Hamburg. Linksextreme Gruppe veröffentlicht Bekennerschreiben. Staatsschutz ermittelt. Massive Einschränkungen bei der Bahn.

  • Linksextreme verüben Brandanschläge auf Kabelschächte der Deutschen Bahn
  • Bekennerschreiben im Internet veröffentlicht
  • Bahnchaos zwischen Hamburg und Berlin geht bis zum Sonnabend weiter

Nach drei Brandanschlägen auf Kabelschächte an Bahntrassen kam die stark frequentierte Zugstrecke zwischen Hamburg und Berlin am Freitag komplett zum Erliegen. „Es liegt ein Kabelschaden in Allermöhe vor. Auf der Strecke Hamburg–Berlin fallen die Züge teilweise aus, teilweise können wir sie umleiten. Es kommt für Zugreisende aber zu starken Beeinträchtigungen“, erklärte eine Bahnsprecherin dem Hamburger Abendblatt.

Bis zum Nachmittag fielen elf Züge zwischen Hamburg und Berlin aus. 19 Züge seien zum Teil und 35 Züge deutlich verspätet gewesen. „Eine Wiederaufnahme des Verkehrs zwischen Hamburg und Berlin ist voraussichtlich erst im Laufe des Sonnabendmorgens wieder möglich“, so eine Bahnsprecherin.

Deutsche Bahn: Massive Zugausfälle und Verspätungen

Offiziell sprach die Deutsche Bahn zunächst von einer „Beeinträchtigung durch Vandalismus“. Mittlerweile ist jedoch klar, dass es sich bei der Manipulation der Stromtrassen um politisch motivierte Brandanschläge handelt. Am späten Vormittag gab es im Internet auf „indymedia“ ein Bekennerschreiben einer linksextremen Gruppierung.

Bahn-Sicherheitschef Hans-Hilmar Rischke verurteilte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur die Anschläge auf die Bahnstrecken. „Menschen, die mit uns reisen möchten - mit einem der klimafreundlichsten Verkehrsmittel - sind massiv von Zugausfällen und Verspätungen betroffen und erreichen ihre Ziele nicht. Wir sind im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und hoffen auf schnelle Fahndungserfolge“, sagte Rischke.

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Deutsche Bahn: Brandanschläge sorgen für Chaos zwischen Hamburg und Berlin

In der Nacht zu Freitag musste die Feuerwehr Hamburg zwischen 2.30 Uhr und 4 Uhr gleich dreimal ausrücken. Zunächst hatte ein Lokführer am Deelwisch in Lokstedt um kurz nach halb drei einen Brand eines Kabelschachts der Güterumgehungsbahn gemeldet. Unbekannte hatten den Kabelschacht aufgebrochen und ihn anschließend in Brand gesetzt.

Weil der Lokführer Geräusche in einem Gebüsch vernommen hatte, durchsuchte die Polizei mithilfe eines Spürhundes die Gegend – jedoch ohne Erfolg. Vor Ort fand die Spurensicherung allerdings die Verschlusskappe einer Flasche. Im Verlauf der Nacht kam es zu zwei weiteren Bränden. Die Feuer konnten zwar schnell gelöscht werden, doch die Folgen waren gravierend, weil bei den Anschlägen Signal- und Kommunikationstechnik beschädigt wurde.

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Auf diesen Strecken kommt es zu Einschränkungen im Bahnverkehr

  • ICE-/IC-/EC-Züge Hamburg–Berlin–Erfurt–Süddeutschland fallen zwischen Hamburg und Berlin aus
  • ICE-/IC-Züge zwischen Hamburg–Rostock–Stralsund (–Ostseebad Binz) fallen zwischen Hamburg und Rostock/Stralsund/Ostseebad Binz aus.

Techniker der Deutschen Bahn arbeiteten den ganzen Tag über an der Strecke. Zunächst hieß es, dass die Arbeiten am Abend beendet sein sollen, doch am Nachmittag korrigierte die Bahn diese Prognose. Erst im Verlauf des Sonnabendmorgens sollen die Züge wieder rollen können.

Die Einschränkungen im Personenverkehr waren für die Täter offenbar lediglich ein Kollateralschaden. Am späten Vormittag war auf der linksextremen Internetseite „indymedia“ ein Bekennerschreiben zu lesen. Dort heißt es unter der Überschrift: „Switch-off! Dezentrale Sabotage kapitalistischer Infrastruktur in Hamburg“:

„In der Nacht des 7. September haben wir in Hamburg Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur sabotiert. Wir wählten dafür mehrere neuralgische Punkte des Güterverkehrs und haben uns in diesem Fall dazu entschieden uns auf Streckenabschnitte zu beschränken, die nicht für den Personenverkehr genutzt werden. Einige Liter Benzin in den Kabelschächten an den Schienen sollten zu möglichst langfristigen Ausfällen oder Einschränkungen beim Transport von zum Beispiel im Zuge neokolonialer Ausbeutung und erdzerstörendem Extraktivismus beschafften Rohstoffen führen.“

Linksextreme Gruppe veröffentlicht im Internet ein Bekennerschreiben

Die Hansestadt ist derweil kein willkürlicher Ort für die Brandanschläge gewesen. „In Hamburg werden jährlich Millionen von Tonnen Waren und Rohstoffe umgeschlagen, die den Reichtum der Ausbeuter/-innen des globalen Nordens zuungunsten des sogenannten globalen Südens mehren. Wir wollten hiermit eine reale Delle in diese Maschinerie setzen“, schrieben die Linksextremisten im Internet. Deshalb wurde die Hafenbahn, die für die Logistik im Hamburger Hafen essenziell ist, ins Visier der Täter genommen.

An dem, für Schüttgüter konzipierten, Terminal werden jährlich mehrere Millionen Tonnen Kohle und Eisenerz umgeschlagen für den Weitertransport an verschiedene Kohlekraftwerke oder Stahlwerke wie zum Beispiel die der Salzgitter AG. 70 Prozent dieses Weitertransports wird über das Schienennetz abgewickelt. Die Herstellung von Stahl ist bekanntlich immens klimaschädlich und die Beschaffung des Erzes mit neokolonialen Ausbeutungsverhältnissen verbunden“, klagten die Aktivisten auf „indymedia“ und fügten an:

Bereits im Oktober 2022 gab es Anschläge auf Bahn-Kabel

„Hamburg ist eine kapitalistische Metropole, in der viele Handelsketten zusammenlaufen. Wenn wir den Kapitalismus abschaffen wollen, wieso nicht hier, bei der Infrastruktur, die ihn trägt, ansetzen? Mit denkbar simplen Mitteln, die manchmal überraschend große Auswirkungen haben auf ein Netz, das kaum überall zu schützen ist? Wir sehen die Sabotage als realen Angriff auf das ausbeuterische System, als Experiment, aber auch als Vorschlag, die lokalen Kämpfe gegen Neokolonialismus und Klimazerstörung zu intensivieren.“

Neu sind derartige Anschläge derweil nicht. Am 8. Oktober des vergangenen Jahres waren in Berlin und in Herne in Nordrhein-Westfalen Kabel für den Zugfunk der Bahn beschädigt worden. Damals stand der Schienenverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands still. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Deutsche Bahn sprachen im Herbst 2022 von Sabotage. Ob es allerdings damals ein politisches Motiv gab, war zuletzt aber noch offen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei abendblatt.de