Berlin. Nun ist auch das letzte Kind weg. Unsere Autorin blickt auf die Familienjahre zurück – mit Wut, Scham, Wehmut und einem klaren Fazit.
Unser Teenie-Kind zieht aus, geht zum Studieren in eine andere Stadt. Damit verlässt uns das letzte von drei Kindern. Zeit, die vergangenen 24 Jahre Revue passieren zu lassen. Wie war das so mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wie war mein Mental-Load-Level, also die Planungs- und Koordinierungsbelastung durch den Alltag in unserer Familie? Mein Anteil an Care- und Hausarbeit? Was würde ich heute anders machen? Und was genauso wieder? Meine Bilanz in acht Punkten:
1. Mein bemerkenswertestes Chef-Erlebnis: Das war die Zusage, dass meine befristete Stelle als Jungredakteurin entfristet wird. Endlich konnte ich dem ständig Zigarre rauchenden Chefredakteur von der Schwangerschaft erzählen. Als er davon erfuhr, dass es Zwillinge werden (er sprach mich tatsächlich auf meinen enormen Bauch an), lachte er auf, schlug mir auf die Schulter und bot mir einen Whiskey an. Ich nutzte die Gunst der Stunde, um die Zusage zu einem Vollzeitjob in einen Teilzeitjob umzuwandeln – aber bitte erst fünf Monate nach der Geburt.
2. Die beste – und teuerste – Betreuung war ohne Zweifel die Kinderfrau, die wir engagiert hatten. Wir lebten in Baden-Württemberg, damals gab es dort nur Halbtags-Kindergärten ab drei Jahren. Mehr Geld hatten wir durch mein Gehalt kaum. Aber für die Kinder war es toll. Sie hatten stressfreie zwei Jahre mit einer exklusiv für sie zuständigen Betreuung.
3. Meine verhassteste Familienleistung ist auch die älteste: Das Ehegattensplitting. Und die beitragsfreie Krankenversicherung für die Hausfrau. Beides erzeugt Rechtfertigungsdruck (dein Job lohnt sich ja gar nicht), macht die eigene Leistung klein, führt in die Abhängigkeit. Also bestand ich irgendwann darauf, dass wir Eltern beide Steuerklasse 4 statt 3 und 5 wählen. Das verbesserte mein Netto-Einkommen, schmälerte aber das Familieneinkommen. Die Differenz bekamen wir aber mit der Steuererklärung zurück.
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4. Meine größte Illusion: Ich bildete mir nach der Geburt der Jüngsten ein, schnell in der Mittagspause nach Hause fahren zu können, um das Baby zu stillen. Doch es muss meinen Stress gespürt haben: Vom ersten Tag an, als ich wieder arbeitete, verlangte es die Flasche. Vorher hatte ich vergeblich versucht, es an abgepumpte Muttermilch zu gewöhnen.
5. Mein größter Fehler: mich dem Rechtfertigungsdruck hinzugeben. Die anderen Mütter hatten entweder Jobs, die um 14 Uhr endeten – oder gar keinen. Ich konnte am Nachmittag keinen Kuchen backen für Hockeyturniere. Meine Quarkbällchen vom Bäcker wurden mir wieder mitgegeben. Und die gekauften Muffins, die ich so lange mit der Faust malträtiert hatte, bis sie wie selbst gebacken aussahen, wurden als „zu trocken“ entlarvt. Also fing ich an, spätabends zu backen. Wenn mein Mann zu den Turnieren und Spielen ging, wurde er allein für seine Anwesenheit bejubelt.
6. Meine heftigste Wut kam in der Kita auf, in die in die unsere Jüngste ging. Sie schloss um 16 Uhr die Pforten (so viel zum Thema Ganztag), da waren alle Kinder längst weg – bis auf unsere Tochter. Bereits 15 Minuten vor 16 Uhr stand sie oft mit dem Erzieher an der Hand vor der Tür. Sie weinte dann im Auto und machte mir Vorwürfe.
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7. Die dümmste Lüge: Was heute so selbstverständlich ist – dass junge Eltern kurz in die Runde rufen: Ich muss weg, die Kita macht gleich zu – war damals undenkbar. Ich hatte kaum Kolleginnen. Und wenn, dann hatten sie keine Kinder. Aber alle hatten Autos, und die mussten ständig in die Reparatur. Der Satz: „Ich muss mal eben mein Auto abholen“, war durchaus gängig. Also behauptete ich, wenn meine Mutter oder mein Mann nicht einspringen konnten: Ich muss mal eben zur Werkstatt – wenn ich eigentlich zur Kita musste.
8. War alles schlechter als heute? Die Voraussetzungen waren definitiv schlechter. Tatsächlich aber neige ich dazu, die vergangenen Jahre zu verklären. Den Stress von früher finde ich aber durchaus in den Augen der Mütter von heute wieder. Es bleibt also noch viel zu tun.
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