Altenseelbach. Gaststätte Hohenseelbachskopf: mitten im Wald, äußerst beliebt - und seit Monaten zu. Neue Wirte könnten sofort loslegen, aber niemand will. Warum bloß?
Der „Köppel“ ist durchaus etwas Besonderes in der Region. So einen Ort gibt es im Siegerland sonst nicht. Blockhütten mitten im Wald, ganz nah an der Natur, in einer der schönsten Ecken weit und breit. Und dann auch noch ein eigenes Gasthaus. Nur dass es das Gasthaus derzeit nicht mehr gibt: Seit mehreren Monaten ist es geschlossen.
+++ Immer auf dem Laufenden mit WhatsApp: Hier geht‘s zum Kanal der Lokalredaktion Siegen +++
Die Waldgaststätte Hohenseelbachskopf war zuletzt am 26. Februar geöffnet, hat seither keinen Wirt mehr und das Ehepaar Gertrud und Gerhard Lichtenthäler findet auch keinen. Das ist neu; alle ihre bisherigen Pächter blieben viele Jahre, eine zeitlang betrieb die Familie die Gaststätte auch selbst. Die gehört zu den Blockhütten, die mitten im Wald zwischen der Mahlscheid (die mit dem berühmten „Silbersee“) und dem Hohenseelbachskopf liegen und die die Lichtenthälers seit 1990 bewirtschaften. Gegründet wurde der Köppel von Marie und Emil Sauer aus Struthütten - die Eltern von Gertrud Lichtenthäler. Eine Straße führt von Altenseelbach und Struthütten auf Neunkirchens höchsten Berg - ein uralter erloschener Vulkan -, irgendwann endet dann der Asphalt. Man kommt aber mit dem Auto hin. Eine echte Berghütte - nicht angeschlossen ans Strom- und Wassernetz. Beides gibt es natürlich trotzdem, aber am Köppel funktionieren die Dinge eben anders.
Romantische Gemütlichkeit in den Blockhütten am Hohenseelbachskopf: Urlaub mal anders
Sie haben da schon ein Alleinstellungsmerkmal, findet Gerhard Lichtenthäler. Der Köppel ist Kult. Zusammen mit seiner Frau Gertrud vermietet er die Blockhütten, für eine andere, urtümlichere Art von Urlaub. Gäste mögen die romantische Gemütlichkeit, die Gaststätte wurde von Hüttengästen genauso geschätzt wie als Einkehr- und Ausflugsziel von Wanderern und Einheimischen. Das lohnte sich durchaus: „Wir hatten wahnsinnig gute Ergebnisse“, sagt Lichtenthäler. Essen und Getränke in der idyllischen Abgeschiedenheit auf dem Berg - das bescherte dem Köppel hohe Absatzzahlen.
„Es ist eine Hütte in den Bergen - mit allem Potenzial, was dazugehört.“
Der Köppel, davon ist Lichtenthäler überzeugt, funktioniert quasi von selbst. Arbeit ist so eine Gaststätte natürlich, aber ein Wirts-Paar mit zwei oder drei Wochenend-Aushilfen: Das reicht für eine auskömmliche Existenz „und man müsste nicht 40 Stunden da sein!“ Auch mit wenigen Öffnungstagen pro Woche sei das Wald- und Wanderlokal noch eine lohnende Angelegenheit. Auf dem Berg, fast schon mitten im Nirgendwo, war selbst die Pandemie schnell überwunden: „Die Gaststätte ist blendend wieder angelaufen“, sagt der Eigentümer. 135 bis 150 Hektoliter Bier gingen jedes Jahr über den Tresen. Selbst im Winter: „Sobald Schnee lag, war die Hölle los“, sagt Lichtenthäler lachend. Die Neujahrswoche: Immer Großkampfzeit. Sogar bei Regen hätten sie immer 80 Essen pro Abend verkauft.
Auch wenn der Köppel weitab vom Schuss liegt: Die Gäste kamen immer in Massen
Die Gäste, sagt er, waren immer nett und kamen wie von selbst. Wanderer, Mountainbiker, Ausflugsfahrer. Das explodierte mit den E-Bikes nochmal förmlich, die Lichtenthälers kamen kaum damit hinterher, massenhaft neue Fahrrad-Stellplätze zu schaffen. Es kamen die alteingesessenen Stammtische aus Neunkirchen oder Gruppen junger Leute, die einfach mal in Ruhe beim Bierchen schwätzen wollten, ohne Ablenkung durchs allgegenwärtige Smartphone. Mit dem Handyempfang ist das nämlich so eine Sache auf dem Hohenseelbachskopf. Aber wenn ein Ort gut zum Entschleunigen ist: Dann der Köppel.
Und die Leute kommen immer noch. „Der Köppel wird so vermisst“, erzählt Gerhard Lichtenthäler. Wann immer er da ist könnte er auch Getränke an potenzielle Gäste verkaufen - aber es gibt derzeit keine Schanklizenz. Das Interesse der Menschen sei riesig - und er frage einfach alle, ob sie die Gaststätte nicht pachten wollen: Kein hoher Preis, kein großes Kapital erforderlich, brauereifrei. „Man kann direkt anfangen. Vielleicht vorher noch die Küche streichen“, sagt der langjähige Neunkirchener UWG-Politiker lachend. Aber niemand will. Es gab ein paar Interessenten, die dann aber doch nicht wollten.
Gaststätte Köppel am Hohenseelbachskopf: Ganz nah an der Natur leben und arbeiten
Wie kommt‘s? Das ist zum einen generell die Lage der Gastronomie, meint Gerhard Lichtenthäler. Die Branche hat insbesondere seit Corona mit erheblichem Personalmangel zu kämpfen, Abende und Wochenenden, wenn andere ihre Freizeit genießen, sind Kernarbeitszeit. Die Preise steigen. Viele scheuen den Weg in die Selbstständigkeit.
Kontakt für Interessenten
Die Gaststätte Hohenseelbachskopf kann zeitnah gepachtet werden; auf Anfrage stellt die Familie Lichtenthäler ein ausführliches Exposé mit Zahlen und Fakten zur Verfügung.
Kontakt: gegalic@t-online.de, 02735/3339, www.blockhaustip.de.
Womöglich fühlten sich manche durch die ungewöhnliche Infrastruktur 220 Meter nördlich der Bergkuppe überfordert. Der Köppel versorgt sich selbst mit Trinkwasser, 2001 wurde eine Kläranlage gebaut, Strom kommt aus dem Generator. „Das ist schwieriger als im Tal, wo man einfach den Schalter umlegt“, sagt Gerhard Lichtenthäler - aber so schwierig dann auch wieder nicht. Entsprechende Gerüchte weist der Eigentümer klipp und klar zurück: „Alles funktioniert!“ Und die Wartung der Wasserpumpen übernimmt er selber. Das macht den typischen Charakter ja gerade erst aus: Generator anwerfen, mehrmals die Woche Wasser pumpen, für Sprit im Tank sorgen. Ist in den Alpen auch nicht anders. „Es ist eine Hütte in den Bergen - mit allem Potenzial, was dazugehört.“ Potenzielle Wirte müssten im Grunde nur wollen - und ein Epilliergerät von einem Rasenmäher unterscheiden können, sagt er schelmisch.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Der Köppel hat zwar geschlossen, aber sie lassen ihn nicht verkommen. Die Blockhütten laufen weiter, die Lichtenthälers pflegen Haus und Grundstück, auch die Möbel, auf denen sich Wanderer ausruhen können, die auf Siegerland-Höhenring, Druidensteig, Westerwaldsteig oder Rothaarsteig-Zuwegen im Bereich der Landesgrenze unterwegs sind. Bis sich endlich ein Pächter findet: „Das ist einfach ein schnuckeliges Ding, was wir da haben.“