Krakatau. Der Himmel verdunkelte sich in einem Radius von 600 Kilometern vollständig für zwei Tage. Mehr als 50.000 Menschen starben durch die Katastrophe, Hunderttausende durch ihre Folgen. Weltweit gab es Ernteausfälle, der kommender Sommer war der kälteste der je dokumentiert wurde. Der Tambora war vor seinem Ausbruch rund 4300 Meter hoch, heute sind es 2850 Meter. © iStock
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Sorge vor dem Supervulkan Campi Flegrei: Bewohner schreckten aus dem Bett auf

Ein anderer Bewohner schreibt in der Gruppe, dass er das jüngste Erdbeben sehr deutlich gespürt und er gedacht habe, dass es direkt unter seinem Haus zu der Eruption kam. "Ich bin aus dem Bett gesprungen". Auch zeigt sich in den Beiträgen eine große Verunsicherung unter den Nachbarinnen und Nachbarn. Einerseits sorgen immer wieder unterschiedliche Ansagen von Behörden und Experten für Verwirrung. Andererseits werden die Evakuierungspläne im Falle eines Ausbruchs der Campi Flegrei kritisiert.

Die Phlegräischen Felder bei Neapel ziehen auch immer wieder Touristen an.
Die Phlegräischen Felder bei Neapel ziehen auch immer wieder Touristen an. © imago stock&people | imago stock&people

Seit Montagabend habe es unter der Erdoberfläche wieder vermehrt rumort, hieß es vom INGV. Das Erdbeben gegen 3.35 Uhr war jedoch das stärkste seit langem und versetzte viele Menschen in Angst. „Das Bett bewegte sich, Gemälde und Gegenstände auf dem Kleiderschrank fielen herunter, alles tanzte. Dieses Mal war es sehr stark“, schrieb eine andere Userin bei Facebook.

Blick auf Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund
Blick auf Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund © imago/Kickner | imago stock&people

Auf Bildern war zu sehen, wie Menschen sich verängstigt auf Straßen versammelt hatten. Der Zugverkehr von und nach Neapel wurde für mehrere Stunden ausgesetzt und in der Stadt Pozzuoli sollten am Mittwoch die Schulen geschlossen bleiben.

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Phlegräische Felder: Experte prophezeit Mega-Eruption

Der Vulkanologe Giuseppe Mastrolorenzo vom INGV hatte zuletzt in einem Interview mit einem Radiosender die Ängste vor einer Mega-Katastrophe geschürt. In den Campi Flegrei sei die Seismizität noch nie so hoch gewesen wie aktuell, warnte Mastrolorenzo. Die aktuellen Erschütterungen könnten seiner Ansicht nach möglicherweise bereits die Vorboten einer Supereruption sein. Diese hätte verheerende Auswirkungen für die Region um den Golf von Neapel, zumal laut Mastrolorenzo der Notfallplan für einen solchen Fall unzureichend ausgearbeitet sei.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die solche Befürchtungen als Panikmache abtun. Die Vulkanologin Francesca Bianco sagte der italienischen Nachrichtenagentur Ansa: "Keine der Daten deutet darauf hin, dass es sich um den Vorläufer eines bevorstehenden Ausbruchs handelt." In den vergangenen Jahren seien mehrere Maßnahmen zur Verstärkung der Überwachungsaktivitäten durchgeführt worden. Die Phlegräischen Felder und der Vesuv gehörten zu den "am besten überwachten Vulkanen der Welt".

Wichtige Fragen und Antworten: Was sind die Campi Flegrei?

Die Campi Flegrei, auch bekannt als Phlegräische Felder, sind eine große Region von supervulkanischen Calderas westlich von Neapel, Italien.

Was macht die Phlegräischen Felder zu einem "Supervulkan"?

Ein Supervulkan hat eine Magmakammer, die tausendmal größer ist als die eines "normalen" Vulkans. Dies ermöglicht die größten und heftigsten Eruptionen auf der Erde. Die Caldera der Phlegräischen Felder wurde vor 39.000 Jahren gebildet.

Was ist das Besondere an der geologischen Aktivität der Campi Flegrei?

Die Phlegräischen Felder sind bekannt für ein Phänomen namens "Bradyseismus", bei dem es zu einem abwechselnden Anheben und Absinken des Bodens innerhalb der Caldera kommt. In den letzten 300 Jahren gab es mehrere dramatische Anhebungsphasen, von denen eine 1538 in einer Eruption gipfelte.

Welchen Status haben die Phlegräischen Felder heute?

Die Campi Flegrei wurden 2003 zum regionalen Park erklärt. Sie sind ein komplexes vulkanisches Gebiet, das aus einem Netzwerk von Kratern und hydrothermalen Merkmalen besteht. Das Gebiet ist dicht besiedelt, was eine mögliche Evakuierung umso schwieriger werden lässt.

(fmg/dpa)