Buschhütten. Ein Wandertag in Kreuztal mit Geschichte und Gegenwart: ZF, Achenbach und Otto, Hofgut und Südumgehung.
Er: „Wandern Sie hier?“ – Ich: „Ja. Und Sie? Machen Pause hier?“ – Darauf er: „Ja. Ich bin der Chef.“ Worauf sich aus der zufälligen Begegnung auf der Bank vor dem Firmenentree ein Gespräch entwickelt, das zwei thematische Fäden hat: die Situation des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen (durchaus aktuell kritisch) und den Weg, der gerade hier, am Kreuztaler Standort des international operierenden Konzerns, vorbeiführt
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Wanderweg durchs richtige Leben
Der Buschhüttener Eisenhammerweg, 2019 eingerichtet von der örtlichen SGV-Abteilung, spart nicht aus, was andere Runden vielleicht bewusst umschiffen würden: das „wahre Leben“. Mit Industrieflächen und ab und an auch Industriebrachen, mit der Unter- und Überquerung von Schnellstraße und Bahntrasse. Er bildet ab, wie ökonomischer Wandel auch Siedlungs- und Landschaftsformen bestimmt und zeichnet damit die wirtschaftliche Entwicklung des Siegerlands exemplarisch nach. Und: Er wartet mit Naturschönheiten auf, mit formidablen Aussichten, wird im Nu zur unverhofften Landpartie. Dieser Weg ist wie das Dasein selbst. Das sich aus dem steten Wechsel von Arbeit und Müßiggang nährt, Höhen kennt und Tiefen auch, manchmal voll pulsierender Geschäftigkeit ist, um dann wieder stille Momente zu bieten. Anfang und Ende der mit einem „B“ gut markierten Strecke finden sich im Mattenbachtal: am Wanderparkplatz in Friedhofsnähe oder am Parkplatz des Freibads.
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Vom Käsberg, der nach einem kurzen Anstieg vorbei am SGV-Wanderheim und der alten Lehnhofeiche bald erreicht ist, habe ich, Süd-Siegenerin, zum ersten Mal im Corona-Lockdown des Frühjahrs 2020 gehört. Damals spielten Posaunenbläser allabendlich Lieder von dieser Höhe. Ermutigend. Jetzt stehe ich hier und kann mich satt nicht sehen. Wieder eine neue Perspektive auf Siegen, auf das von den Stahl-Werken und Schlackenhalden beherrschte Hüttental, das von 1966 bis 1975 eine Stadt war, meine Geburtsstadt!
Eisenhammerweg
Start/Ziel: Buschhütten, Parkplätze an Friedhof oder Freibad im Mattenbachtal, Bus R10 Haltestelle „Mattenbachstraße“ (ein Zubringerweg von rund 800 m ist ab Edeka-Markt mit gelbem „B“ ausgewiesen).Distanz/Gehzeit: 12,2 km, gut 3 Stunden, bergauf-bergab: 290 mMarkierung: „B“Charakter: Aufschluss- und aussichtsreiche Wanderreise durch die Industriegeschichte des Siegerlands. Abwechslungsreiche Wegführung. Im Sommer ist ein erfrischender Abschluss im Freibad möglich.
Über die Alm zum Hofgut
Waldreich geht es hinüber zum Kreuztaler Stadtteil Bottenbach. Um die Hochhaussiedlung herum, die schmale Straße nach Obersetzen querend und dann durch die alte Kölsbach hinunter nach Dillnhütten. Erst über die Ferndorf, dann über die Geisweider Straße, hat mich die Natur überraschend schnell wieder. Ein schmaler Pfad führt zurück ins Grüne. Jetzt begleitet mich der Ausblick auf Buschhütten. Die völlig freie Sicht durchkreuzt die Starkstromleitung, erhellend ist, was ich auf Tafel zwölf der Strecken-„Architekten“ lese: „Die Geschichte Buschhüttens beginnt 1452 mit der gräflichen Genehmigung zur Errichtung eines Eisenhammers. Betrieben wurde der Eisenhammer durch die Gebrüder Busch. Das war der Vorläufer und Namensgeber der heutigen Firma Achenbach Buschhütten GmbH & Co. KG.“
Die Kurzinfo bringt auf den Punkt, was sich in fast 570 Jahren entwickelt hat. Aus Anfängen, die sich auf einem Hof in der „langen Au“ aufspüren lassen: am Hofgut Langenau, wo einst der erste Eisenhammer errichtet werden durfte. Das Gebäude, im späten 18. Jahrhundert mennonitischer Versammlungsort, ist mit seinem massiven Unterbau, den Fachwerkwänden und seinem alten Backes ein Baudenkmal der Stadt Kreuztal – und wurde jüngst gar von der Kommune erworben. Neuer Wohnraum, eine fünfgruppige Kindertagesstätte und Platz für ein heimisches Unternehmen sollen an diesem geschichtsträchtigen Ort entstehen. Der Eisenhammerweg führt dorthin über die wunderschöne „Sohlbacher Alm“ und durch den Wald am Hang des Kohlenbergs (Augen auf beim Köhlerplatz!).
Über die Gleise in den alten Hohlweg
Um zurück ins Mattenbachtal zu gelangen, braucht es die große Querung des Ferndorftals. Ein Stück der Hauptstraße entlang (mit Seitenblick zum Büroturm der früheren Firma Otto), über die Bahn hinweg (mit Staunen über die aufgefächerten Gleise des Rangierbahnhofs), durch Wohnbebauung aufs freie Feld. Dass hier, wo ein alter Hohlweg von der Fernstraße zwischen Arnsberg und Siegen erzählt, eine „Südumgehung“ gebaut werden soll, klingt beim Begehen dieses wunderschönen Geländes wie ein schlechter Scherz.
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