Neunkirchen. Woher hat der Freie Grund seinen Namen? Burbach und Neunkirchen gibt es ja nicht nur im südlichen Siegerland, sondern auch an der Saar. Zufall?

Wer den Sport im Siegerland verfolgt, wird festgestellt haben, dass dort zwei Vereine auftauchen, die die Bezeichnung „Freier Grund“ in ihren Vereinsnamen aufgenommen haben. Es sind dies der VTV Freier Grund (2016), hervorgegangen aus dem Zusammenschluss der Turnvereine Neunkirchen und Salchendorf, der derzeit wohl größte Sportverein im Siegerland, und der FC Freier Grund (2020), in dem sich die Fußballer der Spvgg. Neunkirchen und SV Borussia Salchendorf zusammengeschlossen haben. Dazu kommen sechs weitere Vereine, die diese Bezeichnung in ihrem Vereinsnamen haben.

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Als unsere Heimat um das Jahr 1000 erstmals erwähnt wird, wird sie bereits als Grund der freien Männer (praedium virorum liberorum) bezeichnet. Der Grund gehörte im Jahre 1048 laut Urkunde des Kirchspiels Haiger zum Haigergau. Die Freien Grunder hatten und haben ihren eigenen Dialekt, einen moselfränkischen. Aber nicht nur die Sprache deutet auf eine Kolonisierung aus dem moselfränkischen Raum hin, sondern auch die beiden Ortsnamen „Burbach“ und „Neunkirchen“, die es ja nicht nur im südlichen Siegerland, sondern auch an der Saar gibt. Es mag Zufall sein, es könnte aber auch ein Indiz dafür sein, dass Bauern von der oberen Mosel und der Saar in unserer Gegend angesiedelt wurden.

Freier Grund: Niemandsland zwischen den Territorialherrschaften im Siegerland

„Der Freie Grund war um 1300 durch das faktische Ausscheiden der Molzberger eine Art Niemandsland zwischen aufstrebenden Territorialherrschaften.“ (Stahl) Die Molsberger waren die Lehnsherren der Selbacher. Das kleine Fleckchen „Freier Grund“ weckte Begehrlichkeiten bei den Nachbarn, sowohl bei den Dillenburger Nassauer als auch bei den Hachenburger Sayner.

Das ehemalige Neunkirchener Amtshaus: Heute steht es im Freilichtmuseum Hagen.
Das ehemalige Neunkirchener Amtshaus: Heute steht es im Freilichtmuseum Hagen. © Jürgen Uhr | Jürgen Uhr

Die Freien Grunder Bauern hatten über Jahrhunderte ihre Freiheit retten können. Als vom 1. bis 22. August 1352 von Bischof Balduin von Trier die wohl noch nicht fertiggestellte Burg auf dem Hohenseelbachskopf wieder zerstört wurde, änderte sich die Herrschaft im Freien Grund. Der Salchendorfer Alfred Henrichs hat das in seinem Heftchen „Beiträge zur Geschichte des Freien Grundes“ wie folgt beschrieben: „In der Zwischenzeit hatten sich sowohl die Grafen von Nassau als auch die von Sayn im Freien Grunde Landbesitz angeeignet und sich damit politischen Einfluss gesichert.“ Da beide Grafenhäuser etwa gleichstark waren, hatte sich keines den Freien Grund aneignen können. Es gab aber immer wieder Streitigkeiten zwischen den Nassauer und den Sayner. Die Freien Grunder hatten sich, gemeinsam mit den Selbachern, mal auf die eine, dann wieder auf die andere Seite geschlagen.

1352 wurde die Burg auf dem Hohenseelbachskopf im heutigen Neunkirchen zerstört

Im 15. Jahrhundert sollte dann geklärt werden, zu wem sie gehören wollten, denn „am 14. April 1474 machten sich vier Freien Grunder Bauern auf den Weg nach Schloß Friedewald.“ Dort sollten sie vor einem Notar aussagen, wen sie als Herr betrachten würden. Aus dem Protokoll geht hervor, dass die Herren einen „Grafen von Sayn“ erkennen würden, aber auch einen „Grafen von Nassau“. 1478 versuchten dann die adeligen Herren Adam von Ottenstein, Ritter und Amtmann zu Hachenburg, Johann von Selbach der Alte, Hermann von Hayer, Amtmann zu Dillenburg, Eberhard von Hollunghausen, Amtmann zu Siegen, und Conrad von Dernbach, Amtmann zu Hohensolms und Königsberg die beiden Grafenhäuser zu versöhnen (nach Fromme und Staatsarchiv Münster). Das Ergebnis war, die Grafen Nassau und Sayn sollten nun gemeinsam die Herrschaft im Grunde Sel- und Burbach ausüben. Auch das Gericht sollte gemeinsam besetzt werden und „die Einwohner des Grundes wurden als Untertanen an beide Grafenhäuser verteilt“ (Henrichs). Damit war die Freiheit der Freien Grunder dahin. Jetzt waren sie Untertanen im Grunde Sel- und Burbach. Nun vermied man auch die Bezeichnung Freier Grund.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden der Ober- und Untergrund mit dem Siegerland durch eine Straße verbunden.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden der Ober- und Untergrund mit dem Siegerland durch eine Straße verbunden. © Jürgen Uhr | Jürgen Uhr

„Die Adelsfamilie von Selbach war im Mittelalter eine weit verzweigte Familie, deren eigentliche Heimat jahrhundertelang der Freiengrund gewesen ist, wenn auch einzelne Zweige sonstwo wohnten.“ (H. Braun) Ihr Sitz war die Burg auf dem Hohenseelbachskopf, die 1352 zerstört wurde. Als mit Johann Konrad Wilhelm von Seelbach am 4. März 1739 der letzte männliche Vertreter dieser Familie verstorben war, „war das Geschlecht im Mannesstamme erloschen“.

„Leibeigenes Bauerngeschmeiß und keine freien Bauern“: Rebellische Einwohner des Freien Grunds

Den saynischen Oberschultheißen Bauermeister und Reusch in Neunkirchen folgte um 1750 Oberschultheiß Neuper. Neuper muss unsere Vorfahren zur Verzweiflung gebracht haben, da er ihnen beweisen wollte, dass „sie leibeigenes Bauerngeschmeiß und keine freien Bauern wären“ (Henrichs). Als die Regierung in Hachenburg Anfang 1754 den Bau eines Amtshauses beschloss, weigerten sich die saynischen Untertanen die Fuhr- und Handdienste zu leisten.

Quellen

Alfred Henrichs – Beiträge zur Geschichte des Freien Grundes, 1936, Sonderdruck Hellerthaler Zeitung (HZ)

Fritz Fromme – Beiträge zur Geschichte des Freien Grundes, Fortsetzungen in der Hellerthaler Zeitung vom 16.2.1952-11.7.1953

Dr. R. Walz – Der Streit um den Bau des Amtshauses, 700 Jahre Neunkirchen, Verlag Otto Braun, 1988

Theo Stahl – Das Rittergeschlecht der Selbacher, 700 Jahre Neunkirchen, Verlag Otto Braun, 1988

Theo Stahl – Neunkirchen und seine Umgebung bis zum Jahre 1288, 700 Jahre Neunkirchen, ebenda

725 Jahre Neunkirchen – Festbroschüre zur 725-Jahrfeier, braundruck Neunkirchen, 1988

H. Braun – Die von Seelbach, Sonderdruck der Hellerthaler Zeitung, 1936

Neuper drohte ihnen Strafzahlungen an. Aber auch das konnte ihre Haltung nicht ändern. Das Hauptquartier der Rebellen war das Haus des Georg Henrichs in Salchendorf. Aber Neuper drohte den Rebellen nicht nur, er ließ auch Militär einrücken. Die saynischen Untertanen sollten die Soldaten verpflegen und Gebühren zahlen, was sie erneut verweigerten. Daraufhin ließ Neuper ihnen das Vieh aus den Ställen, die Pferde vom Wagen wegspannen, die Zugochsen vom Felde holen sowie Kupfer, Zinn und Messinggeräte in den Häusern pfänden. Die ausgeplünderten saynischen Untertanen blieben fest. Das Vieh wurde, wenn möglich, zurückgekauft, woran sich auch der nassauische Amtmann und deren Untertanen beteiligten. Auch die Spannungen zwischen den Häusern Nassau und Sayn nahmen zu, da ja der Burbacher Amtsvogt Hofmann die saynischen Untertanen unterstützte und gegen den Bau des Amtshauses in Neunkirchen protestierte. Trotz der Proteste aus Dillenburg und der feindseligen Haltung der Untertanen, wurde am 27. Juli 1754 der Grundstein für das Amtshaus gelegt. Der Bau dauerte etwa zwei Jahre, wozu wohl auch die saynischen Untertanen ihren Beitrag leisten mussten. 1974 wurde das Ortsbild prägende Fachwerkhaus, das gegen den Willen der saynischen Untertanen und des nassauischen Grafenhauses erbaut wurde, abgerissen und im westfälischen Freilichtmuseum Hagen naturgetreu wieder aufgebaut.

Kommunale Neuordnung im Siegerland: In den 1960ern werden Einwohner wieder zu Rebellen

Heute sind die Ortschaften, die 1574 dem Freien Grund zugerechnet wurden, auf drei Gemeinden verteilt. Burbach, Gilsbach Lippe, Wahlbach und Würgendorf sind Ortsteile der Gemeinde Burbach; Altenseelbach, Neunkirchen, Salchendorf, Struthütten, Wiederstein und Zeppenfeld dagegen gehören zur Gemeinde Neunkirchen. Eine Besonderheit stellt der Ort Wilden dar, der zur Gemeinde Wilnsdorf gehört.

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Im Zuge der kommunalen Neuordnung zwischen 1966 und 1968 wurden die Einwohner des Freien Grundes erneut zu Rebellen. Der Raumordnungsplan sah eine Großgemeinde Burbach vor, wogegen sich die Bürgermeister von Altenseelbach, Neunkirchen, Salchendorf, Struthütten, Wiederstein und Zeppenfeld wehrten. Man gründete eine „Interessengemeinschaft Raumordnung Freier Grund“ und es wurde die Idee der „Amtsfreien Stadt Freier Grund“ geboren, der sich auch die Gemeinde Wilden anschließen wollte.