Weidenau. „Freundlichkeit und Geduld sind selten geworden“, sagt Samira Münker: Sie betreibt nicht länger die Post-Filiale Weidenau. „Schlichtweg untragbar“.
Die Post in Weidenau hat einen neuen Betreiber. Zum Jahreswechsel hat sich die bisherige Betreiberin Samira Münker der Partnerfiliale am Hauptmarkt, eine der größten im Umkreis, zurückgezogen. Schweren Herzens verabschiedet sie sich von langjähriger Kundschaft: „Nach vielen Jahren der treuen Zusammenarbeit und zahlreichen Begegnungen“ falle ihr und dem Team das nicht leicht, aber der Schritt sei notwendig und unvermeidlich - die wirtschaftliche Situation sei untragbar geworden. Sie kritisiert die Deutsche Post für das Modell der Partnerfilialen.
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Wie berichtet war es bereits im November und Dezember zu erheblichen Problemen in Weidenau gekommen: Denn die Filiale wurde mit dem Paketaufkommen des gesamten Nachbarstadtteils Geisweid nur so geflutet, wo kurz vorher die letzte von ursprünglich drei Filialen geschlossen worden war. Die Konsequenzen bekam Samira Münker zu spüren - hunderte Pakete zusätzlich pro Tag, teils lange Warteschlangen, verärgerte Kunden. In der Not verkürzte sie die Öffnungszeiten, verwies auf andere Filialen. Von der Post fühlte sie sich da schon im Stich gelassen - nicht nur, weil sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, sondern vor allem weil keine Hilfe kam - im Gegenteil: Als es schlechte Google-Bewertungen hagelte, habe die Post ihr das angelastet. Münker versuchte, den Betrieb dennoch fortzusetzen; nun zog sie aber endgültig die Reißleine. Aufgrund der Geschäftsaufgabe konnte sie das Mietverhältnis kurzfristig beenden.
Siegen: Betreiberin der Post-Filiale Weidenau kritisiert „moderne Form der Ausbeutung“
Samira Münker sieht die Ursache in der Entwicklung des Postwesens selbst. Im Gegensatz zu eigenständig geführten Filialen habe sich die Deutsche Post in den vergangenen Jahren zunehmend auf Partnerfilialen konzentriert. Die Bedingungen seien hier gänzlich andere: Für ihre Dienstleistungen erhielten diese lediglich eine Provision, während alle anfallenden Kosten - Miete, Strom, Personal, Versicherungen, Steuern - die Betreiber tragen müssten, erklärt sie in einem Abschiedsbrief an ihre Kunden. Für Schäden hafteten die Filialbetreiber persönlich. Das sei eine enorme finanzielle Belastung, sondern „gleicht in gewisser Weise einer modernen Form der Ausbeutung“, kritisiert Münker. Verantwortung und Risiko wälze der Konzern auf die kleinen Unternehmen ab.
„Die Leute kommen zur Post, weil sie zur Post wollen und nicht weil sie nach etwas anderem Ausschau halten.“
Das Konzept der Post, Filialen an ein anderes bestehendes Geschäft anzudocken, in Samira Münkers Fall unter anderem der Verkauf von Deko-Artikeln, für das die Post-Angebote dann Kundenfrequenz bringe, sei letztlich ein Feigenblatt: „Die Leute kommen zur Post, weil sie zur Post wollen und nicht weil sie nach etwas anderem Ausschau halten“, sagt sie im Gespräch. Nachdem ihr kurzfristig das Bankgeschäft genommen worden sei, sei zusätzlich eine größere Summe weggefallen. Hätte sie weitergemacht, hätte sie aus eigener Tasche zuzahlen müssen, berichtet die Unternehmerin.
Die Post hält dagegen: Grundsätzlich würden Kooperationspartner eine Kombination aus einer fixen Basisvergütung und einem variablen Teil erhalten. „Wir betreiben über 13.000 Partnerfilialen, die teilweise seit mehr als 20 Jahren mit uns zusammenarbeiten“, so eine Sprecherin auf Anfrage. Man könne daher sagen, „dass sich unser System bewährt hat“. Hintergrund des Verzichts auf das Bankgeschäft sei die fortschreitende Digitalisierung, hatte das Unternehmen mitgeteilt: Finanzielle Transaktionen würden zunehmend online ausgeführt, der Anteil bargeldloser Zahlungen steige.
Siegen: Post in Weidenau: Wenn‘s hakt, werden manche Kunden richtig bösartig
Dieser Zustand, schreibt Münker in ihrem Abschiedsbrief, sei für sie „schlichtweg untragbar“. Der Druck, kostendeckend zu arbeiten, steige stetig - gleichzeitig bleibe die Vergütung durch die Post in einem „unverhältnismäßig geringen Rahmen“. Wachsender Arbeitsaufwand, schwierige Kommunikation mit zunehmend unzufriedenen Kunden, Missverständnisse und Frust wegen langer Wartezeiten und logistischen Engpässen seien für sie nicht mehr machbar. „Manche Kunden begegnen diesen Herausforderungen nicht mit Geduld, sondern mit Bösartigkeit und Vorwürfen.“
Ihre Weidenauer Postfiliale sei immer ein Ort des Austauschs und der Begegnung gewesen: Sie habe viele Kunden persönlich kennengelernt, mit ihnen Gespräche geführt, ihre Sorgen angehört und sich stets bemüht, bestmöglich zu helfen. Gerade ältere Menschen seien seit Langem zu ihr gekommen. Dass diese Kontakte nun wegfallen, tue ihr sehr leid. „Leider hat die moderne Welt, in der wir leben, die menschlichen Werte oftmals zugunsten von Gewinnmaximierung und Effizienz verdrängt“, so Münker. „Freundlichkeit und Geduld sind selten geworden, wo Hektik und Stress das tägliche Leben dominieren.“ Die Filialleiterin und ihr Team danken den Kund für Treue und viele schöne gemeinsame Momente: „Mögen wir alle in einer Welt leben, in der Menschlichkeit und Verständnis wieder mehr Raum finden.“
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Als Ausweichfiliale empfiehlt Samira Münker ihre Filiale in Netphen, Neumarkt 21. Nach Angaben der Deutschen Post ist seit 3. Januar neuer Filialpartner Mohammad Sahid, die postalische Versorgung in Weidenau bleibe sichergestellt. Geöffnet ist hier montags bis freitags von 9 bis 18, sowie samstags von 9 bis 14 Uhr.