Netphen. Der Netphener Rat legt weitere Standorte für Wohncontainer fest. Darüber hinaus sollen aber nun auch massive Gebäude errichtet werden.

Die nächsten Wohncontainer für Geflüchtete werden am Sportplatz in Dreis-Tiefenbach und im Gewerbegebiet In der Dell in Helgersdorf aufgestellt. In Dreis-Tiefenbach auf dem Platz, wo früher die Container der Mint-Kita standen, mit 30 Plätzen. In Helgersdorf ebenfalls mit 30 Plätzen, wo aber die Aufstockung auf 60 Plätze bereits vorbereitet werden soll. Die bereits beschlossene Anlage in der Netphener Schmellenbach wird nicht auf 40, sondern nun auf 60 Plätze ausgelegt.

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Die Beschlüsse

Das hat der Rat einstimmig beschlossen. Bestehen bleiben die Beschlüsse für die bereits aufgestellten Container auf dem ehemaligen Deuzer Lokschuppengelände und neben dem Übergangsheim auf der Braas in Netphen. Ebenfalls als Flüchtlingsunterkunft wird nun auch die ehemalige Post in Netphen genutzt. Dort sollte ursprünglich nur eine Familie untergebracht werden, jetzt ist von bis zu 28 Plätzen die Rede.

Unterhalb des Sportplatzes in der Schmellenbach in Netphen sollen Wohncontainer für bis zu 60 Geflüchtete aufgestellt werden.
Unterhalb des Sportplatzes in der Schmellenbach in Netphen sollen Wohncontainer für bis zu 60 Geflüchtete aufgestellt werden. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Darüber hinaus soll die Stadt massiv bauen, um die benötigten Unterkünfte für noch erwartete 205 Personen zu schaffen: zum einen als Anbau an das Übergangsheim Hinterm Liesch beim Dreis-Tiefenbacher Sportplatz, zum anderen auf dem Bolzplatz Sterndill in Deuz, in der Südstraße in Hainchen, auf der Ecke Siegstraße/K 5 sowie in der Wernsbachstraße in Dreis-Tiefenbach und in der Ländchenstraße in Helgersdorf.

Vorbild könnte das Gebäude auf dem ehemaligen Schulgrundstück in der Salchendorfer Schulstraße sein. „Das hat keinen Mietwohnungscharakter“, betont Thorsten Vitt, Leiter des Fachbereichs Soziales, „das können wir uns gar nicht leisten.“ Um die 20 Menschen werden in einem solchen Haus wohnen, das die Stadt dann später, wenn es nicht mehr als Gemeinschaftsunterkunft gebraucht wird, zum Ein- oder Zweifamilienhaus umbauen kann. Beigeordneter Andreas Fresen wirbt für den Massivbau: „Das geht mit Sicherheit genauso schnell wie das Beschaffen von Containern.“

Der Stand der Dinge

Die Stadt Netphen ist am Ende ihrer Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete angekommen. Bei der Bezirksregierung hatte sie einen vierwöchigen Zuweisungsstopp erwirkt, der vor einer Woche ausgelaufen ist. Eine Liste von 31 Standorten für Wohncontainer hatte die Verwaltung nun vorgelegt, darunter auch die, die im letzten November noch durchs Raster gefallen waren. Anbindung an den Nahverkehr, Abstand zu Schulen, Kitas und Altenheimen sollte nun keine Rolle mehr spielen. Zehn Standorte fielen auch durch dieses Raster, weitere zehn sollten als Reserve bereitgehalten werden, elf gelangten auf eine Prioritätenliste.

„Wir haben den Eindruck, dass die Menschen, die zu uns kommen, einfach weggesperrt werden.“

Familie aus Frohnhausen

Auf Platz 3 dieser Liste steht, nach zwei Standorten in Netphen, der ehemalige Frohnhausener Dreschplatz. 194 Einwohnerinnen und Einwohner haben die Eingabe unterschrieben, die ihr Ortsbürgermeister Manfred Heinz (SPD) im Rar vertritt: keine Infrastruktur („außer einem Briefkasten“), kaum ÖPNV – vor allen den allein geflüchteten jungen Männern biete der Ort „keinerlei Beschäftigung beziehungsweise Entwicklungsmöglichkeit. Nur Einsamkeit“. Heinz zitiert die zusätzliche Anmerkung einer Familie: „Wir haben den Eindruck, dass die Menschen, die zu uns kommen, einfach weggesperrt werden. Sie werden wert- und würdelos untergebracht.“ Manfred Heinz fragt, warum insgesamt nur neun von 21 Ortsteilen in der Liste erscheinen und warum nicht das Schwergewicht auf die Siedlungsschwerpunkte gelegt werde.

„Wir können Integration nicht leisten. Da müssen wir uns ehrlich machen.“

Paul Wagener, Bürgermeister

Die Debatte

Klaus-Peter Wilhelm (UWG) sieht das anders: „Jeder ist mal dran. Es kann nicht sein, dass die drei größeren Ortsteile auserkoren werden, sämtliche Flüchtlinge aufzunehmen.“ Silvia Glomski (Grüne) regt an, noch einmal auf das Pachtangebot eines privaten Grundstücksbesitzers in der Altwiese am Netpher Ortsausgang in Richtung Eschenbach zurückzukommen, das der Rat zuletzt abgelehnt hatte. Die Stadt gewänne dann bis zu fünf Jahre Zeit, ein Unterbringungskonzept mit massiven Gebäuden umzusetzen. Harald Boch (CDU) spricht sich später massiv dagegen aus, „dass sich Privatleute an einem Schrottgrundstück eine goldene Nase verdienen.“

Die Frohnhausener machen ihren Protest gegen die Wohncontainer-Pläne sichtbar. Mit Erfolg.
Die Frohnhausener machen ihren Protest gegen die Wohncontainer-Pläne sichtbar. Mit Erfolg. © WP | Steffen Schwab

Fachbereichsleiter Thorsten Vitt warnt: Nach den vier Wochen Zuweisungsstopp seien der Stadt bereits wieder 26 Personen zugewiesen worden. „Das ist mehr als ein Container.“ Auszüge aus den Gemeinschaftsunterkünften unterblieben, weil die Bewohner keine bezahlbaren Mietwohnungen fänden. „Das klappt nicht, wie wir uns das gedacht haben.“ Benedikt Büdenbender (CDU) kritisiert die Veröffentlichung der Standorte-Liste: „Jetzt gehts so los, wie wir vermutet haben.“ Nach den Hainchern und den Deuzern protestierten nun die Frohnhausener. „Wir handeln wie auf dem Basar.“ Lothar Kämpfer (SPD) spricht sich „nachhaltig für dezentrale Unterbringung“ aus und wirbt für die Altwiese: „Ärgerliches Geld, aber eine relativ schnelle Lösung.“

Elke Bruch (SPD), Ortsbürgermeistern von Unglinghausen, nennt den Sportplatz Unglinghausen „absolut ungeeignet“ als Containerstandort. Klaus-Peter Wilhelm (UWG) hatte den aus der Reserveliste der Verwaltung gezogen. Mit einem Kilometer unbeleuchteten Fußweg ins Dorf liege der „völlig abseits“, es gebe keine Wasser-, geschweige denn Löschwasserversorgung: „Da kommt ein Rinnsal an.“ Zudem sei der Sportplatz nicht ungenutzt, dort trainieren und spielen die Baseballer der Siegen Pirates, nebenan sind die Tennisplätze und das Vereinsheim.

„Die Netphener waren bisher sehr geduldig. Die Stadt sollte wenigstens die drei großen Ortsteile gleich behandeln.“

Dorothee Spies, CDU, Ortsbürgermeisterin von Netphen

Dorothee Spies (CDU), Ortsbürgermeisterin von Netphen, rechnet vor, dass sich zusammen mit den bereits untergebrachten Menschen am Ende 245 Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften im Kernort aufhalten. Auf die Georg-Heimann-Halle, die ebenfalls Notunterkunft war, hätten die Vereine zwei Jahre lang verzichtet. „Die Netphener waren bisher sehr geduldig. Die Stadt sollte wenigstens die drei großen Ortsteile gleich behandeln.“ In Deuz waren es 2015/16 auch über 200, wird Bürgermeister Paul Wagener später feststellen.

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Olaf Althaus (FDP) regt an, zunächst die vorhandenen Container aufzustocken. „Wer so eine Odyssee hinter sich hat, ist froh, ein Dach über dem Kopf haben.“ Das Erweitern an den bestehenden Standorten sei „die schnellste und beste Lösung“. Dann hätten die Container dafür vorbereitet werden müssen, wendet Beigeordneter Andreas Fresen sein, zum Beispiel mit Wasser- und Stromleitungen für eine obere Etage. Feuerwehrchef Sebastian Reh weist auf Brandschutzbestimmungen hin: Bei Anlagen mit mehr als 60 Personen auf mehr als 400 Quadratmetern werden Brandmeldeanlagen und Löschwasservorräte gebraucht, ab sieben Metern Höhe auch ein zweiter Rettungsweg.

„„Die Verhältnisse, die da herrschen, will keiner in seiner Nachbarschaft.“

Klaus-Peter Wilhelm, UWG

Klaus-Peter Wilhelm (UWG) ist nicht gegen entlegene Standorte: „Die Verhältnisse, die da herrschen, will keiner in seiner Nachbarschaft.“ Bürgermeister Paul Wagener vertritt die Abstriche, die bei der Standort-Vorauswahl gemacht wurden und die nun auch Plätze ohne Anbindung an den Nahverkehr auf die Liste kommen lassen: Schließlich handele es sich um Personen, „die gut zu Fuß sind und es in der Vergangenheit auch waren“. Die zugewiesenen Geflüchteten würden langfristig entweder in die Ballungsräume weiterziehen oder Deutschland verlassen. „Wir können Integration nicht leisten. Da müssen wir uns ehrlich machen.“

Am Rande des Dreis-Tiefenbacher Sportplatzes (hinten rechts) steht bereits ein Übergangsheim.  Ein Anbau wird geprüft.
Am Rande des Dreis-Tiefenbacher Sportplatzes (hinten rechts) steht bereits ein Übergangsheim. Ein Anbau wird geprüft. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Das Ende

Es kommt zu einer Sitzungsunterbrechung – „so lange, bis wir wieder da sind“, lässt UWG-Fraktionschef Klaus-Peter Wilhelm den Bürgermeister auf dessen Nachfrage wissen. Der Druck zur Einigung ist groß. „Wenn wir das nicht machen, kommt jemand anders und tut das“, warnt er vor dem Staatskommissar. Am Ende lassen die Fraktionen die elf Vorschläge aus der Prioritätenliste der Verwaltung und damit auch Frohnhausen und Unglinghausen außen vor und bedienen sich aus der Reserveliste. Entschieden wird einstimmig. Erst in der anschließenden nicht öffentlichen Sitzung geht es noch einmal um die Altwiese und um ein Wohnhaus im Kernort, das der Stadt zum Kauf angeboten wird. Dagegen kann dann niemand mehr protestieren,

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