Siegen. In sozialen Medien erleben „Einrenk“-Videos einen regelrechten Boom. Felix Kowols Chiropraktik ist anders – „Ausspannen statt Einrenken.“

Felix Kowol aus Niederdielfen litt in seiner Jugendzeit an Kopfschmerzen. In der Schule hatte der Wilnsdorfer mit Konzentrationsschwäche lange zu kämpfen – bis er eine gute Behandlung fand: die Chiropraktik. „Ich habe mich wohler in meinem Körper gefühlt und hatte weniger mit Tagesmüdigkeit zu tun“, sagt der 26-Jährige.

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Seine Beschwerden konnten allerdings nicht sofort geheilt werden, erzählt er. „Diesen ‚Zahn‘ muss ich auch manchmal meinen Patientinnen und Patienten ziehen, wenn sie denken, dass sofort eine Besserung eintritt“, sagt Felix Kowol. Der Wilnsdorfer hat sich seit April mit einer Praxis in Weidenau selbstständig gemacht. Ziel der Chiropraktik ist es, die Wirbelsäule stabil zu halten und so zu einer besseren Körperhaltung beizutragen. „Manche Körper verlieren die Stabilität der Gelenke und dadurch die Möglichkeit, sich bestmöglich zu bewegen“, sagt der 26-Jährige. Die Chiropraktik sei ein alternativer Heilansatz zur Selbstregulierung. „Ich setze gezielt Impulse, da kann es auch mal dazu kommen, dass Gelenke auf Spannung gebracht werden und es zu einem ‚Knacken‘ kommt.“ Anders als in den Videos auf Social Media sei seine Methode jedoch viel sanfter und schonender für die Gelenke.

Wie Felix Kowol Chiropraktiker geworden ist

Felix Kowol ist gelernter Heilpraktiker mit chiropraktischer Ausbildung. Währen des Studiums in Dresden hat der Wilnsdorfer bei einem Chiropraktiker in Wilnsdorf gearbeitet, am Wochenende ging es dann zurück nach Dresden. Jetzt wollte er seine eigene Praxis haben und „Chiropraktik für jeden erlebbar machen.“

Felix Kowohl
Felix Kowol untersucht seinen Patienten vor der Behandlung. © Nikola Klein | Nikola Klein

Der Beruf des Chiropraktikers ist nicht geschützt. Deshalb gibt es nicht nur verschiedene Ausbildungswege, sondern auch keine Subventionierung der Krankenkassen, sagt Kowol. „Anders als es beispielsweise in der Osteopathie ist, übernimmt die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer Behandlung nicht. Ich wünsche mir, dass sich das ändert.“ Zusatzversicherungen oder private Versicherung übernehmen einen Teil der Kosten, sagt der Wilnsdorfer.

Was macht der Chiropraktiker aus Weidenau anders

Die Hände von Chiropraktiker Felix Kowol gleiten entlang der Wirbelsäule des Patienten. So ertastet Felix Kowol, ob und wo es bewegungseingeschränkte Gelenke gibt. Ist dies der Fall, dann bringt er die jeweiligen Körperpartien wieder in Bewegung. „Das mache ich durch verschiedene Techniken, die ich jeweils auf den Patienten anpassen muss.“

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Chiropraktiker Felix Kowohl hat im April 2024 seine eigene Praxis in Weidenau eröffnet. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

Felix Kowol möchte besonders präventiv arbeiten, nicht nur an Symptomen. Deshalb arbeitet er gern mit Kindern und Säuglingen. Kinder klagen in der Regel noch nicht über Haltungsauffälligkeiten oder Rückenschmerzen, sondern bei ihnen gehören oft Konzentrationsschwierigkeiten zur Symptomatik, beschreibt Kowol.

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Die größte Kundschaft sind ältere Erwachsene ab 60 Jahren mit Rückenbeschwerden, erklärt der Wilnsdorfer. Aber auch schwangere Frauen kommen zu ihm, damit sie die Schwangerschaft besser überstehen. In jedem Fall sei eine Kontinuität wichtig, damit die Effektivität abgeschätzt werden kann. „Es ist wichtig, öfter zur Behandlung zu kommen und gegebenenfalls neben der Behandlung auch im Alltag Übungen zu machen.“

Eine Behandlung bei einem Chiropraktiker

Der Behandlungsablauf: Am Anfang müssen die Patientinnen und Patienten einen Anamnese-Bogen ausfüllen. Felix Kowol fragt nach vorigen Untersuchungen und lässt sich, wenn vorhanden, Computertomographie-Aufnahmen und Röntgenbilder zeigen, um sich über die Beschaffenheit der Gelenke zu informieren. „Dann mache ich beispielsweise einen Balancetest und schaue mir die Statik der Patienten an.“ Bei der Behandlung nutzt er das Vibrationsgerät „Arthrostim“, dass die Gelenke stimulieren soll. Die Polster der Liege sind elastisch, damit durch eine Bewegung Impulse und Blockaden gelöst werden. Mit kleinen medizinischen Kissen legt er das Becken in verschiedene Positionen und gleicht eine muskuläre Disbalance aus.

Am Ende des Termins spricht Felix Kowol dann mit den Patientinnen und Patienten über den Behandlungsplan. „Ob Folgebehandlungen notwendig sind, entscheide ich dann nach der ersten Untersuchung.“ Der Körper lerne durch Wiederholungen. Wie viele Behandlungen nötig sind, sei individuell – und hänge nicht zuletzt von dem Befund ab. „Mit ein bis zwei Sitzungen ist es in der Regel nicht getan“, sagt Felix Kowol. Es kann Monate, manchmal Jahre dauern, bis der Körper vorhandene Haltungsmuster und -schäden korrigiere. Da es im Alltag ständig Einflüsse von außen wie Stress oder zu wenig Bewegung gibt, können sich auch immer wieder neue Nervenstörungen herausbilden.

„Meine Patienten sind oft erstaunt, dass ich mit kleinen Impulsen so viel bewirken kann.“

Felix Kowol, Chiropraktiker in Weidenau

„Bei der Chiropraktik werden keine Symptome, sondern Ursachen behandelt. Meine Aufgabe ist es zu suchen, aufzufinden und Einschränkungen zu beseitigen“, sagt Kowol. Eine chiropraktische Behandlung regt den Körper zur Selbstheilung an, sagt er. Wenn die Ursache gefunden wurde, versucht Felix Kowol die jeweiligen Gelenke wieder in Bewegung zu bringen. „Dadurch soll das Nervensystem des Patienten positiv beeinflusst werden.“ Zu seinen Methoden gehört die Mobilisation und Manipulation wie etwa das Rotieren. Dabei werden Gelenke und Gewerbe minimal bewegt.

Felix Kowols Meinung zum Social-Media- „Einrenk-Hype“

Auf Social Media ist ein regelrechter Hype ums Einrenken und Blockadenlösen entstanden. Mikrofone werden an den Körpern der Behandelten angebracht, damit das ‚Knacken‘ auch besonders laut zu hören ist. Felix Kowol erklärt, dass es keinen nachhaltigen medizinischen Effekt habe und nicht die Ursache behebt, wenn man seine Wirbelsäule durch gewisse Bewegungen selbst zum Knacken bringt. Für einen kurzen Moment werden Glücksgefühle ausgeschüttet, eine subjektiv empfundene Spannungslösung, sagt er. Das bekannte Knackgeräusch entsteht durch kleine Blasen, die gelöste Gase in der Gelenkflüssigkeit bilden. Der Gelenkspalt, der auseinandergezogen wird, ist mit Gelenkflüssigkeit gefüllt. Felix Kowol möchte mit seiner Behandlung Verspannungen beseitigen und den Druck auf die Nervenbahnen reduzieren. Damit sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden. „Beim Justieren, so wird die chiropraktische Behandlung genannt, eines Gelenkes kann es zwar zu Knackgeräuschen kommen, dies ist jedoch nur ein Nebeneffekt und nicht das Ziel der manuellen Behandlung.“

„Meine Patienten sind oft erstaunt, dass ich mit kleinen Impulsen so viel bewirken kann.“ Ein Kunde hatte mal nach einer Doppelstunde gefragt. „Für den Körper sind regelmäßige Behandlungen in individuell abgestimmten Zeitabständen zielführender als eine einmalige Behandlung.“ Seine Methoden sehen zwar erstmal im Vergleich zu den Social-Media-Videos nach wenig aus, seien aber sehr effektiv.

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