Kreuztal. 2007 überflutet die Littfe mehrere Stadtteile. Seitdem hat die Stadt dem Wasser mehr Platz gegeben. Überzeugungsarbeit ist dennoch nötig.

Die Bilder von der Ahr und aus der Eifel, wo Menschen in den Fluten ums Leben kamen und Häuser einstürzten, sind in Kreuztal mit besonderer Aufmerksamkeit gesehen worden. Anke Utsch vom Tiefbauamt der Stadtverwaltung erinnert an das Jahr 2007, als im Littfetal Land unter war: „Das hat uns alle schockiert und bewegt – und bestimmt bis heute unser Handeln.“

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Das sind die Folgen von 2007

Nach den Überflutungen in Littfeld, Krombach und Eichen hat die Stadt gehandelt. „Wir haben versucht, ganz viel Volumen zu schaffen“, berichtet die Gewässerbeauftragte im Infrastrukturausschuss, „das hat sich bis heute bewährt.“ So wurde das Bachbett der Littfe verbreitert, wurden Polderflächen und Hochwassserstauräume angelegt. Die Durchlässe, Engstellen des Bachs unter Straßen- und Wegeüberführungen, wurden allesamt umgebaut. Genutzt werden auch die inzwischen vorhandenen Hochwasser-Gefahrenkarte – „gern auch von Versicherungen“, wie Anke Utsch weiß: Mit dem Risiko steigt die Prämie, an manchem Standort schließt die Assekuranz dann allerdings auch überhaupt keinen Vertrag mehr ab.

Der Glücks-Faktor

Im Ahrtal war die Regenmenge, die im Juli die Katastrophe verursachte, acht Mal so groß wie in Kreuztal, sagt Tiefbauamtsleiter Roland Jarzina: „Wir haben echt Glück gehabt.“ Gewässserbeauftragte Anke Utsch weist auf die Begrenztheit der Schutzvorkehrungen hin: „Wir können nicht bis zu drei Meter hohe Wände bauen.“

Die Vorkehrungen der Stadt sind auf ein 100-jähriges Hochwasser ausgelegt, dem die Fachleute eine „mittlere Wahrscheinlichkeit“ einräumen. „Rechtlich sind wir damit auf der sicheren Seite“, stellt Anke Utsch fest. Faktisch auch? Das 100-jährige Hochwasser hält sich nicht an Vorausberechnungen, „es kann auch jedes Jahr kommen.“ Als Risiko neben dem Hochwasser in den Flüssen selbst stellt sich der Starkregen heraus, der unmittelbar zu Überflutungen führt. Bei 15 bis 25 Litern Regen pro Quadratmetern wird eine „markante Regenwarnung“, bei 25 bis 40 Litern eine Unwetterwarnung und ab 40 Litern eine Warnung vor extremem Unwetter ausgegeben – 2007 fielen in Eichen 60 Liter. Eine größere Dimensionierung von Kanälen nütze da nichts, sagt Anke Utsch: „Das hat gar keine Auswirkung. Wir müssen das Wasser woandershin leiten.“ Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass eine Straße gesperrt und für den Wasserabfluss geopfert wird. Das Wasser aus Kanälen wird in die Klärwerke geleitet, auch die seien nur „begrenzt leistungsfähig“, sagt Tiefbauamtsleiter Roland Jarzina.

Da werden Fehler gemacht

Arne Siebel (CDU) weist darauf hin, dass die ausgebaute Littfe bereits wieder zuwächst: „Das Gewässer ist nicht mehr sichtbar. Siebel betreibt in Stendenbach die älteste Niederschlagsmessstation des Deutschen Wetterdienstes, er kann auf Daten bis ins Jahr 1900 zurückgreifen – und hat gerechnet: Im Dezember 1965 sei der bisher stärkste Regen von 331 Litern je Quadratmeter über Eichen niedergegangen , deutlich mehr als die 50,87 Liter im Jahr 2007. Für den gleichen Hochwasserstand von 1965 – „Die Häuser standen da auch schon“ – würden 151 Liter Regen ausreichen. „Damals waren die Flächen noch nicht versiegelt, das Littfetal stand komplett unter Wasser. Heute kann sich da nichts mehr zurückstauen.“

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„Da müssen dringend einige Erlen verschwinden“, bestätigt Anke Utsch. Dass der Gesetzgeber den Schutzstreifen neben Gewässern von zehn auf bis zu drei Meter verkleinert habe, sei ein Fehler: „Manche politische Entscheidung kann ich nicht begreifen.“ Wichtig sei das Zusammenwirken mit den Anwohnern. Vielen Grundstückseigentümern sei ihre Mitverantwortung nicht bewusst. So würden auf neu angelegten Deichen Fundamente gesetzt, dahinter Grünschnitt abgelagert. Nicht alles könne behördlich verhindert werden. „Leider keinen Einfluss“ habe die Stadt zum Beispiel auf Gartenhütten. „Man bekommt kein Verständnis, wenn man darauf hinweist.“

So sieht Umdenken aus

„Wir müssen alle umdenken“, stellt die Gewässerbeauftragte fest: Zurückhaltung ist bei der Versiegelung von Flächen für den Verkehr angesagt, Grundstücksbesitzer seien gefragt, Niederschlagswasser auf dem eigenen Gelände zurückzuhalten. „Auch unsere Landwirtschaft ist nicht unbedingt förderlich fürs Klima.“ Zumindest nicht da, wo der Boden so verdichtet wird, dass Wasser nicht mehr versickern kann. Besonders von Maisflächen werde „viel abgeschwemmt, vor allem in unsere Siedlungsflächen“. Ähnliches gelte für den Wald, sagt Roland Jarzina: Durch die Holzabfuhr seien die Wege festgefahren, dort versickert entsprechend wenig.

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Mit dabei ist Kreuztal auch bei „Wald Aktiv“, einem Projekt von Uni und Kreis Siegen-Wittgenstein. Dort geht es darum, geeignete Waldstücke zu finden, in die Wassermengen abgeleitet werden können – damit wird nicht nur Überflutung vermindert, sondern auch vertrocknenden Baumbeständen geholfen. Auch 2007 hat die Stadt bereits mit mehr als 20 Einzelmaßnahmen bewirkt, dass Wasserströme umgeleitet werden: „Uns drohte die Straße vom Kindelsberg wegzuschwimmen“, berichtet Anke Utsch. Wichtig sei es, Niederschläge an den Hängen zurückzuhalten, betont Roland Jarzina. „Die sind steil genug, dass das Wasser dort Fahrt aufnimmt“.

Hier wird aufgepasst

Die künftigen Bewohner des neuen Quartiers Neue Mitte Buschhütten sollen sich übrigens keine Sorgen machen müssen, dass der Mattenbach, der künftig geöffnet über den ehemaligen Sportplatz plätschert, ihre Keller überspült. „Wir schaffen Retentionsräume“, antwortet Anke Utsch auf die Anfrage der FDP-Fraktion. Ein Regenüberlaufbecken vor dem Wohnviertel soll dafür sorgen, „dass da nichts passieren kann“.

Ähnliches gilt für das Ferndorfer Bender-Gelände, auf dem ebenfalls Wohnhäuser errichtet werden sollen. Auch das sei nach den Hochwasserkarten ein Risikogebiet, warnt Dieter Gebauer (Grüne). Das Gelände liege „sehr viel höher“ als der vorbeifließende Ferndorfbach,. stellt Tiefbauamtsleiter Roland Jarzina fest. Auch an diesem Standort werde versucht, möglichst viel Wasser zurückzuhalten. „Das Problem ist nicht die Ferndorf, sondern der Starkregen.“

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