Wingeshausen. Wittgensteins Brennerei erweitert ihr Angebot. Von der Ernte bis zur Abfüllung entsteht alles in der Heimat. Davon profitieren auch die Insekten.
Birne, Apfel, Pflaume – es gibt viele Obstsorten, aus denen später Spirituosen – sogenannte Obstbrände – gebrannt werden können. Das weiß auch Prof. Dr. Christof Wetter. Der gebürtige Wingeshäuser betreibt die Brennerei Rothaarbrand, die sein Vater 1995 beantragt und 2004 schließlich ins Leben gerufen hat. Drei Edelbrände, zwei Likörsorten und der Wittgensteiner Apfeltraum zählen bereits zu dem Sortiment der Brennerei. Und genau dieses Sortiment soll nun erweitert werden. Womit? Das hat der 61-Jährige uns bei einem Besuch in der Brennerei verraten und uns einen exklusiven Einblick in die Herstellung der Wittgensteiner Edelbrände gewährt.
Die Zukunftspläne
Bevor es aber in die Brennerei geht, führt der Weg zunächst in den Garten der Familie Wetter in Wingeshausen. „Mein Großvater und mein Vater haben gemeinsam die Bäume hier gepflanzt“, so der 61-Jährige und zeigt auf die zahlreichen Bäume im Garten – Pflaume, Birne und Apfel, eben jene Sorten, aus denen bereits Wittgensteiner Edelbrände und auch Liköre entstehen. Die Stämme sind weiß angekreidet, ein grüner Klebestreifen befindet sich darüber. „So halten wir die Schädlinge fern“, erklärt Wetter. Auf Pestizide wird hier komplett verzichtet. Dann geht es weiter – nicht unweit vom elterlichen Grundstück hat die Familie im vergangenen Jahr ein großes Wiesenstück gekauft. 65 Bäume wurden daraufhin dort gepflanzt – darunter auch Haselnuss und Eberesche. „Ich bereite hiermit auch ein wenig meinen Ruhestand vor“, verrät er. „Ich möchte etwas Neues wagen – neue Sorten wie eben Haselnussbrand oder Eberesche – auch Walnuss ist geplant.“
Aber einen Edelbrand aus der Eberesche? „Ebereschenbrand/Vogelbeerenbrand hat seinen Ursprung im alpinen Bereich – in Tirol – und wird dort gerne getrunken. Er hat einen ganz besonderen Geschmack.“ Aber er bedeutet auch viel Arbeit, weiß der 61-Jährige, der 1986/87 in einer Brennerei in Portugal gearbeitet hat und später in der Bioethanolforschung tätig war. Von Beginn an hat er gemeinsam mit seinem Vater in der Brennerei gearbeitet, hat Fortbildungen besucht und nach dem Tod des Vaters im Jahr 2016 Rothaarbrand übernommen, wo er gemeinsam mit der ganzen Familie arbeitet – die einzige Brennerei im Altkreis Wittgenstein.
Laut statista gab es im Jahr 2020 bundesweit insgesamt 14.180 Spirituosenbrennereien, 2001 waren es sogar 23.961. Doch was ist das Besondere am Rothaarbrand? „Alles – von dem Obst bist zum fertigen Brand – wird hier bei uns und von uns hergestellt“, sagt Wetter stolz. Eine Menge Arbeit, bei der die ganze Familie und fleißige Helfer involviert sind. „Am aufwendigsten sind bei der Ernte aber zweifellos die Pflaumen. Die müssen ja alle sortiert und entkernt werden.“ Und nicht nur das: Mit ihren zahlreichen Bäumen geben sie auch den heimischen Insekten ein willkommenes Zuhause. Laut Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure verarbeiten die Klein- und Obstbrenner in Deutschland überwiegend Obst von Streuobstwiesen und ermöglichen somit den Erhalt einer uralten Kulturlandschaft.
Der Destilliervorgang
Am besten eignet sich für die Herstellung von Obstbrand vollreifes Obst, da hier der Zuckergehalt und die Aromastoffe besonders gut ausgeprägt sind. Bei Rothaarbrand werden die Obstsorten einzeln gebrannt – als reine Sorten. Nach der Ernte wird das Obst also zerkleinert und mithilfe von Hefe die sogenannte Maische hergestellt. Gleich mehrere blaue Behälter mit Gäraufsatz stehen in der Regel in der Brennerei bei Familie Wetter, wo sie gut vier Wochen bei Raumtemperatur reifen. Durch den Zucker entsteht der Alkohol. Dann erst geht es in die Destille. Das Ziel beim Brennen, im Gegensatz zum chemischen Destillieren, ist es, die Aromen der Früchte beizubehalten. „Wichtig ist hierbei, langsam und sorgfältig zu destillieren, damit die einzelnen Bestandteile von einander getrennt werden“, erklärt Wetter.
Der entstehende Dampf, der sich aus den verschiedenen Komponenten der alkoholischen Lösung zusammensetzt, wird in einem Kondensator durch Abkühlen wieder verflüssigt. Im Anschluss wird das flüssige Kondensat aufgefangen. „Wir brennen immer zwei Mal – Rauch- und Feinbrand.“ Im Anschluss wird der Alkohol in Glaskugeln gelagert – teilweise über mehrere Jahre. Um ihn anschließend trinkfertig zu machen, wird er mit Wasser verdünnt und so auf ein Alkoholvolumen von 38 Prozent gebracht.
„Der Alkoholgehalt ist entscheidend für den Brand.“ Früher konnte die Familie Wetter 50 Liter reinen Alkohol pro Jahr brennen. Heute dürften sie 300 Liter reinen Alkohol brennen – das entspricht 2200 Flaschen Edelbrand im Jahr. „Daher haben wir auch weitere Bäume gepflanzt“, sagt Wetter. Und das Schöne am Brennen? „Das macht einfach Freude! Die Tatsache, dass man ein Lebensmittel herstellt, dafür Fachwissen und Maschinen braucht und etwas schaffen kann, was es sonst nicht gäbe, ist einfach toll!“ Neben den Edelbränden und Fruchtlikören, gibt es im Übrigen auch einen Honiglikör – hergestellt aus dem eigenen Honig. Bald könnte es hier auch Haselnussgeist geben.
Heilmittel, Genuss und Desinfektion: Die Geschichte des Alkohols
Die ersten Dokumente der Verwendung von Wein, Bier und vergorenem Honig findet man um ca. 3000 vor Christus im Gebiet um Euphrat und Tigris, also in Assyrien, später bei Sumerern und Ägyptern. Alkoholhaltige Getränke wurden im Rahmen von Heilungs- und Beschwörungsriten oder als Opfergaben verwendet.
Der Ursprung des Wortes Alkohol geht auf den aus dem Mittelalter stammenden arabischen Begriff „al-kuhl“ zurück und sollte etwas besonders Feines, Reines ausdrücken.
Die erste schriftliche überlieferte Erwähnung des Weindestillationsverfahrens (Herstellung des Spiritus vini) stammt von dem berühmten Arzt Salemus (1130 – 1167 n. Chr.). Für ihn war destillierter Alkohol, damals auch als Aqua ardens (gebranntes Wasser) bekannt, eine besonders wertvolle Medizin.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Alkohol auch verstärkt für Körperpflege und als Grundstoff für Duftwasser gebraucht. Die erste dieser Duftwasser war damals Kölnisch Wasser, also das Eau de Cologne.
1817 entwickelte Pistorius ein Destillationsgerät zur Herstellung von 60 bis 80-prozentigem Alkohol.
Quelle: Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V