Siegen. Der 31-jährige Mann, der im Juni 2020 eine Tankstelle an der Leimbachstraße in Siegen überfiel, muss für fünf Jahre und zehn Monate in Haft.
Die Beute umfasste 1175 Euro und eine Flasche Wein. Vielleicht waren es auch zwei. Gerade einmal 20 Sekunden hat es für den 31-jährigen W. am 20. Juni 2020 gedauert, eine Tankstelle an der Leimbachstraße zu überfallen. Die Rechnung dafür wird ihm an diesem Montag präsentiert, und sie fällt deutlich höher aus. Fünf Jahre und zehn Monate hat die 1. Große Strafkammer für die besonders schwere räuberische Erpressung verhängt und auch die Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung angeordnet. Außerdem muss der geständige Täter die Beute ersetzen, die er, wenig überraschend, längst nicht mehr hat. „Er hat sie für Alkohol, Drogen und andere lebenswichtige Dinge ausgegeben“, stellt Richterin Elfriede Dreisbach fest.
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Zuvor hat sich Anwalt Wolfgang Stahl redlich bemüht, seinen Mandanten möglichst gut aussehen zu lassen. Coronabedingt sei im Vorfeld der Kontakt zum Angeklagten ziemlich beschränkt gewesen, sagt der Verteidiger. W. hatte am ersten Verhandlungstag grundsätzlich eine Bereitschaft zur Therapie bekundet, wollte aber zunächst seinen Schulabschluss nachholen. Irgendwann später, möglichst gemeinsam mit seiner Verlobten, in eine Klinik. Sie habe auch Drogenprobleme. Nach einem langen Gespräch sei der Angeklagte nun aber bereit, die Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung zu akzeptieren und auch aktiv mitzuarbeiten, versichert Stahl. Es sei wichtig, erst die Sucht anzugehen und dann Schritt für Schritt weitere Ziele in den Fokus zu nehmen.
Tankstellenraub in der Leimbachstraße in Siegen: Täter seit Jahren drogenabhängig
Die langjährige Drogenabhängigkeit des W. ist für den Anwalt zugleich ein Faktor, einen minderschweren Fall der Tat anzunehmen. Dazu komme das unumwundene Geständnis, die vergleichsweise geringe Höhe der Beute sowie das Verhalten in der Tankstelle. Er wolle da nichts verharmlosen, betont Wolfgang Stahl, aber W. habe keine unmittelbare Gewalt angewandt, weder verbal noch direkt. Einen konkreten Strafantrag stellt er nicht. Er will aber weniger als Staatsanwalt Fabian Glöckner, der die Minderung ausschließt, dafür fünf Jahre und zehn Monate sowie die Unterbringung gefordert hat. Auch er sieht dabei die Bereitschaft des Angeklagten, sich behandeln zu lassen.
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Im letzten Wort versucht W. Entschuldigungen und Beschwichtigungen für seine Taten zu finden. Die Tankstellenmitarbeiterin habe auf ihn gelassen gewirkt. Den Vorwurf einer Polizistin, sich besonders aggressiv einer Festnahme widersetzt zu haben, erklärt er mit der Wut auf einen Ladendetektiv, der immer Frauen nachgelaufen sei: „Ich habe gedacht, die sind auf dessen Seite.“ Darum gehe es doch gar nicht, das müsse er doch gar nicht erzählen, unterbricht Anwalt Stahl: „Sie wollten sich doch entschuldigen!“ „Ja, ich wollte mich entschuldigen“, wiederholt W. schnell. Das sei leider vergessen worden, schiebt der Verteidiger noch nach.
Siegen: Tankstellenräuber hat bereits etliche Vorstrafen
W. hat bereits eine ganze Reihe von Vorstrafen und saß Anfang 2020 in Haft, wurde im März des Jahres wegen Corona mit einer Unterbrechung nach Hause geschickt. Dort fand er seine eher abweisende Freundin, die ihm eine Fehlgeburt eröffnete, was zu Konflikten, Streit und einem Auszug führte. Der Angeklagte wurde mit der Situation nicht fertig, litt darunter und kämpfte um die Frau, die mittlerweile angeblich seine Verlobte ist. Unter anderem übernachtete W. bei einem Kumpel, bei dem er die PCB-Waffe stahl, die er später beim Überfall benutzte. Mit der Tat wollte er seine notorisch leeren Taschen füllen. Nach einer Auseinandersetzung mit seiner „Liebsten“ zeigte diese ihn an und verriet auch den Überfall. Die Festnahme folgte am 15. August.
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Letztendlich hört sich das Urteil härter an, als es sein kann. Die Kammer geht von einer Therapiezeit von zwei Jahren aus. Verläuft diese erfolgreich, soll ein Angeklagter im günstigsten Fall zur Hälfte der Haftzeit entlassen werden. Bis zum Frühjahr sitzt W. noch eine alte Strafe ab, danach schließen sich elf Monate aus dem neuen Urteil an, bevor er nach Plan in die Klinik wechselt. Mit etwas Glück könne er in dieser Zeit auch sein Vorhaben umsetzen, den Realschulabschluss nachzuholen, überlegt die Vorsitzende. Und nach der Therapie auf Bewährung nach Hause gehen.
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