Wittgenstein/Alertshausen. Nach dem gewaltsamen Schafstod in Alertshausen: Die Kreisjägerschaft Siegerland-Wittgenstein hält sich beim sensiblen Thema Bejagung zurück.

Noch ist die Frage nicht eindeutig beantwortet: War tatsächlich ein Wolf der Angreifer, als am vergangenen Pfingstwochenende ein Schaf auf einer Weide bei Alertshausen gewaltsam zu Tode kam? Die Untersuchungen der Umstände beim Landesumweltamt NRW laufen. Dennoch fragt sich so mancher Beobachter bereits jetzt, ob gerade der Wolf nicht wieder wie einst bejagt werden sollte. Die Jägerschaft in der Region hält sich bei diesem sensiblen Thema allerdings zurück.

Artenschutz-Kriminalität

Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) steigt der Wolfsbestand deutschlandweit – aber auch die Zahl der illegalen Tötungen wächst. Die Naturschützer fordern deshalb eine stärkere Ahndung von Artenschutz-Kriminalität.Zuletzt wurden bundesweit 128 Wolfsrudel, 35 Paare und zehn Einzeltiere bestätigt.

„Die Jäger sind in ihren Handlungsfähigkeiten beschränkt“, erläutert im Gespräch mit unserer Redaktion Marcus Freudeberg, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Siegerland-Wittgenstein. „Wir können nicht handeln, denn der Wolf ist ein streng geschütztes Tier in Europa, das derzeit nicht dem Jagdrecht unterliegt.“

Sorgfaltspflicht nicht vernachlässigen

Das Bundesnaturschutzgesetz erlaubt es allerdings nach einer Änderung vom Februar 2020, Wölfe zu entnehmen, wenn sie im Verdacht stehen, Schafe oder andere Nutztiere gerissen zu haben. „Ziel der Gesetzesänderung ist es, den Artenschutz der Wölfe und den Schutz von Schafen sowie anderen Herdentieren gleichermaßen sicherzustellen und die Nutztierhalter zu unterstützen“, erläutert die Bundesregierung.

Allerdings müssten sich die Wölfe dann schon „besonders auffällig“ verhalten, so Freudeberg, ehe für die Entnahme Ausnahmegenehmigungen erteilt würden. Außerdem gebe es eine sehr starke Lobby der Wolfsbefürworter. Und im konkreten Fall sei dann meist auch nicht die Jägerschaft vor Ort der erste Ansprechpartner dafür, sondern eher Berufsjäger in öffentlichen Diensten. Jedenfalls werde er keinem Freizeit-Jäger empfehlen, sich da in den Vordergrund zu drängen, so Freudeberg.

Durchaus höheres Gefahrenpotenzial

Könnte der Artenschutz die Gegner von Wolf und Luchs nicht auch in die Illegalität treiben? Sicher: „Straftaten kann man nie ausschließen“, sagt Freudeberg. Aber auch hier warnt der Vorsitzende gerade die Jäger eindringlich davor, ihre besondere Sorgfaltspflicht bei der Jagd zu vernachlässigen. Wer dem Wolf ohne Genehmigung nachstelle und erwischt werde, bei dem sei nicht nur der Jagdschein weg, er verstoße auch noch gegen geltendes Waffenrecht – und das Naturschutzgesetz. Alles in allem könne das fix zu einer ausgewachsenen Straftat werden.

Die Kreisjägerschaft sehe das höhere Gefahrenpotenzial durch den Wolf durchaus, sagt Marcus Freudeberg, wenn etwa wertvolle Nutztier-Bestände dezimiert würden. Allerdings sei die Antwort des Gesetzgebers bisher immer gewesen: Die Bestände müssen besser geschützt werden.

Tiere vermehren sich derzeit unkontrolliert

Eine weitere Gesetzesänderung beim Umgang mit dem Wolf sieht der Vorsitzende aber schon jetzt kommen, denn: Derzeit hätten die Wölfe eine unkontrollierte Vermehrungsrate. Irgendwann sei schließlich ihre Lebensraum-Kapazität erreicht – „und dann wird es kritisch, wenn die Nahrungsgrundlage der einzelnen Wölfe zurückgeht“. Dann werde man den Wolf wohl in bestimmten Zonen gewähren lassen, schätzt der Vorsitzende der Kreisjägerschaft – und zugleich anderswo verhindern, dass er sich überhaupt niederlässt.

Freudeberg möchte den Fall eines gerissenen Schafs in Alertshausen zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten. Hier seien die Experten vom Landesumweltamt NRW gefragt, die sich ja nun auch schon um die Sache kümmern. War es ein Wolf, oder „nur“ ein Wolfshybride, ein Wolfshund? Oder eine andere Tierart? Möglich sei es bei solchen Fällen ist ja auch, dass das Opfertier auf ganz andere Weise zu Tode komme – und dann etwa ein Fuchs zugreife.

Hegeringleiter: Thema „Wolf“ besonnen sehen

Sollte es in Alertshausen beispielsweise auf den Wolf hinauslaufen, lasse sich im Übrigen aus den gezogenen DNA-Proben und mit Hilfe von Datenbanken beim Senckenberg-Institut für Naturschutzforschung in Gelnhausen relativ sicher entnehmen, aus welcher Linie der Wolf stamme.

Hegeringleiter Dirk Landsmann von der Jägerschaft der Stadt Bad Berleburg e. V. plädiert nach dem Vorfall in Alertshausen dafür, das Thema „Wolf“ nicht unnötig hochzuspielen. Sollte sich der Wolf als Angreifer bestätigen, „wird sich die bundesweite Jägerschaft mit dem Umweltministerium und den Verbänden beraten, um eine weitere Vorgehensweise zum Wohle des Bürgers sowie der Erhaltung von Wald und Wild zu erstellen“, sagt er.

Kritiker und Befürworter gleichermaßen respektieren

Es gebe Kritiker und Befürworter des Wolfs „in unserer Gesellschaft, die respektiert werden müssen“, so Landsmann weiter. „Es sollte aber berücksichtigt werden, dass der Bürger im Alltag keiner Gefahr durch den Wolf ausgesetzt ist.“

Nach Hochrechnungen des Deutschen Jagdverbandes lebten bereits im vergangenen Frühjahr um die 1800 Wölfe in Deutschland. „Bei einer jährlichen Zuwachsrate von etwa einem Drittel jährlich dürften es derzeit deutlich über 2000 Tiere sein“, so Landsmann. Damit stehe Deutschland derzeit auf Platz 3 in Europa. Wenn es aber so weitergehe, „dann haben wir Rumänien und seinen dünn besiedelten Karpaten-Urwald und Spanien bald überholt“.

Von Schauspieler Hannes Jaenicke enttäuscht

Enttäuscht ist Dirk Landsmann von dem Schauspieler Hannes Jaenicke. Er habe sich des Themas „Wolf“ angenommen, dazu aber offenbar zuvor „keine Informationen in Deutschland zum Beispiel bei der Landwirtschaftskammer, dem Landesjagdverband und dem Umweltministerium eingeholt“. Vermutlich wäre seine Dokumentation dann wohl anders ausgefallen, schätzt der Hegeringleiter.