Siegen. Großes Herz für kleine Themen: Warum Samuel Wittenburg sein Stadtfest-Motto nicht aussprechen kann und Jugendliche nicht grillen sollen

Es gibt nicht nur die Umweltspur und die Grundsteuer. Der Siegener Rat hat auch ein großes Herz für die kleinen Themen: vom Stadtfest-Motto bis zum Mülltütenautomaten.

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Jugendparlament

Eine erste Diskussion zum Warmwerden: Die Volt-Fraktion will, dass auch die Jugendlichen, die sich im Jugendparlament engagieren, eine Aufwandsentschädigung bekommen, nicht so viel wie die erwachsenen Mitglieder des Rates und der Ausschüsse, aber wenigstens 25 Euro je Sitzung. „Kommunale Demokratie kostet, und das ist auch richtig so“, sagt Samuel Wittenburg (Volt).

„Kommunale Demokratie kostet, und das ist auch richtig so.“

Samuel Wittenburg, Volt

Ingmar Schiltz (SPD) erinnert daran, dass die Jugendlichen 2022 selbst befragt wurden: Den beratenden Sitz in Fachausschüssen haben sie bekommen, aber nicht das gewünschte Stimmrecht im Jugendhilfeausschuss. Vorlagen aus den Ausschüssen, die Jugendthemen betreffen, werden seitdem auch dem Jugendparlament zugeleitet. Geld hätten die Jugendlichen allerdings nicht verlangt. Lisa Bleckmann (Grüne) glaubt, dass „Hürden abgebaut“ würden, wenn Jugendliche für ihr Engagement zumindest nicht draufzahlen müssen. „Die meisten haben eine Busfahrkarte“, widerspricht Ursula Simon (AfD). „Es ist uns ein Anliegen, dass die Arbeit honoriert wird“, sagt Achim Bell (UWG). Sozialdezernent Andree Schmidt verweist auf das „Problem“, dass das Jugendparlament nicht in den gremienüblichen Routinen arbeite, „Sitzungen“ als solche seien nicht zu definieren. „Das sind ganz andere Arbeitsformen“, sagt Schmidt, eher angelehnt an die Kinder- und Jugendarbeit.

Dann eben eine monatliche Pauschale, schlägt Samuel Wittenburg (Volt) vor. Die Verwaltung bekommt, bei zwei Gegenstimmen der AfD, den Auftrag, beim Stadtjugendring zu fragen, ob der die Kosten aus seinem Budget bestreiten möchte.

Mülltütenautomaten

Auch ein Antrag von Volt: „Mindestens“ einen Mülltütenautomaten soll die Stadt an zentraler Stelle aufstellen. Dann müssten Bürger für zusätzliche Rest- und Biomülltüten nicht extra ein Bürgerbüro aufsuchen, sagt Kenny Schulz (Volt). „Unsinn“, findet Roland Steffe (AfD), „der Geisweider müsste dann nach Siegen fahren.“ Michael Schwarzer (LKB) regt an, Geschäfte als Abgabestellen zu gewinnen. Die Verwaltung prüft nun.

Stadtfest-Motto

Nach der Umweltspur-Debatte ein weiterer Höhepunkt: Die großen Siegener Feste sollen das Motto „„Zusammen für Vielfalt und Demokratie“  bekommen. „Ein deutliches Zeichen, dass Siegen eine weltoffene und bunte Stadt ist“, begründet Svenja König (Grüne) den Antrag ihrer Fraktion. „Ob man die Bürger nicht einfach mal eine schöne Zeit verbringen lassen kann“, fragt Marc Klein, „ohne zu politisieren?“ Überdies sei es für das Stadtfest in diesem Jahr zu spät, das unter dem Motto „800 Jahre Siegen“ stehe. Für die Silvesterparty auch fügt Stadtrat Arne Fries hinzu. Und beim Altstadtfest habe die Stadt nichts zu melden. Das werde vom Stadtmarketing veranstaltet.

Samuel Wittenburg (Volt) findet, das Motto müsse einen lokalen Bezug haben. Und gesteht sein Dilemma, als nach Siegen emigrierter Kölner das von ihm vorgeschlagene Motto selbst nicht aussprechen zu können: „Onnerm Krönche: All anners, doch zesamme!“ Als Deutschlehrer am Evau wisse er, dass auch Jugendliche Interesse am Siegerländer Platt hätten.

„Ich habe Sie schon viel zu lange reden lassen.“

Steffen Mues, Bürgermeister

„Das macht selbst mich sprachlos“, sagt Roland Steffe (AfD) und wirft den Grünen „heuchlerische Verlogenheit“ vor. Im Rat würden sie dem in dem Motto formulierten Anspruch selbst nicht folgen, zumindest nicht im Umgang mit der AfD. „Wir sind eine demokratisch gewählte Fraktion, im kommenden Jahr stärker als die Grünen.“ Die Debatte nimmt Fahrt auf, bis Bürgermeister Steffen Mues dem AfD-Sprecher das Wort entzieht. „Ich habe Sie schon viel zu lange reden lassen.“

Hans Günter Bertelmann (UWG) schlägt vor, für die Feste im Jahr 2025 „ein schönes Motto zu finden“. Wolfgang Koenen (FDP) findet, dass außer Vielfalt und Demokratie auch Toleranz und Gewaltfreiheit vorkommen müssten. Martin Heilmann (Grüne) versteht nicht, warum Feiernde sich unangenehm politisiert fühlen sollten: „Wenn eine Stadt sich zu Vielfalt und Demokratie bekennt, ist das doch aller Ehren wert.“ Michael Schwarzer (LKB) fordert dagegen, den Bürgern die Freude am Feiern „nicht durch Belehrungen zu vergällen“: „Die Menschen haben schon genug Sorgen.“ Was Michael Groß (Grüne) zu der Replik veranlasst, dass Schwarzers Einlassung „sehr bezeichnend für Ihre Geisteshaltung“ sei.

Joachim Pfeifer (SPD) sieht sich schließlich zu dem Einwurf veranlasst, „ob wir nicht immer mehr in Bekenntnispolitik abrutschen“. Svenja König (Grüne) klingt erstaunt über das Echo auf ihren Antrag: „Ob die Leute das nicht viel positiver sehen …?“ Bei zwei Gegenstimmen wird der Antrag an den Kulturausschuss überwiesen.

Mehr zum Thema

Grillplätze

Die einmal erreichte Betriebstemperatur passt zum nächsten Thema. Die Grünen beantragen., öffentliche Grillplätze auszuweisen. „Es gibt kein Anliegen, dass so häufig von Jugendlichen an mich herangetragen wird wie dieses“, sagt Teresa Pflogsch (Grüne). Gesucht würden Treffpunkte, die spontan und ohne Formalien aufgesucht werden können, „Orte der Begegnung und des Miteinanders“, angenehmer als unter der HTS-Brücke am Busbereitstellungsplatz. „Es hat nicht jeder zu Hause einen Garten.“

Stadtbaurat Henrik Schumann berichtet, dass er die Kollegen in der Grünflächenabteilung gefragt habe. „Die Reaktion war eher negativ.“ Hinterlassener Müll müsse beseitigt werden, in Wohngebieten könne es wegen Lärm und Gestank zu Problemen mit Anwohnern kommen, in Waldrandnähe zu Konflikten mit der Forstverwaltung. „Es braucht einen Kümmerer.“ Das Erfahrungsfeld „Schön und gut“ auf dem Fischbacherberg habe seine Grillplätze daher wieder geschlossen.

Achim Bell (UWG) fordert, dass das Aufeinandertreffen mehrerer Nutzergruppen verhindert werden müsse. Wolfgang Koenen (FDP) berichtet, dass Heimatvereine Grillplätze haben. Ingmar Schiltz (SPD) berichtet, dass für den Grillplatz im Tiergarten ein Mietvertrag abgeschlossen werden müsse. „Es ist eigentlich schade, wie schnell dieser Antrag kaputtgeredet wird“, sagt Lisa Bleckmann (Grüne), „statt zu fragen, wie man es denn ermöglichen kann“. Zum Beispiel, indem Kautionen erhoben werden oder der Grillrost gegen ein Pfand verliehen wird, etwas durch das Jugendzentrum Bluebox. „Das ist immer noch besser, als gar nichts zu realisieren.“ Samuel Wittenburg (Volt) regt an, „sich mal in Personen hineinzuversetzen, die in der Innenstadt wohnen“, ohne Balkon, Terrasse oder Garten.

„Es geht doch nur um Stellen, wo man sitzen und Feuer machen kann.“

Steffen Mues, Bürgermeister

Durch Nichtstun erledige sich das Thema nicht, weiß Michael Groß (Grüne): „Um so mehr grillen die Leute da, wo sie Lust haben.“ Immer wieder auch im Schutzgebiet Trupbacher Heide. Martin Heilmann (Grüne) beobachtet, wie die Diskussion komplizierter wird: „Es geht doch nur um Stellen, wo man sitzen und Feuer machen kann.“ Der Rat möge doch nicht „vorab immer alles schwarz malen“, bittet Teresa Pflogsch (Grüne). Marc Klein (CDU) verwirft noch die Grillrost-Pfandidee („Ich habe noch nie meinen eigenen Rost mitgebracht“), bevor Ingmar Schiltz (SPD) eine Sitzungsunterbrechung beantragt.

Danach beschließt der Rat bei 26 bis 28 Gegenstimmen – Bürgermeister und die beiden Stellvertreter kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, Steffen Mues: „Das ist so oder so die Mehrheit“ –, die Verwaltung das Grillplatz-Thema prüfen zu lassen. „Das Ergebnis kann ich Ihnen schon jetzt sagen“, meldet sich Stadtbaurat Schumann: Dafür braucht die Grünflächenabteilung mehr Personal. Ob der Rat das dann auch genehmige?

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