Bad Laasphe. Betrugsverdacht: Warum die Stadt bei der Einstellung des Verdächtigen nichts von Urteilen aus 2011 und 2013 wusste und wie der Ermittlungsstand ist.

Ende August 2024 wurde es öffentlich bekannt: Die Kriminalpolizei ermittelt gegen einen Mitarbeiter der Bad Laaspher Stadtverwaltung wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs. Im Zuge dieses Falles wurde auch bekannt, dass der Tatverdächtige wegen vergleichbarer Delikte bereits vorbestraft gewesen sein soll. Doch das stimmt nach gültigem Recht nicht. Und das hat Gründe.

Was bislang bekannt ist

Was ist bislang bekannt: Der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde, Stefan Pusch, erläutert, dass es unabhängig voneinander zwei Strafanzeigen gegen den Mitarbeiter der Stadt Bad Laasphe gegeben habe. Eine sei am 4. April 2024 durch eine Krankenkasse direkt bei der Staatsanwaltschaft gestellt worden. „Eine zweite hat eine Privatperson am 22. Juli bei der Polizei gestellt“, so Pusch. Konkret geht es darum, dass der Mann in der Seniorenservicestelle Anträge für die Zahlung von Pflegegeldern für Menschen aus Bad Laasphe gestellt habe. Die bewilligten Pflegegelder seien dann aber nicht an Dienstleister, sondern auf das private Konto des Verwaltungsmitarbeiters geflossen. „Das nennt man Abrechnungsbetrug“, so Pusch.

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„Das Verfahren ist vorläufig eingestellt. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch einmal wiederaufgenommen werden kann.“

Patrick Baron von Grotthuss
Pressesprecher der Staatsanwaltschaft

Eines dieser beiden Ermittlungsverfahren, dass durch die Anzeige der Privatperson in Gang kam, ist aber bereits wieder eingestellt worden. Der Beschuldigte habe das Geld zurück überwiesen. Somit sei kein Schaden entstanden. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss bestätigt das gegenüber dieser Redaktion. „Das Verfahren ist vorläufig eingestellt. Das heißt aber nicht, dass es nicht im Zusammenhang mit dem weiteren Ermittlungsverfahren noch einmal wiederaufgenommen werden kann“, so von Grotthuss.

Seniorenservicestelle ist geöffnet

Die Seniorenservicestelle der Stadt Bad Laasphe ist weiterhin geöffnet. Dezernent Sören Lamm spricht von einem „glücklichen Zufall“. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Stadt, die früher die Seniorenservicestelle betrieben habe und sich bereits im Ruhestand befinde, sei derzeit in Teilzeitumfang wieder in ihrem „vertrauten Aufgabenfeld“ tätig.

„Dieses Engagement war für die Stadt nicht vorhersehbar. Der Ruheständlerin fehlten die Herausforderungen der beruflichen Tätigkeit und die Kontakte zu ratsuchenden Menschen, denen sie nun in ihrer alt bekannten Aufgabe wieder tatkräftig zur Seite stehen kann. Das Arbeitsverhältnis mit ihr kam zustande, weil sie sich bei der Stadt nach einer Teilzeit-Beschäftigung erkundigte und die Stadt zugleich einen Bedarf zur Vertretung des seinerzeit erkrankten Stelleninhabers hatte“, erläutert Lamm die Situation.

Im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren tauchen auch zwei Verurteilungen des Beschuldigten aus den Jahre 2011 und 2013 immer wieder auf. Im ersten Fall war der Mann im November 2011 vom Amtsgericht Bad Berleburg wegen Urkundenfälschung und Betrug zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt worden. Er hatte als Versicherungsmakler 2008 einem 51-jährigen eine Berufsunfähigkeitsrente vermittelt und rund 540 Euro Provision kassiert. Dabei solle er aber den notwendigen Gesundheitsbogen nicht wahrheitsgemäß ausgefüllt haben und auch im Namen seines Kunden unterschrieben haben. Das flog auf, als der gesundheitlich angeschlagene Versicherungskunde 2010 einen Antrag auf Berufsunfähigkeit bei der Versicherung stellte. In einem weiteren Fall soll der Mann 2013 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden sein.

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„Es ist Bestandteil des internen Standards bei der Durchführung von Stellenauswahlverfahren ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis einzuholen.“

Sören Lamm
Dezernent der Stadt Bad Laasphe
Am Arbeitsplatz im Rathaus: Sören Lamm, Dezernent der Stadtverwaltung Bad Laasphe und allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters.
Am Arbeitsplatz im Rathaus: Sören Lamm, Dezernent der Stadtverwaltung Bad Laasphe und allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. © Eberhard Demtröder | Eberhard Demtröder

Diese Verfahren sind deshalb wichtig, weil die Frage auftaucht, ob die Stadt Bad Laasphe dies vor der Einstellung nicht habe wissen können. Der zuständige Dezernent der Bad Laaspher Stadtverwaltung, Sören Lamm, erläutert, dass man den Tatverdächtigen 2022 nach einem Stellenausschreibungsverfahren eingestellt habe. „Es ist Bestandteil des internen Standards bei der Durchführung von Stellenauswahlverfahren ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis einzuholen, das von der ausstellenden Stelle direkt zur Stadt geschickt wird“, antwortet Lamm auf Anfrage der Redaktion. Das Erweiterte Führungszeugnis war aber sauber. Die beiden Verurteilungen spielen keine Rolle mehr. „Das Bundeszentralregister ist getilgt“, so Oberstaatsanwalt von Grotthuss über den Auszug des Tatverdächtigen.

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Der Mann gilt also weder als vorbestraft, noch muss er diese früheren Verurteilungen erwähnen. „Das bedeutet, wenn der Mann sagt, er ist nicht vorbestraft, sind das keine falschen Angaben“, macht von Grotthuss klar. Im Gesetzestext heißt es dazu: „Nach Tilgung dürfen dem Verurteilten die Eintragungen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden. Er darf sich (wieder) als unbestraft bezeichnen.“

Tilgung aus Bundeszentralregister

Das Bundeszentralregister, das im Volksmund auch gerne Vorstrafenregister genannt wird, unterliegt der Tilgung. Übersetzt heißt das: Verurteilungen werden nach Ablauf von bestimmten Fristen automatisch gelöscht. Sie sind dann weder für die Gerichte noch für die Polizei abrufbar. Das dient der Resozialisierung. Es gibt aber auch Ausnahmen: zum Beispiel Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafe, die Anordnung von Sicherungsverwahrung, oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Für die automatische Tilgung gibt es unterschiedliche Fristen, die zwischen drei Jahren (Geldstrafen), und 20 Jahren (bestimmte Sexualdelikte) liegen. Die kommen aber nur dann zum Tragen, wenn die Betroffenen straffrei durchs Leben gehen und nicht erneut verurteilt werden. Dann summieren sich die Einträge, so von Grotthuss. Im Fall des Mitarbeiters der Seniorenservicestelle waren die Fristen abgelaufen und er durfte sich als nicht vorbestraft präsentieren.

Wir haben zudem den Tatverdächtigen kontaktiert. Er hat das Angebot zunächst angenommen. Zu dem Gespräch mit der Redaktion ist es bislang nicht gekommen.