Eichen. Autorin Katharina Afflerbach aus Kreuztal setzt auf Zuversicht und Veränderung. In ihrem neuen Buch geht es um Menschen, die nicht aufgeben.
Wenn sie aus ihrem „Bergsommer“ liest, ihrem Bericht über einen Sommer als Sennerin auf einer Alp in der Schweiz, „dann ist das fast eine richtige Show“, erzählt Katharina Afflerbach. Die Geschichte über ihren beruflichen Umstieg, von der Marketingfachfrau in großen Konzernen zur freiberuflichen Texterin und Coachin, den sie mit dem Eintauchen in eine ganz andere Welt beginnt - bei den Lesungen wird sogar gejodelt.
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Zwei Jahre später hat sie über Trauer geschrieben, die eigene über Verluste von Familienangehörigen und Freunden und die Trauer anderer Menschen, die ich in Interviews geöffnet haben: „Manchmal sucht sich das Leben harte Wege“. Und nun folgt das dritte Buch der gebürtigen Kreuztalerin, die mittlerweile in Köln lebt: „Zuversicht. Wahre Geschichten vom Weitermachen und Wachsen in schwierigen Zeiten.“ Alle drei haben miteinander zu tun.
Autorin aus Kreuztal: Mit dem Handy aus dem Bus geflogen
Im Jahr 2000 arbeitet Katharina Afflerbach bei Audi in Ingolstadt. Sie fliegt aus dem Bus - der Fahrer wirft sie hinaus, weil sie mit dem Handy telefoniert hat. Nun gut, sagt sich die 23-Jährige damals, im Bus wird also nicht mehr telefoniert. Aber was macht Alexis, die junge Au-pair aus Togo, die wegen ihrer schwarzen Hautfarbe in einem deutschen Drogeriemarkt mit Sagrotan besprüht wird? Sie bleibt, studiert Sozialarbeit, arbeitet heute in der Jugendhilfe und wehrt sich gegen Rassismus.
Ungefähr so fängt das Buch an. Insgesamt 17 Geschichten erzählt Katharina Afflerbach: zum Beispiel über Linda, die sich mit ihrer Familie nach dem Hochwasser an der Ahr ein neues Zuhause aufbaut. Über Daniel, der auf der Straße lebt und dabei seiner Frau hilft, nach erlittener Gewalttat wieder auf die Beine zu kommen. Über Isabelle, deren beide Töchter an Diabetes leiden und die einen Treffpunkt für Familien mit behinderten Kindern einrichtet. Über Marcel, der einen Menschen umgebracht hat und sich im Gefängnis auf ein neues Leben in Freiheit vorbereitet. Über Sarah, die an Krebs erkrankt ist. Über Dirk, der eine Dorfgemeinschaft im Braunkohletagebau Garzweiler 2 in neues Dorf hinüberrettet und auch die Nachbarn mitnimmt, die beim Tagebaubetreiber RWE arbeiten …
Kreuztalerin schreibt ein Buch über Veränderungen
Manche ihrer Protagonistinnen und Protagonisten kennt Katharina Afflerbach schon vorher, von zu Hause in Kreuztal, von der Arbeit, von der Alp. Andere lernt sie erst bei der Arbeit an ihrem Buch kennen, das alles andere als eine zufällige Aneinanderreihung von Episoden wird: Zuerst war da das Konzept, Lebenssituationen und -krisen zu benennen, um an ihnen darzustellen, wie aus ihnen Zuversicht wächst: Krankheit, Familienkrisen, Unglücksfälle. „Und dann habe ich mich auf die Suche nach Protagonisten gemacht.“ Ein durchaus journalistisches Vorgehen, das sie nicht erst im Beruf, sondern schon als Studentin und freie Mitarbeiterin der Westfälischen Rundschau in Kreuztal angewendet hat.
„Es ist nur fair, dass ich auch von mir erzähle und nicht nur über die anderen.“
„Zuversicht“ ist aber kein Reportagenbuch. Und eigentlich auch kein Lebensratgeber, auch wenn der Buchtitel das ein wenig suggeriert. „Zuversicht“ ist ein Buch über Veränderung – das große Thema, das die gebürtige Eichenerin seit dem 2019 erschienenen „Bergsommer“ verfolgt. „Irgendwelche Veränderungen finden im Leben immer statt“, sagt sie, „und das Einzige, worüber ich dabei Kontrolle habe und Einfluss nehme, ist, wie ich mich innerlich dazu aufstelle.“ Das zeigen Cora, Klaus, Hannah, Daniel und die vielen anderen aus dem Buch. Ebenso aber auch Katharina Afflerbach selbst. „Es ist nur fair, dass ich auch von mir erzähle und nicht nur über die anderen.“
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Als sie als Schulmädchen eine Mandelentzündung simulierte, um nicht beim ungeliebten Geräteturnen vorgeführt zu werden, war die junge Katharina noch die Getriebene. Sie blieb es aber auch als junge Erwachsene, als sie schnell eine Karriere hinlegte: „Ich war jahrelang den vermeintlichen Erwartungshaltungen von anderen hinterhergelaufen, anstatt eigene Erwartungen an mein Leben zu definieren“, schreibt sie, „heute weiß ich, ich gebe mein Bestes, wenn ich versuche, meiner inneren Natur gerecht zu werden.“ Als das Kreuzfahrschiff Costa Concordia 2012 kenterte, wurde es die Aufgabe von Katharina Afflerbach, die Angehörigen der Opfer zu betreuen. Sie blieb danach nicht mehr lange bei der Reederei, wechselte nach Köln zu einer Hotelkette – ein letzter Job in dieser Branche, der sie endgültig zum Ausstieg führte: „Ich zitterte an einem ersten Arbeitstag am ganzen Körper, weil sich ein Choleriker nicht unter Kontrolle hatte.“
Kreuztaler Autorin: Nicht immer nur betäuben und ablenken
„Was hat mich gestärkt und aufgerichtet?“ Dieser Frage geht Katharina Afflerbach auch in ihrem dritten Buch nach. „Ich bin immer auf der Suche nach Inspirationen und Vorbildern“, sagt sie. Und nach Erfahrungsberichten, „wie es Menschen gelungen ist, mit Wendepunkten umzugehen“. Ja, sagt sie, mit dem Buch sprenge sie auch eigene Grenzen: „Mit jedem Gespräch tun sich neue Dimensionen auf.“ Was aber auch notwendig sei in einer Zeit, in denen Menschen sich immer öfter nur in eigenen Blasen bewegen, sich mit „Comedisierung“ an wichtigen Fragen vorbeidrücken, nur noch das sehen, was sie sehen wollen. „Ich habe das Gefühl, dass wir uns zu oft betäuben und ablenken.“
„Wir müssen unseren Teil beitragen, damit unser Leben ein gutes Leben wird.“
Beim bloßen Beschreiben lässt die Autorin es nicht bewenden: „Ich möchte gern einladen, dass man sich selbst beleuchtet, neue Facetten an sich entdeckt und ausprobiert.“ Oder, wie sie es im Buch formuliert, an den Beispielen zeigen, „dass wir wachsen, indem wir die Dinge in die Hand nehmen und dass wir unseren Teil beitragen müssen, damit unser Leben ein gutes Leben wird“. Deshalb – Zuversicht. Die nicht bloß eine theoretische Konstruktion ist, sondern praktisch auch bei Katharina Afflerbach stattfindet, wenn sie einander wildfremde Menschen, nun schon mehr als 50 Mal, zum Spendenabendessen „Dinner for Life“ zu sich nach Hause einlädt. Wieder ein Beispiel für „Bauchgefühl“, dem Katharina Afflerbach gern eine wichtige Rolle zugesteht.
Die eigenen Abenteuer erleben: Autorin aus Kreuztal geht raus in die Natur
Ihre berufliche Selbstständigkeit als Texterin und Coachin versteht Katharina Afflerbach nicht nur als Broterwerb. „Für mich ist es berührend und bereichernd, mit so vielen Menschen zu arbeiten. Wenn ich nur am Schreibtisch säße, würden mir die Inspirationen fehlen.“ Damit die Workshops in Österreich munter bleiben, kann es auch in die Natur gehen: Die Coachin ist zertifizierte Wanderführerin. Und für das eigene Abenteuer hat sie im vorigen Sommer vier Arbeitswochen in der letzten Berghütte unter dem Gipfel des Großvenediger in den Hohen Tauern verbracht. „Ich genieße diese Freiheiten.“
Katharina Afflerbach stellt „Zuversicht“ am Dienstag, 21. Januar, 19 Uhr, der Stadtbibliothek Kreuztal und am Mittwoch, 19. Februar, 19 Uhr, in der Buchhandlung Bücher buy Eva in Hilchenbach vor.
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