Wittgenstein. Bald gibt es keine Gratistests mehr. Lokale Anbieter fordern dauerhaft kostenlose Testangebote und fürchten Konsequenzen für sich und die Bürger

Kostenlose Bürgertests gibt es nur noch bis Ende Juni. Dann läuft die Testverordnung aus. Wie es dann mit den Schnelltests weitergeht, ist ungewiss. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) plädiert für eine Verlängerung der Verordnung. Aber was sagen die lokalen Anbieter dazu? Unsere Redaktion hat bei den Testzentren und Apotheken in Wittgenstein nachgefragt.

Thomas Decker, Inhaber des Testzentrums „Am Nordkoten“ in Bad Berleburg, sieht den Bedarf für kostenlose Tests weiterhin gegeben, da die Anzahl an positiv Getesteten in Wittgenstein wieder ansteigt. Mustafa Kartal, Betreiber des Testzentrums Erndtebrück, spricht sich ebenfalls für eine Verlängerung der kostenlosen Bürgertests aus. Seinen Beobachtungen nach habe die generelle Nachfrage nach Testungen innerhalb der letzten zehn Tage weiter zugenommen. Der Apotheker Matthias Köhler von der Stadt-Apotheke in Bad Laasphe stellt hingegen einen anderen Trend fest: „Insgesamt hat sich die Nachfrage deutlich reduziert bei uns.“ Es sei aber schon so, dass sich einige dafür entscheiden, vor einem Besuch bei Verwandten sich in der Laaspher Apotheke testen zu lassen, um auf möglichst unkomplizierten Weg ein Ergebnis zu erhalten.

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Die Testangebote in Wittgenstein bleiben

Selbst wenn die Tests kostenpflichtig werden, möchte das Berleburger Testzentrum sie auch ab dem 1. Juni weiter anbieten. „Wir tappen selbst noch im Dunkeln, weil wir noch nicht wissen, was ab dem 1. Juli passiert“, erklärt Decker. Ob man das Angebot dann einschränken müsse, könne Decker zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Zur Not müsse man die Stunden der Mitarbeitinnen und Mitarbeiter reduzieren. Die bisherigen Öffnungszeiten sollen aber erhalten bleiben. „Wenn es sich irgendwie trägt, machen wir definitiv weiter!“

Bei entsprechender Nachfrage will auch die Stadt-Apotheke in Bad Laasphe ab Juli das Testen nicht aussetzten. „Wir werden den Bürgern weiterhin ein angepasstes Testangebot in unserer Apotheke zur Verfügung stellen“, erklärt Köhler. Auch das Testzentrum in Erndtebrück will weiterhin Bürgertests anbieten: „Wir testen auf jeden Fall weiter, aber wir würden uns sehr wünschen, dass ein politischer Beschluss jetzt zeitnah getroffen wird“. Kartal vertritt die Auffassung, dass sich die schwierige Entscheidungsfindung aus dem März nicht wiederholen darf: Damals war die alte Verordnung eigentlich bereits am 30. März ausgelaufen, wurde jedoch kurz vor knapp noch einmal bis zum 30. Juni verlängert.

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Der Betreiber habe das damals als sehr kurzfristig empfunden. Er hofft diesmal auf eine schnelle Entscheidung der Politik, da die Testzentren im Hinblick auf Material und Personal ausreichend Zeit zum Planen benötigen. Kartal erhofft sich von der Politik eine klare Richtung bei ihrem Vorgehen, da „dieses Hin- und Her für Testzentrum-Betreiber und für die, die sich testen lassen möchten, schwierig ist“. Außerdem fordert Kartal, dass falls sich für kostenpflichtige Tests entschieden wird, einheitliche Preise festgelegt werden. Das Testzentrum in Erndtebrück würde gerade im Hinblick auf die aktuelle Lage die kostenlose Variante dennoch bevorzugen.

Die Politik ist auch in Wittgenstein gefragt

Auch Decker wünscht sich eine möglichst schnelle politische Entscheidung, wie es mit der Testverordnung weitergehen soll. „Es müsste so langsam mal ein klarer Beschluss kommen. Ich warte jeden Tag auf Informationen, wie es weitergehen soll. Bis zum Monatsende bräuchten wir Gewissheit.“ Die Politik müsse nach zwei Jahren Pandemie wissen, dass es im Herbst wahrscheinlich zu der nächsten Welle kommt. „Und wenn da die besonders gefährdeten Personengruppen weiter geschützten werden sollen, wird man an den Tests nicht drum herumkommen.“ Decker hofft darauf, dass es kostenfrei weitergehe. Für ihn widerspreche es sich, wenn die Menschen zum Schutz der Patienten bei Besuchen im Krankenhaus oder Altenheim weiterhin einen Test benötigten, dieser aber dann nicht mehr kostenlos angeboten werde.

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Kartal und Decker sind sich einig: „Das muss kostenfrei weitergehen, ansonsten bricht die Nachfrage ein.“ Decker rechnet mit etwa 50 Prozent Einbruch in seinem Testzentrum, falls die Tests kostenpflichtig werden. „Ohne die Möglichkeit, weiterhin kostenlose Tests anzubieten, rennen wir der Pandemie wieder nur hinterher – und zwar in die nächste Welle. Und die wird ohne kostenlose Bürgertests unkontrollierbar“, befürchtet er. „Die Politik muss nun zeitnah klarstellen, ob und wie es weitergeht“, so Dr. Christof Werner, Vorsitzender der Bezirksgruppe Siegen-Wittgenstein im AVWL. „Die Test-Apotheken müssen wissen, ob sie ihr Personal halten, bzw. wie sie es einsetzen können. Sie müssen auch wissen, ob sie die Infrastruktur aufrechterhalten sollen.“ Es könne nicht erneut sein, dass eine Anschlussregelung erst mit Toresschluss verkündet werde, fügt Dr. Werner hinzu.

Wohnortnahe Testmöglichkeiten sind wichtig für Wittgenstein

Köhler sieht einige Vorteile des Testens in den Apotheken. So geht er davon aus, dass viele Bürger das unkomplizierte und barrierefreie Angebot schätzen. „Ich glaube, es gibt weiterhin eine Berechtigung, dass wohnortsnahe Testmöglichkeiten kostenfrei angeboten werden.“ Denn je komplexer es werde, desto weniger wird wahrscheinlich in Zukunft getestet und umso später wird das Virus möglicherweise festgestellt. Dann würde es generell wieder ein erhöhtes Infektionsrisiko geben, was die Pandemie wieder verschärfen könnte. „Grundsätzlich denke ich, dass die kostenlosen Bürgertests sinnvoll dafür sind, damit das Infektionsgeschehen nicht wieder eskaliert. Gerade weil wir eben auch noch nicht durch sind mit Corona“, betont der Apotheker aus Bad Laasphe. Er zeigt sich jedoch optimistisch, dass die kostenlosen Tests bleiben, da der Bedarf von dem Apothekerverband gesehen wird und dieser nun eine Lösung anstrebe, damit die Tests weiter kostenlos angeboten werden können.

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Der AVWL hält es nicht für zielführend, mit Beginn der Sommerferien in NRW die kostenfreien Bürgertests einzustellen und rät der Politik dazu, den Bürgern weiterhin zur Kontrolle wohnortnah kostenlose Tests zu ermöglichen. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass nach dem Start der Reisesaison das Infektionsgeschehen eine neue Dynamik bekomme, wie aktuell in Portugal zu beobachten. „Mithilfe der Bürgertests behalten wir im Blick, wie sich die Infektionszahlen entwickeln, um dann rechtzeitig gegensteuern zu können. Wir sollten dieses Instrument daher nicht leichtfertig aus der Hand geben“, so Dr. Werner. Er erinnert: Bereits vor einem Jahr habe die Politik geglaubt, die Bürgertests Mitte Oktober einstellen zu können – um sie dann im November von heute auf morgen wieder einzuführen. „Für die Apotheken vor Ort war es damals eine enorme Kraftanstrengung, innerhalb kürzester Zeit Personal zu akquirieren und die Testinfrastruktur hochzufahren.“