Netphen. In einer Probephase werden drei Sitzungen live übertragen, viele Ratsmitglieder bleiben jedoch skeptisch. UWG zweifelt an rechtlicher Grundlage

Die Stadt Netphen geht den nächsten Schritt in Richtung Sitzungs-Streaming. Probeweise werden zunächst drei Ratssitzungen von einem externen Anbieter als Live-Stream gezeigt. 23 Ratsmitglieder stimmten in der vergangenen Ratssitzung für den Testlauf, 11 dagegen. Bürgermeister Paul Wagener enthielt sich. Auch in den Reihen der Befürworter gibt es jedoch nach wie vor Bedenken gegen die Übertragung der Sitzungen im Internet.

Zwischen 500 und 3200 Euro pro Sitzung in Netphen

Deutlich knapper noch hatte der Rat im Februar die Verwaltung beauftragt, die Weichen für den Probelauf zu stellen. Mit 17 gegen 16 Stimmen votierten die Ratsmitglieder in geheimer Abstimmung dafür, die Kosten für die Test-Streams zu ermitteln. Auch der Preis für die Anschaffung fest installierter Kameras sowie die notwendige Änderung der Rats-Geschäftsordnung waren Teil der Abstimmung.

Die Ergebnisse legte die Verwaltung zur jüngsten Ratssitzung vor. Zwischen 500 und 3200 Euro pro Sitzung werden die Probestreams kosten – bei einer Veröffentlichung auf Youtube. Die Nutzung eines Streaming-Dienstes, der mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) konform ist, kostet 500 Euro zusätzlich.

Die Kosten für zwei fest-installierte Kameras, mit denen die Live-Streams zur Dauerlösung werden könnten, werden auf 5000 bis 8000 Euro geschätzt. Die konkreten technischen Anforderungen sollen nach den Probestreams festgelegt werden. Das städtische Personal sei bereits so stark ausgelastet, dass die Begleitung des Streams nicht zu leisten ist, so die Verwaltung. Deshalb solle die Dienstleistung vollständig an ein Unternehmen übertragen werden.

Netphen als Vorreiter für Sitzungs-Streaming

„Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt“, sagte Klaus-Peter Wilhelm (UWG). Eine große Anzahl Ratsmitglieder sei nach wie vor gegen das Streaming, rechtlich sei es nicht abgesichert.

Netphen könnte eine Vorreiterrolle einnehmen“, sprach sich Sebastian Zimmermann (CDU) für den Versuch aus. Es sei wichtig, erst einmal anzufangen. Wer nicht mitmachen wolle, könne sich entziehen, in der er die Einwilligungserklärung nicht unterzeichne. „Vielleicht tut das insgesamt der Diskussionskultur gut“, ergänzte Zimmermann.

Neue Geschäftsordnung ermöglicht Streaming

Bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme wurde die Neufassung der Rats-Geschäftsordnung angenommen. Eine Übertragung von Rats- und Ausschusssitzungen ist danach gestattet – sofern nur Personen erfasst werden, die ihre Einwilligung erteilt haben. Gespeichert werden dürfen die Übertragung nicht.

„Was habt ihr zu verbergen?“, fragte Olaf Althaus (FDP). Ratsmitglieder stünden ohnehin in der Öffentlichkeit. „Ich habe nichts zu verbergen“, entgegnete Klaus-Peter Wilhelm, allerdings sei das eine persönliche Entscheidung. Juristisch gesehen hätten auch die Bürger ein Recht auf die Teilnahme in Präsenz.

Für viele jüngere Menschen sei es eine wichtige Neuerung. Damit es voran geht, könne sie trotz ihrer Vorbehalte einem Probelauf zustimme, dies bedeute jedoch keinen Freifahrtschein, sagte Annette Scholl (SPD). Ihr Parteikollege Manfred Heinz sah das anders. Die Abstimmung solle verschoben werden, bis jeder das Einverständnisformular vorliegen habe. Dieses liege der Vorlage bereits bei, erinnerte ihn Olaf Althaus.

Die Live-Streams seien ein demokratisches Angebot und ein innovativer Aufschlag, sagte Silvia Glomski (Grüne). Allerdings sei sie für eine „extrem kritische Beleuchtung“ nach der Pilotphase.

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