Wittgenstein. Hohes Fieber und Gewichtsverlust: Im HSK wurde der erste Fall der Blauzungenerkrankung nachgewiesen. Die aktuelle Lage in Wittgenstein.

Teilnahmslosigkeit, hohes Fieber, vermehrtes Speicheln, Gewichtsverlust - es gibt verschiedene Symptome, die die Blauzungenkrankheit (BTV-3) bei Wiederkäuern (Rinder, Schafe, Ziegen) auslöst. Eine virusbedingte Krankheit, die durch bestimmte Stechmücken (Gnitzen) übertragen wird und derzeit in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Erst vor wenigen Tagen wurde im benachbarten Hochsauerlandkreis ein Tier in einem Mutterkuhbestand positiv auf den Serotyp 3 des Virus getestet. Und auch im Ennepe-Ruhr-Kreis wurden drei Fälle nachgewiesen. Es soll dort weitere Verdachtsfälle geben. Und in Siegen-Wittgenstein? Wie ist die Lage hier im Kreis? Und wie geht es Rinder- und Schafzüchter mit den aktuellen Meldungen?

Wie Manuel Freudenstein, Pressesprecher beim Kreis Siegen-Wittgenstein, mitteilt, konnte die aktuelle Virusvariante der Blauzungenkrankheit in Siegen-Wittgenstein bislang nicht nachgewiesen werden. „Aber nur weil wir hier bei uns in der Region noch keinen Fall haben, kann das morgen schon anders aussehen“, weiß Iris Böhl vom Biobetrieb Böhl Melbach. Sie selbst hält auf ihrem Biohof zahlreiche Kühe, darunter einige prämierte. Dass die Blauzungenkrankheit immer mal wieder in Deutschland vorkommt, ist ihr bewusst. „NRW gehört bereits seit dem vergangenen Jahr zum Restriktionsgebiet.“ Denn: Im Oktober 2023 trat die Krankheit erstmals seit 2018 wieder in Deutschland auf und breitete sich von den Niederlanden kommend über Teile Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens, Bremens und Rheinland-Pfalz erneut aus. Die Folge: „Der Transport von empfänglichen Tieren wie Rinder und Schafe ist nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie unter anderem Blutprobenentnahmen mit negativen Testergebnissen, möglich“, erklärt Freudenstein. Die aktuellen Infektionen in den Nachbarkreisen haben laut dem Kreis aber „zunächst keine Auswirkungen auf hiesige landwirtschaftliche Betriebe“.

Die Symptome

Wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in NRW auf seiner Homepage informiert, zeigen „in der Regel vor allem Schafe deutliche Symptome“. So können etwa eine Woche nach Ansteckung Fieber und Apathie auftreten. „Die Maulschleimhäute und die Zunge röten sich und schwellen an. Eine Blaufärbung der Zunge ist nur bei besonders empfindlichen Schafen gelegentlich zu sehen. Weiterhin kann es aufgrund von Bläschenbildung und Läsionen an den Klauen zu Lahmheiten kommen“, heißt es. Während der Krankheitsverlauf bei Schafen und Ziegen tödlich sein kann, stellt sich bei Rindern in der Regel nach einiger Zeit Linderung ein. „Aber auch sie können ernsthaft erkranken“, erklärt Iris Böhl. Für den Menschen selbst ist der Erreger laut dem LANUV ungefährlich und der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten unbedenklich.

Für Rinder ist die Blauzungenkrankheit deutlich weniger gefährlich als für Schafe. 
Für Rinder ist die Blauzungenkrankheit deutlich weniger gefährlich als für Schafe.  © WP Michael Kleinrensing | KLEINRENSING, Michael

Um die Tiere vor dem für sie gefährlichen Virus zu Schützen wird den Tierhaltern empfohlen, „sich an die betreuenden Tierarztpraxen zu wenden und von den verfügbaren Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit Gebrauch zu machen, um die Tiere vor dem Ausbruch dieser Tierseuche zu schützen bzw. die Verläufe zu mildern“, so Manuel Freudenstein. Denn obwohl es in der EU derzeit noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mittels einer Eilverordnung die Anwendung vor drei Impfstoffen für einen begrenzten Zeitraum gestattet.

Schafzüchter denkt über Impfung nach

Eine Impfung, über die auch Matthias Kraft aus Banfe nachdenkt. Er ist Herdenbuchzüchter, hält aktuell 30 Brillenschafe. „Die Blauzungenkrankheit haben wir Schafzüchter nicht erst seit gestern auf dem Schirm“, sagt er. Schon länger ist das Virus auch in Deutschland wieder im Umlauf. „Im vergangenen Jahr war es vor allem in Rheinland-Pfalz ganz schlimm, aber das war noch weiter weg.“ Doch die nachgewiesenen Fälle kommen immer näher, zuletzt im Sauerland. „Ich habe Rücksprache mit meiner Tierärztin gehalten und werde meine Schafe in den nächsten Wochen, sobald der Impfstoff da ist, auch gegen die Blauzungenkrankheit impfen lassen“, so Kraft.

Die Blauzungenkrankheit in Deutschland

Bereits in den vergangenen Jahren trat die Blauzungenkrankheit immer wieder in Deutschland auf - zum ersten Mal in 2006. Wie das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf seiner Homepage informiert, galt Deutschland, nachdem es in den Jahren 2006 bis 2009 von der Blauzungenkrankheit (BT) betroffen war, von 2012 bis Dezember 2018 offiziell frei von dieser Tierseuche.

„Von 2018 bis 2021 wurden erneut insgesamt 69 Ausbrüche und Verdachtsfälle der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 8 festgestellt. Ab dem 1. Juni 2023 war Deutschland wieder als amtlich BT-seuchenfrei anerkannt“, heißt es. Doch der Status konnte nicht lange beibehalten werden, bereits im Oktober 2023 wurde ein neuer Serotyp des Virus nachgewiesen.

Die Tierseuche gilt als meldepflichtig.

Ein Schritt, den sich auch Philipp Henk, Inhaber der Milcherei Henk in Arfeld, vorstellen könnte. Schon seit vielen Jahren hält seine Familie Kühe. „Noch sind wir entspannt, aber die Einschläge kommen immer näher.“ Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die Gnitzen derzeit besonders aktiv sind. Laut einer Risikobewertung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) wird die Gefahr der Virusübertragung auf die Tiere zwischen Mai und Oktober als besonders hoch eingeschätzt.

Weitere Informationen zur Blauzungenkrankheit gibt es auf der Homepage des LANUV unter www.lanuv.nrw.de/verbraucherschutz/tiergesundheit/tierseuchenbekaempfung/tierseuchen/blauzungenkrankheit.

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