Siegen. „Drama statt Siegen“ bringt mit Anthony Shaffers „Revanche“ ein intelligentes kriminalistisches Verwirrspiel auf die Bühne des Lyz und begeistert.
Schon das Bühnenbild im Kleinen Theater des Lyz in Siegen verspricht Großes Kino: Regale mit Büchern und anderen Accessoires – und einem Tresor, dem im Laufe des Abends noch eine besondere Bedeutung zukommen wird. Ein schwerer Schreibtisch mit beeindruckendem Drehstuhl, wie man ihn aus amerikanischen Gerichtsfilmen kennt, die sehr gut bestückte Anrichte mit Hochprozentigem und ein bequemer Ruhesessel im Biedermeierstil komplettieren den Raum. Alles strahlt Herrenhaus-Ambiente aus und zeigt: Hier wohnt, besser gesagt: residiert und herrscht einer, der es geschafft hat: Andrew Wyke, der erfolgreiche Krimiautor. Doch der schöne Schein trügt: Am Ende des Theaterstücks „Revanche“ von „Drama statt Siegen“ werden zwei Leichen zu verzeichnen sein: Die des Autors und die seiner Besucherin, der Reiseunternehmerin Milo Tindle.
„Drama statt Siegen“ zeigt „Revanche“: Das ist die Handlung
Als Besucher hatte der Schriftsteller eher einen Mann erwartet. Doch nun steht eine attraktive Blondine in seinem Zimmer, und die will ihm das Prunkstück seines Besitzes wegnehmen: Ehefrau Marguerite, ein Luxusweib mit ausgeprägter Verschwendungssucht. Milo: „Wir wollen heiraten und ein Leben in Einfachheit und Liebe führen.“
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Doch Wyke wäre nicht Wyke, würde er aus dieser Situation nicht ein romanreifes Verwirrspiel inszenieren: Fingierter Einbruch mit dem Raub der wertvollen Juwelen seines Ehe-Schmuckstücks aus besagtem Tresor, Schüsse mit Platzpatronen, komplette Verwüstung des vorher so aufgeräumten Zimmers und Leichen. Zunächst eine vermeintliche, am Ende echte.
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Dass sich dabei die Koordinaten zwischen gut und schlecht, mies und moralisch, wahr und unwahr ständig verschieben, macht „Revanche“ bis auf wenige Minuten übersteigerter Albernheiten zu einem unterhaltsamen Spiel, das auch „Der betrogene Betrüger“ übertitelt sein könnte. Und man weiß am Ende nicht, wem man die Malaise mehr wünscht: Dem angeblich so potenzstarken Glatzkopf Wyke („Sex ist das Spiel, die Ehe ist der Strafstoß“) oder der ebenfalls falschspielenden Milo Tindle, die es zumindest schafft, den Egomanen Wyke als jammernden Feigling zu entlarven.
Siegen: Schauspieler brillieren auf der Lyz-Bühne
Für „Drama statt Siegen“ hätte es auch leichteren Theaterstoff gegeben. Dass sie sich nach dieser langen Auftrittspause für ein Zwei-Personenstück entschieden haben, zeigt den Mut der Verantwortlichen, aber auch die Sicherheit: Wir haben zwei Schauspieler, die diese Herkulesaufgabe meistern können: Oliver Reichert, der schon in früheren Produktionen mit beeindruckender Bühnenpräsenz geglänzt hat, leuchtet die Persönlichkeit des alternden Schriftstellers in allen Facetten aus: Arroganz, die aus den Erfolgen seiner Bücher resultiert, der Kontrollwahn nicht nur über seine Frau, sondern auch über seine Umgebung und in Besonderem seine Besucherin, die sich im Netz seiner Intrigen zu verfangen scheint. Aber auch seine Hilflosigkeit als Autor, der immer, wenn er in seinen Geschichten nicht mehr weiter weiß, einen leibhaftigen Inspektor über den Bildschirm als Ideengeber benötigt.
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Doch Bühnenpartnerin Stephanie M. Klein steht ihm in nichts nach: Als Milo Tindle stellt sie brillant die Geliebte von Wykes Gattin dar: Attraktiv, selbstbewusst, am Anfang vielleicht ein wenig naiv wirkend, dann aber dessen Ränkespiel durchschauend und die Steuerseile selbst in die Hand nehmend. Eine schauspielerische und auch körperliche Meisterleistung vollbringt sie, als sie in die Rolle des Kriminalinspektors Elliot schlüpft. Der soll den vermeintlichen Mord an ihr selbst aufdecken und Wyke als den entlarven, der er in Wirklichkeit auch ist: Ein winselnder Gernegroß, der am Ende nur einen Ausweg sieht: Sie und dann sich selbst zu erschießen. So wie in den Plots seiner Romane.
Der Beifall an den drei Aufführungsabenden gilt zwei großartigen Darstellern und einer Regie und dem Bühnenbild, die das Wichtigste schafften, was ein Kriminalstück ausmacht: Atmosphäre und Spannung mit einem Hauch von trockenem Humor.
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