Bad Berleburg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Windkraftvorrangzonen in Bad Berleburg vorerst außer Kraft gesetzt. Die Parteien reagieren unterschiedlich.

Die Nachricht vom Oberverwaltungsgericht in Münster hat die Politik in Bad Berleburg überrascht. Die Einschätzungen reichen von „Katastrophe“ bis „das ist das gute Recht der Kläger“. Wir haben mit fünf der sechs Parteien aus dem Stadtrat sprechen können. Am Freitagabend hat auch die AfD auf eine schriftliche Anfrage reagiert. Wie erst am Mittwoch bekannt wurde, hat das OVG Münster bereits am Montag in einem Eilverfahren entschieden, dass die Windkraft-Vorrangzonen der Stadt außer Kraft gesetzt werden. Drei Kläger aus Bad Berleburg hatten eine Normenkontrollklage angestrengt, weil sie ein Windrad bauen wollen, das außerhalb der Zonen stünde. Die Investoren hatten die Auswahlkriterien angezweifelt und vorerst recht bekommen. Das Hauptverfahren läuft noch.

Martin Schneider.

„Wir fallen auf den Stand des alten Regionalplans zurück. Die Spekulation der Investoren hat sich also gelohnt.“

Martin Schneider

„Das ist eine Katastrophe“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Schneider. Die CDU hatte mit der FDP, UWG und den Grünen lange für einen sachlichen Teilflächennutzungsplan Windkraft gekämpft, um den Ausbau von Windkraft in Bad Berleburg steuern zu können und Herr des Verfahrens zu bleiben.

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Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster bedeutet laut Schneider, „dass wir auf den Stand des alten Regionalplans zurückfallen. Die Spekulation der Investoren hat sich also gelohnt.“ Für Schneider kommt das nicht von ungefähr, denn das Trio, das gegen den Flächennutzungsplan geklagt hat, hatte bei seinem Bauvorhaben eine Fläche ausgeguckt, die in dem alten Regionalplan noch als mögliche Windkraftfläche gekennzeichnet war. „Ob diese Fläche auch im neuen Regionalplan enthalten ist, steht noch nicht fest.“

Iris Gerstmann.

„Wir haben es prophezeit, sogar gebetsmühlenartig.  Nunmehr verspüre ich keine Genugtuung, sondern bin traurig über die Entwicklung“

Iris Gerstmann

Unterm Strich überwiegt beim CDU-Fraktionsvorsitzenden ein ungutes Gefühl: „Da wird ein FNP beklagt, der über 100 Windkraftanlagen in Bad Berleburg vorsieht, obwohl es Möglichkeiten gäbe, sich zu beteiligen. Aber es geht um den eigenen finanziellen Vorteil. Da bleibt ein Geschmäckle!“

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Die SPD-Fraktion gehörte von Anfang an zu den Kritikern der Vorrangzonenplanung und fühlt sich jetzt in ihrer Sorge um Rechtssicherheit und unnötige Kosten bestätigt: „Wir haben es prophezeit, sogar gebetsmühlenartig. Leider haben unsere Bemühungen in den beratungsresistenten Gremien der Stadt keinen Anklang gefunden. Die Mehrheitsverhältnisse habe ich als Demokratin zu akzeptieren. Nunmehr verspüre ich keine Genugtuung, sondern bin traurig über die Entwicklung“, kommentiert die Fraktionsvorsitzende Iris Gerstmann den Ausgang des Eilverfahrens.

Horst Günter Linde von der UWG Bad Berleburg tritt im Wahlkreis 148 Siegen-Wittgenstein als Kandidat für den Bundestag an

„Jetzt muss sich schnellstens dieser Ältestenrat treffen, damit man das weitere Vorgehen besprechen kann.“

Horst Günter Linde

„Das ist ein Unding“, poltert das UWG-Mitglied Horst-Günter Linde. „Bad Berleburg macht seine Hausaufgaben und weist mehr Flächen aus als es müsste und dann kommt so ein Spruch vom OVG.“ Für die UWG ist klar, wo die Verantwortlichen sitzen und Linde nutzt dies gleich, um den Bundestagswahlkampf für 2025 zu eröffnen: „Rot, Grün und Gelb in Berlin haben uns das mit dem Windenergie-an-Land-Gesetzt eingebrockt“. Auf die Konsequenzen für Bad Berleburg gelenkt, kommentiert Linde: „Es wird ein tiefes Luftholen geben, und dann müssen wir sehen, wie wir damit umgehen. Jetzt muss sich schnellstens dieser Ältestenrat treffen, damit man das weitere Vorgehen besprechen kann.“

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Susanne Bald.

„Die Normenkontrollklage ist ein rechtsstaatliches Verfahren und deren gutes Recht.“

Susanne Bald

„Mich hat das nicht geschockt. Es war von Anfang an klar, dass der Flächennutzungsplan beklagt werden würde“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Susanne Bald. Sie selbst sei lange Zeit gegen die Vorrangzonenplanung gewesen, weil sie „Windkraft als Rettungsanker gegen die Klimakatastrophe“ sieht. „Aber ich habe mich überzeugen lassen, dass man bei dem Verfahren mit Augenmaß vorgeht und den Ausbau steuern muss.“ Dass nun eine Entscheidung gegen die Vorrangzonen im Eilverfahren gefallen ist, nimmt Bald gelassen und sieht auch keinen Grund für Kritik an den Klägern: „Die Normenkontrollklage ist ein rechtsstaatliches Verfahren und deren gutes Recht.“ Bald hofft jetzt nur, dass die Entscheidung im Hauptsacheverfahren schnell fällt und sich das alles nicht hinzieht, bis der Regionalplan in Kraft tritt.

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Wolfgang Völker.

„Ich habe die Vorrangzonenplanung von Anfang an unterstützt und hatte immer damit gerechnet, dass die Klage abgewiesen wird.“

Wolfgang Völker

Als „äußerst bedauerlich“ stuft FDP-Ratsmitglied Wolfgang Völker diese Entscheidung des OVG Münster ein. „Ich habe die Vorrangzonenplanung von Anfang an unterstützt und hatte immer damit gerechnet, dass die Klage abgewiesen wird, zumal ja auch die Bezirksregierung unsere Planung akzeptiert hatte.“ Völker hält den Flächennutzungsplan „nach wie vor für eine gute Lösung, mit der wir für die Bürger das Beste herausgeholt haben“.

Was die AfD dazu sagt

Für die AfD-Fraktion nutzt deren Fraktionsvorsitzender, Klaus Dieter Lege, die Gelegenheit bei der Reaktion auf den überraschenden OVG-Spruch - ähnlich wie die UWG - den Bundestagswahlkampf für 2025 zu eröffnen: „Dass die AfD die flächendeckende Nutzung der Windenergie als ökonomisch und ökologisch unsinnig betrachtet, haben wir in der Vergangenheit immer wieder betont. Aus diesem Grunde haben wir - zähneknirschend - die Vorrangzonenplanung zur Windenergie-Nutzung unterstützt, um wenigstens den entstehenden Verlust an Lebensqualität für die Bürger etwas begrenzen zu können“, sagt Lege.

Und zum OVG-Spruch sagt er: „Natürlich war absehbar, dass die immer rücksichtsloser durchgesetzte Priorisierung der Windenergie durch die jetzige, aber auch schon durch die vorhergehende Regierung sich auch im Verhalten der Gerichte abbilden würde. Letztlich bekommen die Wähler jetzt das, was sie in Land und Bund gewählt haben“, so Lege. Die AfD bezeichnet die geplanten Bürgerbeteiligungen als „Trostpflaster“ und befürchtet, „dass unsere Heimat letztlich zur Industrielandschaft werden wird“, an der lediglich einige wenige verdienten.

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