Siegen-Wittgenstein. Emotionale Diskussion über Klimaschutz und 70 aus der Liste gestriochenen Bäumen im Siegener Kreishaus führt zu einer Niederlage für den Kreis.
Bäume, Menschen, Emotionen, könnte man dies beschreiben. Die Diskussion um die Neuauflage einer Liste von schützenswerten Naturdenkmalen spaltet die Politik im Kreis Siegen-Wittgenstein. Hintergrund sind 70 Bäume, denen die Kreisverwaltung den Schutzstatus streichen möchte. Die seit einigen Jahren geführte Debatte um die Neuauflage der Liste der Naturdenkmale steuert auf ihren Höhenpunkt zu und eine Vorentscheidung ist gefallen.
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Der zuständige Dezernent Arno Wied warb um Zustimmung für den Verwaltungsvorschlag als Basis für die Unterschutzstellung von Naturdenkmalen und verwies auf einen seit 2021 laufenden Entwicklungsprozess: „Wir haben immer wieder sehr intensiv und kontrovers diskutiert“, so Wied, der zugleich auch die Hand in Richtung der Gegner ausstreckte. „Über einzelne Bäume können wir noch reden.“ Dann aber machte der Dezernent klar, an welchem Punkt Politik und Verwaltung jetzt stehen: „Über dieses Stadium kann man entscheiden.“ Wenn man die Liste der Bäume wieder vergrößern wolle, „müsste man in ein komplett neues Verfahren gehen“.
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Wied verschwieg nicht, dass die Umweltverbände starken Einfluss auf die Diskussion genommen haben. So liege eine Unterschriftenliste mit 201 Unterzeichnern allein für die Blutbuche in Weidenau vor. Und im Herbst 2023 unterschrieben 1380 Menschen bei einer Online-Petition „Rettet die Baumdenkmale in Siegen-Wittgenstein“. Diese Unterschriftenliste wurde vor der Ausschusssitzung erneut an Wied übergeben, weil diese laut der Vorsitzenden des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde, Prof. Dr. Klaudia Witte, bei den Erörterungen nicht berücksichtigt worden sei.
„Bevor es zu einem Kettensäge-Massaker kommt, sind wir dafür, die Bäume unter Schutz zu lassen.“
„Der Verwaltung wird vorgeworfen, dass man zu leichtfertig damit umgeht. Wir haben versucht, das sauber abzuarbeiten, sind aber nicht im Einklang mit dem Naturschutzbeirat“, sagt Wied.
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Die anschließende Diskussion ist von emotionalen Argumenten geprägt. Martin Achatzi (CDU) benennt knappe finanzielle Ressourcen als Grund für die Streichung der rund 70 Bäume aus der Liste. „Aber in Anbetracht des Klimawandels wäre es ein gutes Signal, Bäume unter Schutz zustellen.“ Es sei kein gutes Beispiel „einerseits Sonnensegel über Plätzen aufzuspannen, wenn daneben ein stattlicher Baum, der beschattet, gefällt wird. Bevor es zu einem Kettensägen-Massaker kommt, sind wir dafür, die Bäume unter Schutz zu lassen.“
Kritik kommt auch von Manfred Semper (SPD). Der findet, „dass man aus heutiger Sicht den Klimaschutz berücksichtigen muss“. Wenn es an den Kosten liege, könne man dann nicht Ersatzgelder für die Pflege der Bäume aufwänden, fragte Semper, was Arno Wied mit Verweis auf rechtliche Vorgaben mit Nein beantwortete. Diese können nicht für Pflichtaufgaben des Kreises verwendet werden. Dazu zählt auch die Pflege von Naturdenkmalen.
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Anke Flender (SPD) wunderte sich über die Schärfe der Diskussionsbeiträge: „Martin Achatzi stellt es so dar, als könnten die Bäume gefällt werden“. Andreas Weigel (FDP) scherte in die Formation der Baumschützer ein. „Die Siegerländer haben zwar alle eine Motorsäge im Keller, aber die Bäume werden so schnell nicht gefällt. Dennoch bin ich gegen eine Entlassung aus dem Schutz.“
Arno Wied kritisierte, dass die Diskussion um die Naturdenkmale in eine falsche Richtung gehe: „Da steht nichts von Klimaschutz und von CO₂-Bindung. Wir führen hier eine Diskussion über 70 Bäume, als würden die den Klimaschutz der Region ausmachen.“ Der Dezernent verglich die Thematik damit, dass es viele alte Wohnhäuser gebe, die keine Baudenkmale seien und ließ den Blick aus dem Sitzungssaal in der 13. Etage des Kreishauses nach draußen wandern: „Schauen Sie, wie viele alte Bäume da stehen, die keine Naturdenkmale sind.“
„Wenn wir eine andere haben wollen, müssen wir das Verfahren komplett neu durchführen. Nicht jeder Baum, der aus der Satzung fällt, wird auch sofort gefällt.“
Unterstützung bekam er von Karl Ludwig Völkel (SPD), der betonte, dass die Satzung alle Kriterien erfülle. „Wenn wir eine andere haben wollen, müssen wir das Verfahren komplett neu durchführen.“ Aus Völkels Sicht sie dies eine zusätzliche, hohe Arbeitsbelastung vor dem Hintergrund von fehlenden Personalstellen, die der Kreistag nicht bewilligt habe und sagt abschließend: „Nicht jeder Baum, der aus der Satzung fällt, wird auch sofort gefällt.“
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Für Klaudia Witte als beratendes Mitglied im Ausschuss ist aber klar: „in dubio pro arbor“ - im Zweifel für den Baum. Die Vorsitzende des Naturschutzbeirates fürchtet, dass die privaten Eigentümer dann mit den Kosten für die Pflege und der Verkehrssicherungspflicht solcher Baumdenkmale alleingelassen würden und diese dann lieber vorsorglich fällen ließen.
Für die Grünen beantragte schließlich Lena Müller eine geheime Abstimmung und fand eine knappe 9:8-Mehrheit bei zwei Enthaltungen. Die gleiche Mehrheit stimmte schließlich auch gegen den Verwaltungsvorschlag für eine neue Verordnung zum Schutze von Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen. Jetzt hat der Kreistag am 21. Juni das letzte Wort.