An Rhein und Ruhr. Früher war X ein beliebtes Instrument zur Kommunikation. Jetzt kehren viele dem Netzwerk den Rücken. Andere hadern noch.
Der Landschaftsverband Rheinland, die Lehrergewerkschaft GEW, der Kreis Wesel, der Fahrradclub ADFC und verschiedene Hochschulen in Nordrhein-Westfalen haben etwas gemeinsam: Sie alle haben X verlassen, die Internet-Plattform, die ehemals als Twitter bekannt war und die jetzt unter ihrem Eigentümer Elon Musk zu Ort geworden ist, in dem Hass und Hetze nahezu ungefiltert verbreitet werden – so jedenfalls sehen es diejenigen, die sich zum Exodus entschieden haben. Andere wollen vorerst weiter über die Plattform kommunizieren.
Der 2006 unter dem Namen Twitter gestartete Kurznachrichtendienst war viele Jahre lang ein bei Organisationen, Parteien, Politikern, Vereinen, Medien und Behörden beliebtes Instrument, um Nachrichten schnell zu verbreiten. Obwohl im Vergleich zu Plattformen wie Facebook nur wenige Menschen in Deutschland Twitter nutzen – aktuell es sollen es vier Prozent der Bevölkerung sein – galt Twitter als unverzichtbar für die Kommunikation.
Elf Hochschulen und Unis aus NRW haben X verlassen
Als der US-Milliardär Elon Musk die Plattform im Jahr 2022 übernimmt und sie ein Jahr darauf in X umbenennt, verändert sich die Tonalität. Die Moderatoren greifen seltener ein, wenn problematische Nachrichten gepostet werden, die Algorithmen spülen häufiger reißerischere, provokante oder hetzerische Inhalte in größere Reichweiten. Musk nutzt X im Präsidentschaftswahlkampf in den USA als Propagandainstrument für Trump. In jüngster Zeit wirbt er unverhohlen für die in Teilen rechtsextreme AfD.
Immer mehr Nutzer ziehen deswegen die Reißleine und verlassen die Plattform. Anfang Dezember gaben 66 Politiker, Wissenschaftler und Journalisten ihren Ausstieg bekannt, unter ihnen die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali. Am 10. Januar zogen 60 deutsche Hochschulen, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen auf Initiative der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität nach, darunter neben der HHU zehn weitere NRW-Einrichtungen wie die Universität Duisburg-Essen, die Hochschule Ruhr West oder die RWTH Aachen.
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Die Plattform werde ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht, einen fairen und demokratischen Diskurs zu fördern. „Als wissenschaftliche Institutionen können wir dies nicht hinnehmen,“ begründete Prof. Dr. Anja Steinbeck, Rektorin der HHU den Schritt, der bundesweit für Aufsehen sorgte. Der Austritt der Institutionen unterstreiche ihren Einsatz für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Die Ausstiegserklärungen haben alle einen ähnlichen Tenor: „X ist nicht mehr mit unseren demokratischen und ethischen Werten vereinbar“, teilte der Landesverband der Lehrergewerkschaft GEW mit. „Die Plattform hat sich zu einem toxischen Umfeld entwickelt“, ließ der Landesverband des Fahrradclubs ADFC verlautbaren. „Seit der Übernahme durch Elon Musk wird X zunehmend als Plattform zur Destabilisierung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung genutzt“, so der Kreis Weseler Landrat Ingo Brohl.
Die Ministerien in NRW wollen der Plattform vorerst treu bleiben
Ob der Exodus nennenswerte Auswirkungen auf die Umsätze von X haben werden, ist fraglich. Dem Landschaftsverband Rheinland (LVR), der am 21. Januar seinen Ausstieg bekannt gab, folgten beispielsweise gerade einmal etwa 1350 Nutzer. Andererseits verliert die Plattform zunehmend ihren Nutzwert. Die Reichweiten und Interaktionen sinken, klagen auch diejenigen Institutionen, die sich entschieden haben, zu bleiben.
Weiterhin auf X sind die Ministerien in NRW. „Um Bürgerinnen und Bürger sowie alle weiteren Interessensgruppen der Landespolitik umfassend und zielgruppengerecht zu informieren, wird die Landesregierung ihre Aktivitäten auf X zunächst fortsetzen“, so ein Sprecher der Staatskanzlei. Auch die Polizei in NRW soll vorerst weiter auf der Plattform informieren: „Um die Reichweite polizeilicher Informationen zu erhöhen“, würden verschiedene Social-Media-Kanäle genutzt, so ein Sprecher des Innenministeriums. Jedoch würden alle „Netzwerke – auch hinsichtlich aktueller Entwicklungen – stetig auf Relevanz und Nutzbarkeit geprüft“.
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Andere drosseln ihren Nachrichtenstrom auf der Plattform. „Wir sind noch nicht raus, aber nicht mehr richtig aktiv“, so ein Sprecher des Landesverbandes der Polizeigewerkschaft GdP. „Wir bespielen X relativ wenig und sind in einer kritischen Auseinandersetzung, ob wir bleiben“, so eine Sprecherin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW.
Die Landeshauptstadt Düsseldorf hingegen will gerade wegen der aktuellen Entwicklungen die umstrittene Plattform weiter nutzen: „In Zeiten, in denen Demokratiefeinde Aufwind erhalten, gilt es, nicht aus Protest wegzulaufen, sondern standhaft den Gegenpol zu bilden“ teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Stadt stehe für „faktenbasierte Kommunikation“ und nutze X ausschließlich zur Information der Nutzerinnen und Nutzer.
Sehr einfach ist die Entscheidung pro oder contra X für den Kreis Kleve. Eine Sprecherin sagte auf Anfrage: „Wir waren nie bei X.“
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