Venedig. Die Lagunenstadt Venedig bekommt den Massentourismus nicht in den Griff. Jetzt hat die UNESCO einen radikalen Schritt angekündigt.
Die Lagunenstadt Venedig bekommt den Massentourismus nicht in den Griff. Versuche, die Besucherzahl zu regeln, führten bisher zu keinen nennenswerten Resultaten. Immer mehr Menschen ziehen weg. Die Zahl der Einheimischen in der Altstadt ist unter 49.000 gesunken. Den Kulturschützern der UNESCO reißt nun der Geduldsfaden: Venedig drohen „irreversible“ Schäden, falls die Behörden in Italien nicht mehr zum Schutz der Stadt unternehmen.
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Die Experten der UN-Kulturorganisation haben daher empfohlen, Venedig und seine Lagune auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Im September stimmt der Welterbe-Rat der Unesco-Mitliedstaaten über die Einstufung ab. Dabei tobt der Kampf um den Erhalt der Stadt des Markusplatzes und der Gondeln schon seit vielen Jahren. Die Politik in Rom, die Region Venetien und die Stadt liefern sich ein Dauertauziehen mit Bürgerinitiativen und der Wirtschaft um den richtigen Kurs.
Venedig: Status als gefährdetes Welterbe hätte Folgen
Venedig und seine Lagune haben seit 1987 den Welterbestatus der Unesco. Das Label lässt sich touristisch gut vermarkten. Wenn die UNESCO Ernst macht mit ihrer Drohung, wäre Italien aufgefordert, einen neuen Maßnahmenplan auszuarbeiten und einen Bericht über die Umsetzungen vorzulegen. Die Aufnahme auf die Gefährdungsliste bedeutet zwar nicht den Verlust des Welterbe-Labels, aber die Lage würde dann öfter und genauer überprüft. Die UNESCO-Experten schreiben in ihrer Analyse, dass der Besucherboom kombiniert mit dem Schwund der einheimischen Bevölkerung und grundlegenden Defiziten der Politik auf verschiedenen Ebenen zu einem „erheblichen Verlust an historischer Authentizität“ in Venedig geführt habe. Auch der Klimawandel bereite Sorgen.
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Die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen seien „unzureichend“, die UNESCO beklagte zudem das „Fehlen einer allgemeinen strategischen Vision“. Die italienischen Behörden und zivilgesellschaftliche Gruppen im In- und Ausland müssten mehr Engagement zeigen, um den „außergewöhnlichen universellen Wert“ der historischen Stadt und ihrer Lagunen zu schützen und zu erhalten. Die Stadt Venedig reagierte umsichtig auf die Stellungnahme der UN-Kulturorganisation und erklärte, sie werde darüber mit der Regierung in Rom diskutieren, mit der die UNESCO im Dialog steht.
„Venedig ist eine zerbrechliche Stadt, die Regierung hat aber inzwischen das mobile Dammsystem MOSE errichtet, das die Stadt vor Überschwemmungen rettet. Es ist zwar richtig, dass die UNESCO ihre Wachsamkeit aufrechterhält. Die Stadt braucht aber weiterhin Investitionen, die ganze Welt sollte in Venedig investieren, denn Venedig ist eine Welthauptstadt, und es ist richtig, dass sie weltweit Beachtung findet“, sagt Luca Zaia, Präsident der Region Venetien, zu der Venedig gehört.
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Tages-Touristen sind in Venedig unbeliebt
Mit ihren imposanten Bauwerken und den Straßen aus Wasser zieht die Stadt jedes Jahr Scharen von Touristen an, im Jahr sind es durchschnittlich 5,5 Millionen. Eine Gruppe unter ihnen ist den Bewohnern der Stadt jedoch ein Dorn im Auge: Die Tages-Touristen. Sie bleiben nur kurz, hinterlassen Müll - aber wenig Geld in der Stadt. Sie übernachten nicht, essen und trinken nur Kleinigkeiten und geben höchstens ein paar Euro für Souvenirs aus. Pläne der Gemeinde Venedig, „Eintrittsgeld“ für Tagestouristen und ein Online-Buchung für alle Besucher, die außerhalb der Region Venetien in die Stadt kommen, aber dort nicht übernachten wollen, wurden zwar bisher angekündigt, aber aus technischen Gründen nie umgesetzt.
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Den Plänen der Gemeinde zufolge sollten Tagestouristen zwischen drei und zehn Euro zahlen. Die Präsenz der Touristen sollte auch mithilfe der Mobilfunktelefone kontrolliert werden. Ziel der Gemeinde ist es, den Tourismusansturm zu regeln, denn an bestimmten Tagen tummeln sich über 100.000 Besucher in der Lagunenstadt. Das Buchungssystem hätte bereits in den vergangenen Monaten getestet werden sollen, aus technischen Gründen konnte es aber nicht starten.
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Der ehemalige Bürgermeister von Venedig, Massimo Cacciari, kritisiert die UNESCO als „teure und nutzlose“ Einrichtung. „Die UNESCO-Experten fällen Urteile, ohne einen Cent für konkrete Investitionen zum Schutz des Kulturerbes auszugeben. Venedig ist durch Natur- und Klimakatastrophen gefährdet, außerdem gibt es sicherlich einen großen touristischen Druck, wie auch in Florenz oder Rom. Aber was können wir tun? Die italienische Wirtschaft basiert zu 20 Prozent auf dem Tourismus. Wir können nicht auf diese Einnahmequelle verzichten“, meint Cacciari.