Hamburg. Natur, bio oder nachhaltig: Immer wieder nutzen Hersteller bei Werbeslogans Gesetzeslücken aus. So wird bei Pflege und Kosmetik getrickst.
Ganz gleich, ob Shampoo, Duschgel oder Feuchtigkeitscreme: Auch wenn es um die Körperpflege geht, kann man zu möglichst nachhaltigen Produkten greifen, die weder Gesundheit noch Umwelt belasten. Wo aber lauern Fallstricke? Und woran kann man sich beim Kauf umweltschonender Kosmetik orientieren?
Die Antwort: Nicht unbedingt an den Slogans auf den Packungen. Die versprechen mitunter zwar vieles. Doch oft lässt sich das nicht wirklich nachprüfen. „Dinge wie ,nachhaltig hergestellt’ oder ,schonend hergestellt’‘ sind Null-Aussagen, weil sie keine gesetzliche Relevanz haben“, kritisiert Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch der Begriff „Naturkosmetik“ ist nicht geschützt. Gleiches gilt für die Bezeichnung „Bio-Kosmetik“. Ein rechtlicher Rahmen für diese Bezeichnungen fehle, so die Verbraucherzentrale Hamburg.
Verbraucherzentrale NRW: Bilder erwecken falschen Anschein
Was für die Sprache gilt, gilt auch für Bilder, warnt die Verbraucherzentrale NRW. Immer mehr Produkte, nicht nur die aus dem Kosmetikregal, tragen demnach kleine bunte Symbole mit Bäumen, Blumen, Wolken und Co. Doch was oft den Anschein offizieller Siegel erweckt, muss nicht zwangsläufig auf ökologische Vorteile hinweisen.
Sind auf der Packung einer chemischen Oxidationshaarfarbe etwa Bilder von Pflanzen und Ölen abgebildet, sage das wenig aus, stellen die Verbraucherzentralen fest. Gut platzierte Angaben zu Inhaltsstoffen sollte man ebenfalls kritisch hinterfragen. Steht etwa groß „mit Mandelöl“ auf einer Creme, kann diese trotzdem teils aus chemisch-synthetischen Stoffen wie Paraffin oder Silikonöl bestehen, warnen die Verbraucherschützer. Der besagte pflanzliche Inhaltsstoff ist hingegen möglicherweise nur in geringen Mengen beigemischt.
Verbraucherschützer: Blick auf Inhaltsstoffe ist wichtig
Das aber ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen: Anders als bei Lebensmitteln gibt es bei Kosmetika keine Vorschrift, den prozentualen Anteil des hervorgehobenen Inhaltsstoffes in der Inhaltsstoffliste anzugeben. Wie umweltfreundlich ein Kosmetikprodukt ist, lässt sich durch einen genaueren Blick auf die Inhaltsstoffe feststellen: Sie alle müssen auf der Verpackung des jeweiligen Pflegeprodukts stehen, der Inhaltsstoff mit der größten Menge am Anfang, der mit der kleinsten am Schluss der Liste.
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Doch wie findet man sich im Dschungel der Begriffe zurecht? „Es gibt da gewisse Hilfsmittel, etwa Codecheck oder haut.de“, sagt Tristan Jorde. In der App „Codecheck“ sind zahlreiche Produkte mit ihren Inhaltsstoffen hinterlegt. Scannt man den Barcode eines Artikels, wird aufgelistet, welche für die Umwelt kritischen Stoffe enthalten sind. Auf der Internetseite „haut.de“ finden sich Informationen über einzelne Inhaltsstoffe, ihre Funktion und zu welcher Stoffgruppe sie gehören. Aus Umweltsicht kritisch sind laut Kerstin Scheidecker, Chefredakteurin der Zeitschrift „Öko-Test“, etwa Kunststoffverbindungen, Silikone, synthetische Duftstoffe, erdölbasierte Paraffine und Tenside. Außerdem: PEG.
Mikroplastik im Produkt, trotz anderslautender Kennzeichnung
PEG (Polyethylenglykole) werden in Kosmetika als Emulgatoren verwendet und können laut den Verbraucherzentralen etwa die Barrierefunktion der Haut schwächen. Silikone gehören zu den biologisch schwer abbaubaren Kunststoffverbindungen. Doch Vorsicht: Auch wenn ein Produkt die Aufschrift „Ohne Mikroplastik“ trägt, ist mitunter Plastik enthalten. „Oftmals meint der Hersteller damit eine bestimmte Form von Kunststoff“, erklärt Scheidecker. Nämlich feste Plastikpartikel, die früher oft Peelings zugesetzt wurden.
Flüssige Kunststoffverbindungen, wie beispielsweise Polymere oder Acrylate, sind unter Umständen trotzdem enthalten. Und biologisch schwer abbaubare Kunststoffe in Kosmetika belasteten die Umwelt unabhängig davon, ob sie als feste Teilchen vorliegen oder nicht, so die Verbraucherzentralen.
Der Tipp der Verbraucherschützer: Mit der „Toxfox“-App vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lässt sich prüfen, ob Kosmetik Mikroplastik oder Kunststoffe enthält, indem man den Strichcode auf der Verpackung mit der Smartphone-Kamera scannt.
Und auch wenn der Begriff „Naturkosmetik“ nicht geschützt ist: Wer Inhaltsstoffe nicht selbst recherchieren möchte, kann auf etablierte Naturkosmetik-Siegel achten, wie etwa „Natrue“, „Cosmos“ oder „Ecocert“. Naturkosmetika schlössen dann bestimmte Substanzen aus, so Scheidecker.
Experten raten, zu Pflegeprodukten in fester Form zu greifen
In der Regel gilt hier laut der Verbraucherzentrale Hamburg: Synthetische Konservierungsstoffe sind meist tabu. Öle und Wachse, die aus Mineralöl gewonnen werden – etwa Silikon oder Paraffin – sind ebenso wenig erlaubt wie PEG oder synthetische Farb- und Duftstoffe. Tenside müssen vollständig biologisch abbaubar sein. Auch die Produkte aus den markteigenen Naturkosmetik-Reihen der Drogerien sind Scheidecker zufolge in der Regel zertifiziert.
Ein zusätzlicher Tipp der „Öko-Test“-Chefredakteurin: Verbraucher sollten zu Duschgelen und Shampoos in fester Form greifen. In den Untersuchungen von „Öko-Test“ zeige sich nämlich, dass selbst in den festen Produkten konventioneller Marken oftmals keine kritischen Inhaltsstoffe zu finden sind, sie also mit Naturkosmetika durchaus mithalten können. Ein Missverständnis besteht laut Jorde aber hinsichtlich der vermeintlich nachhaltigeren Papierverpackung der festen Stücke: „Rein in der Ökobilanz ist die Herstellung von Karton deutlich aufwendiger als die von einfachem Plastik“. Der Vorteil bestehe darin, dass unbehandelte Pappe in der Umwelt weniger Schaden anrichtet – für den Fall, dass die Verpackung nicht ordnungsgemäß entsorgt wird.
Nachhaltigkeitsregel: Nur das Produkt kaufen, das wirklich genutzt wird
Übrigens: Auch die Aussage „Hundert Prozent recyclingfähig“ sagt nur wenig über die tatsächliche Umweltfreundlichkeit eines Produktes oder dessen Verpackung aus. Das sei außer Lebewesen alles, so Tristan Jorde. „Es ist eine Frage des Aufwands, ob das sinnvoll ist.“
Letztendlich gilt: Das nachhaltigste Produkt ist immer noch gar kein Produkt: „Weniger ist mehr, das ist die allgemeine Nachhaltigkeitsregel“, so Jorde. Auch Scheidecker zufolge ist es entscheidend, „dass man nicht zahllose Produkte hat, die dann schlecht werden, weil man sie geöffnet, aber nicht aufgebraucht hat“. Vor dem Einkauf sollte man also zuallererst überlegen, was man wirklich braucht und nutzen wird. Denn das schont neben der Umwelt auch den Geldbeutel.
dpa