Siegen/Kreuztal. Rechtsradikale Mordfantasien und Hetze via Whatsapp: Er könne gar nicht verstehen, warum er das gemacht hat, jammert ein 40-Jähriger vor Gericht.
Der Angeklagte wirkt zerknirscht und versichert mehrfach, dass er sein Verhalten überhaupt nicht verstehen kann. Das seien nicht seine Überzeugungen, „ich habe mir keine wirklichen Gedanken darüber gemacht“. Was ihm Staatsanwalt Waldemar Gomer allerdings nicht so richtig abnehmen will. Er hat den Familienvater aus Kreuztal (40) wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Volksverhetzung angeklagt, in insgesamt 16 Fällen.
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Der Mann gibt zu, Mitglied einer WhatsApp-Gruppe mit dem verfänglichen Namen „Beige gleich Braun“ gewesen zu sein. Dort hat er auch in der Zeit vom 19. Dezember 2016 bis 8. Juli 2019 Beiträge gepostet, bei denen „ikonische Darstellungen von Adolf Hitler“ noch zu den eher harmlosen Straftaten gehören dürften. Ein Foto badender Muslime kommentierte er mit „Lumpensäcke in den Hochofen“, bezeichnete Farbige als „ekelhafte Menschen“ und wollte Migranten „durch den Maishäcksler“ jagen.
Kreuztaler habe aus Langeweile und Frust im Hotel bei WhatsApp gehetzt
Der Staatsanwalt findet das unwürdig und widerlich. Er sei doch in der Schule gewesen und müsse wissen, was solche Sprüche und die verwendeten Symbole bedeuteten. Mehrfach wurden SS-Runen verwendet und tauchten Billardkugeln mit der doppelten Acht auf, ein in Neonazi-Kreisen beliebter Code. Allein der Holocaust, die systematische Ermordung der europäischen Juden, habe Millionen Menschenleben gekostet, rechnet Gomer vor. Der Angeklagte solle einmal überlegen, „wer von uns hier noch sitzen würde“, wenn die NS-Ideologie noch Geltung besäße: „Vielleicht auch Sie nicht mehr!“
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Der Mann hat sich darauf berufen, von einem Arbeitskollegen in die Gruppe geholt worden zu sein, in der er praktisch kaum jemanden kannte und in der diese Thematik eigentlich einen sehr kleinen Teil der Konversation ausgemacht hätte. Er sei auf Montage gewesen, allein im Hotel, habe sich gelangweilt. Ein gewisser Frust über die Flüchtlingspolitik sei da sicher eingeflossen, sagt er.
Siegener Staatsanwalt: Hohe Straße, „damit Sie diesen Scheiß nicht nochmal machen“
Sein Mandant habe garantiert noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, andere Menschen zu töten oder zu deren Ermordung aufzurufen, gibt der Verteidiger zu bedenken, nachdem der Staatsanwalt die durchaus schmerzhafte Summe von 8000 Euro (200 Tagessätze mal 40) als Strafe gefordert hat. Um auf den Kreuztaler einzuwirken, „damit Sie solchen Scheiß nicht noch einmal machen“.
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Auch wenn der Frust über die Politik der Bundesregierung zu einem bestimmten Maß verständlich sei, diese Art von Reaktion in einem Land, „in dem Sie sich wirklich fast jeden Scheiß erlauben können“, gehe gar nicht, erregt sich Gomer und hat eigentlich schon angekündigt, sich zurückhalten zu wollen. 3600 Euro (90 Tagessätze) würden auch ausreichen, meint dagegen der Anwalt.
Gleiche WhatsApp-Gruppe erst kürzlich Thema vor dem Amtsgericht in Olpe
Amtsrichterin Müller landet schließlich bei 140 Tagessätzen, was einer Summe von 5600 Euro entspricht. Sie hat vor allem die „Wortbeiträge“ höher bestraft, die „schon krass“ seien. Beide Seiten geben keine Erklärung über Rechtsmittel ab. „Es tut mir wirklich leid. Ich will nur, dass dieser Wahnsinn ein Ende hat und ich wieder ruhig schlafen kann“, versichert der Kreuztaler. Die Vorsitzende wünscht dem nunmehr Verurteilten schöne Feiertage: „Und halten Sie sich von solchen Gruppen fern!“
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Im September hatte Amtsgerichtsdirektor Peter Krumm in Olpe einen Mann aus Wenden zu 3000 Euro verurteilt, der in der gleichen Chatgruppe zwei einschlägige Bilder gepostet hatte. Der wollte von einem Cousin in die Gruppe gebracht worden sein, ebenfalls niemanden kennen und sich keine Gedanken über die Inhalte gemacht haben. Für beide ein letztlich teures Vergnügen.