Herzhausen. Das arme Dortschulmeisterlein… Lehrer hatten es nicht leicht im ländlichen Preußen. Zu sehen auch als Rap mit Witz vom Netphener Karikaturisten.

Die dörfliche Idylle trügt. Denn es geht ihm gar nicht gut, dem armen Dorfschulmeisterlein. Die Kirche gibt’s, die Schule nicht, der Magen knurrt, und im Sommer hütet er statt Kinder das Vieh. Den Mächtigen im Staate Preußen passt das gut ins Konzept. Zu viel Bildung … das könnte gefährlich werden. Und doch entsteht eine Bewegung, die das Lernen und Lehren selbst in entlegenen Gegenden ermöglicht. Rund um das bergische Waldbröl ist es ein weitsichtiger Landrat, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schulen bauen lässt. Ab 1861 wird auch in Hermesdorf unterrichtet, jahrzehntelang und oft in drängender Enge. Vor Ort hat das Schulgebäude längst ausgedient, an einem anderen Ort ist es vor einigen Wochen als neuer Bildungsraum eröffnet worden. Die Hermesdorfer Schule ist nun Teil des LVR-Freilichtmuseums Lindlar.

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Per Touchscreen zum armen Dorfschulmeister

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Hier begegnen die Besucherinnen und Besucher auch dem armen Dorfschulmeisterlein, und zwar am Lehrerpult in der historisch anmutenden Schulstube. Ein Touchscreen bietet bei den drei Optionen, sich in das Thema „Schule – Wie alles begann“ einzufinden, auch eine gesungene Persiflage auf den bedauernswerten Pauker im ländlichen Raum an. Diese hat der Herzhausener Cartoonist Matthias Kringe mit seinem Team ins Preußische verlegt. Umgedichtet und umgeformt in einen lustigen Rap, der ins Ohr geht. Der Song bildet das Herzstück eines Zeichentrick-Dreiteilers. Er entführt in die Historie des Lehrberufs. Kurzweilig und pointiert, mit dem einen oder anderen Gimmick garniert, erzählen zwei fünfeinhalbminütige Filme davon, wie Wissen seit der Steinzeit weitergegeben worden ist: immer von Mensch zu Mensch, im Laufe der Zeit dann zunehmend institutionalisiert, Eliten fördernd und breite Bevölkerungsgruppen ausgrenzend, mit Johann Amos Comenius das „Alles allen“ zunehmend im Blick und von den Herrschenden mit Wohl und auch viel Wehe zweckdienlich instrumentalisiert.

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Das alte Lehrerpult lädt heute mit seinem Touchscreen zur Zeitreise ein. Der Cartoonist Matthias Kringe (Mitte) hat gemeinsam mit Tochter Elisabeth und Schüler Marc-André Schreiber sowie einem erweiterten Team für das LVR-Freilichtmuseum Lindlar drei Erklärfilme zum Thema Schulgeschichte produziert. Im Hintergrund: der nachgebaute Lehrer Friedrich Bals.
Das alte Lehrerpult lädt heute mit seinem Touchscreen zur Zeitreise ein. Der Cartoonist Matthias Kringe (Mitte) hat gemeinsam mit Tochter Elisabeth und Schüler Marc-André Schreiber sowie einem erweiterten Team für das LVR-Freilichtmuseum Lindlar drei Erklärfilme zum Thema Schulgeschichte produziert. Im Hintergrund: der nachgebaute Lehrer Friedrich Bals. © Dimitri Seizef | Dimitri Seizef

Das Dilemma des Lehrers

Matthias Kringe führt seine Schul-Geschichte bis in die Gegenwart. „Und heute?“, fragt er und zeigt in einer Szene das Dilemma der Lehrpersonen im Hier und Jetzt auf: einerseits Schülerinnen und Schüler zu besten Leistungen führen, andererseits ein kritisches Bewusstsein fördern. Ein neutrales Sowohl-als-Auch, das Kringe im Interview nachschärft: Die Wirtschaft verlange einen Nachwuchs, der in dieses System eines Höher-Besser-Weiter passe, gesucht werde „another brick in the wall“, da lasse Pink Floyds Klassiker immer noch grüßen. Demokratie brauche aber zudem eben jenen kritischen Geist, der durchaus rebelliere, aufstehe und Nein sage.

Mehr über Lindlar

Das LVR-Freilichtmuseum Lindlar ist täglich außer montags ab 10 Uhr geöffnet. Es lädt immer wieder zu besonderen Veranstaltungen ein, z.B. zum Gartenmarkt „Jrön un Jedön“ am 3./4. Juni. Mehr: www.freilichtmuseum-lindlar.lvr.de.Den Rap vom armen Dorfschulmeisterlein hat Matthias Kringe auf seinem YouTube-Kanal „Kringe Animation“ hochgeladen

Die Fähigkeit, selbst zu denken, selbst zu entscheiden und selbst mögliche Konsequenzen zu tragen, sei ihm wichtig zu vermitteln, so Matthias Kringe, der seit elf Jahren am Semper-Berufskolleg für Kosmetik und Gestaltung in Geisweid unterrichtet. Zu diesem Lernen fürs Leben gehört für ihn das Einbinden der jungen Menschen in Projekte wie jenem für das Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Rheinland. Und so sind auch Schülerinnen und Schüler bei dieser Produktion dabei. Marina Berak, Jasmin Gamboa, Stella Gattano und Lisa Glauss besingen das „arme Dorfschulmeisterlein“ als Chor im Refrain; Moritz Knist rappt und musiziert, und als Sprecher agiert Marc-André Schreiber. Bei den durchweg von Hand gezeichneten Trickfilmszenen kann Matthias Kringe auf die Unterstützung von Tochter Elisabeth und Sohn Michael zählen – eine Kooperation, die sich über Jahre schon bewährt hat.

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Die alte Schule von Waldbröl-Hermesdorf hat im LVR-Freilichtmuseum Lindlar einen neuen Platz gefunden. Sie erzählt von der Bildungsgeschichte im ländlichen Raum.
Die alte Schule von Waldbröl-Hermesdorf hat im LVR-Freilichtmuseum Lindlar einen neuen Platz gefunden. Sie erzählt von der Bildungsgeschichte im ländlichen Raum. © Frederik Grundmeier/LVR | Frederik Grundmeier/LVR

Matthias Kringes Erklärfilme sind nicht knochentrocken

Andere Erklärfilme von Kringe – etwa für das Industriemuseum Menden oder das LWL-Freilichtmuseum Hagen – waren beim Lindlarer Schulprojekt überzeugende Referenzen für die dortige Kuratorin. Anka Dawid-Töns habe sich vor zweieinhalb Jahren bei ihm gemeldet, angefragt und nach seiner Zusage umfangreiches Textmaterial zur Verfügung gestellt. Ergänzt um eigene Recherchen entwickelte der studierte Historiker seine eigene Geschichte der Schule – in Szenen und mit Texten, die allgemeinverständlich, aber bloß nicht „knochentrocken“ sein sollten. Hier und da gibt Matthias Kringe seinen Protagonisten die Chance, sich im O-Ton zu äußern: Martin Luther (sächselnd), eine frühes Fräulein Lehrerin (kreuzbrav), den Alten Fritz (berlinernd)

Der „Wisse Ohm“ allerdings ist an der Medienstation in Lindlar nicht vertreten. Der weise Lehrer mit Druiden-Anmutung gehört in einen anderen Kringe’schen Kosmos: die Siegerländer Dilldappen-Welt.

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