Berlin. Der post-pandemische Generationenkrieg tobt: Es ist wieder in, „über die Jugend von heute“ abzulästern. Das ist so dumm wie eh und je.
Hafermilchgesellschaft. Agavendicksaft-Truppe. Eine Generation voller Nieten. Wer da in Talkshows und Kolumnen so attackiert wird? Die Schulabgänger. Die Studierenden. Die jetzt in den Job wollen. Kurz: Die Generation Z. Wer richtig böse ist, setzt hinterher: Das sind die völlig Verpeilten.
Wie der junge Kellner, voll Gen Z., neulich beim Feierabend-Wein. Es war laut, Leute wollten einen Platz, andere ihr Essen, die nächsten zahlen. In freudiger Erwartung, er möge endlich unsere Bestellung aufnehmen, kam er an unseren Tisch und erklärte, er komme gerade mit dem Andrang nicht klar, müsse erst mal durchatmen, aber er habe uns auf dem Schirm.
Der Gen-Z-Kellner muss sich erst mal sammeln
Wie, er hat uns auf dem Schirm. Wir wollen Flammkuchen. Und Riesling. Will er jetzt meditieren, oder was? Und schon hörte ich von allen Seiten Gen-Z.-Bashing. Sätze schwirrten durch den Raum, die klangen so altmodisch wie banal. Fleiß kam darin vor, Folgsamkeit, Sparsamkeit. „Krumm gelegt“, war so ein Satzfetzen. Und: „Von den Eltern gab es keinen Pfennig“.
Der Junge Kellner kam nach einer Weile sichtbar gelassen zu uns und arbeitete geflissentlich die Bestellung ab. Ohne Zettel, ohne Fehler. Den Nachbartisch bediente er im feinsten Oxford-Englisch.
Eigentlich hat er Recht. Wenn das Chaos perfekt ist, einfach mal durchatmen, zur Ruhe kommen – und dann den Job erledigen. Da seht ihr mal, ihr Miesmacher meiner Generation. Klappt doch. Ist doch prima, der Junge.
Die Boomer: Die waren auch verpeilt – und vor allem älter
Und dann frage ich, und dazu habe ich wohl das Recht, schließlich habe ich drei von diesen Exemplaren groß gezogen: Was haben wir denn damals besser gemacht? Mit unserer späten Einschulung, fast sieben, mit den 13 Jahren bis zum Abi, da waren wir doch 20, wenn wir überhaupt mit dem Studium oder einer Ausbildung angefangen haben. Verpeilt waren wir trotzdem. Den Jungs half der Bund, ein wenig Klarheit über sich selbst zu bekommen, ich verstrickte mich in überflüssige Semester BWL.
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Ich pauschalisiere mal jetzt, so wie es im Umgang mit den Jungen auch getan wird: Im Wechseln von Studienfächern waren wir Meister. Im Abhängen auch. Kein Wunder, dass es dauerte mit dem Examen. Die Aussicht auf einen Job war für Boomer ohnehin schlecht. Damals gab es eine Menge Taxifahrer mit einem Doktor in Literaturwissenschaft.
Turbo-Abi mit 17: Wer muss da nicht erst mal durchatmen?
Die Gen Z lebt in einer Zeit, in der kaum noch einer Taxifahrer werden will. Oder Krankenpflegerin, Lehrer, Kaufmann/-frau und ja, auch Journalisten (und natürlich Journalistinnen). Die gesamte Erwachsenen-Welt zerrt an ihnen. Dabei haben sie gerade erst eine verkürzte Schulzeit hinter sich. Turbo Abi mit 17 oder 18. Ausbildung oder Studium im Lockdown mit Jahren im Kinderzimmer vor dem Bildschirm.
Dass sie irgendwann mal zur Ruhe kommen wollen, sich dann auch die sogenannte Sinnfrage stellen – wie will ich leben, was brauche ich, um glücklich zu sein? Dass sie womöglich ausnutzen, gefragt zu sein und nicht, wie die Boomer, immer zu viel? Dass sie nicht einfach irgendwas machen, sondern wählerisch sind, dass sie selbst mehr fordern statt immer nur gefordert zu werden – ist doch ok. Das Hamsterrad haben sie schließlich bei ihren Eltern erlebt.
Rechtschreibung? Ist doch in Zeiten von Chat GPT nicht mehr entscheidend
Und wenn ich höre, die können keine Rechtschreibung, werde ich richtig sauer. Bei welchem Job bitte soll Rechtschreibung in Zukunft wichtig sein? In Zeiten von Chat GPT? Die digitale Zukunft braucht ganz andere Skills. Daten-Analyse, Visualisierung, Aufbereitung. Den sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Wie für keine andere Generation wird für die Gen Z gelten: Lebenslanges Lernen. Das ist übrigens etwas, wovon die Älteren nur reden, es aber dann gern den Jüngeren überlassen. Nach dem Motto: Dafür beherrschen wir die Zeichensetzung.
Klar ist die Generation Z anders. Sie ist auch in anderen Zeiten groß geworden. Hat eine Pandemie hinter sich. Sie kennt ein Leben ohne Internet nicht. Sie hat eine Klimakrise vor der Brust. Und eine Digitalisierung, die alles, was wir gewohnt sind, auf den Kopf stellt. Allen, die sich über sie lustig machen, ihre Fähigkeiten klein reden, ihre Schulnoten in Frage stellen und auch den Ehrgeiz, denen seien die Worte von Greta entgegengesetzt: How dare you. Wie könnt ihr es wagen.
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