Wilden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zögerte die Gemeinde Wilnsdorf nicht lange: Die Vorbereitung auf Geflüchtete läuft auf Hochtouren.
Die Säge kreischt fast ohne Pause. Im Dorfgemeinschaftshaus-Flur stapeln sich Sperrholzplatten und Aluprofile. Der „Rohbau“ der Wohneinheiten steht nach zwei Tagen Arbeit, nächste Woche könnten die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine eintreffen. Weiß niemand so genau derzeit, die Gemeinde ist lieber vorbereitet als überrascht. In Wilden wird bereits das zweite Dorfgemeinschaftshaus in Wilnsdorf zur Zwischenunterkunft umgewandelt.
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Sechs Einheiten in Rinsdorf sind bereits fertig, in Wilden kommen noch Steckdosen und Lampen für die sieben Wohneinheiten im Saal, sagt Rainer Decker und legt den Akkuschrauber kurz weg. Vier Personen passen in eine, dazu weitere zwei Familien in die Wohnung im Obergeschoss. Der Hausmeister dirigiert alle Arbeiten und die Materialbeschaffung. „Wenn wir abwarten, wird es nicht besser“, sagt Johannes Schneider, „dann brauchen wir in zwei Wochen Herde, Kühlschränke, Matratzen, Kinderbedarf. Wir werden es bereuen, wenn wir jetzt nicht tätig werden.“
Im Rathaus Wilnsdorf laufen Fäden zusammen: Alle Kräfte für die Unterbringung
Der Flüchtlingsstrom wird kommen, da ist sich der 1. Beigeordnete sicher. Ein Kraftakt für die Kommunen, nicht nur Wilnsdorf. Die provisorischen Flüchtlingsunterkünfte herzurichten, kostet einen fünfstelligen Betrag. Ohne die Arbeitsstunden. „Die Erfahrung zeigt: Wir müssen uns mit unerwarteten Krisen anfreunden“, sagt Schneider.
Noch am Tag von Putins Überfall kündigte Bürgermeister Hannes Gieseler an, dass Wilnsdorf Geflüchtete aufnehmen werde, die Vorbereitungen begannen umgehend. Welche Kapazitäten gibt es, welche Gebäude kommen in Frage, was brauchen wir dafür? Im Rathaus wurden Beschäftigte zusammengezogen, auch vom Bauhof und des Hausmeisterpools. „Auf die Schnelle bekommen wir keine Firmen und unsere Leute können das genauso“, sagt Schneider. Die Verwaltung hat in den vergangenen Jahren darauf geachtet, Handwerker einzustellen, alle möglichen Fachrichtungen.
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In Absprache mit den Eigentümern und Nutzern standen der Gemeinde als erste Übergangs-Unterkünfte die Dorfgemeinschaftshäuser Rinsdorf und Wilden zur Verfügung. Der CVJM Rinsdorf hat der Gemeindeverwaltung seine Versammlungsstätte im Dudenbach angeboten, sie wird als nächstes hergerichtet; genauso der Rudersdorfer Bahnhof, den die Gemeinde von der Deutschen Bahn gekauft hat. Womöglich könnte die Herrichtung weiterer Dorfgemeinschaftshäuser nötig werden.
Rund 40 Menschen aus der Ukraine sind in Wilnsdorf bislang privat untergekommen
Noch ist keine Unterkunft mit Ukrainern belegt. Die rund 40 Personen, die bislang in Wilnsdorf eintrafen, sind alle privat untergekommen, weiß Schneider. Aber das dürfte nicht mehr lange reichen. Wenn Reisebusse mit Dutzenden Personen aus den bereits vollen Landesunterkünften nach Wilnsdorf geschickt werden und es schnell gehen muss, hat das Rathaus Pläne und Pufferlösungen. „Wir sind mitten in der Hauptaufnahme der afghanischen Ortskräfte“, sagt der Beigeordnete, nach wie vor fliehen auch Menschen aus anderen Ländern. Die Zahlen werden ständig nach oben korrigiert.
In die Gemeinschaftsküche in Wilden kommen noch mehr Herde, dafür muss die Elektrik angepasst werden. Und die Zu- und Abflüsse für Waschmaschinen und Trockner. Zusätzliche Kühlschränke haben sie schon besorgt, das Rathaus hat gute Kontakte zu Expert Klein in Burbach. Die Wohneinheiten im Saal haben keine Decke. Sei’s drum. Etwas blöd wegen der Privatsphäre, aber bevor der Brandschutz Ärger macht... Es ist ja nicht auf Dauer. Dafür trocken, warm, es gibt Toiletten, eine Küche, Duschen in der Sporthalle nebenan. Die Vereine sind einverstanden, dass sich die Mitglieder zuhause umziehen und duschen. Die Gemeinde will das Leben in Ort nicht abwürgen – die (Jugend-)Feuerwehren und viele Vereine sind mit im Boot, bemühen sich, die Neuankömmlinge in den Alltag zu integrieren. Vor allem die jungen.
Willkommen in Wilnsdorf: Für Geflüchtete aus Ukranie möglichst niedrigschwellig
Derzeit plant die Verwaltung das Ankommen in Wilnsdorf, so niedrigschwellig wie möglich soll es sein, kündigt der 1. Beigeordnete an. Am besten alles in einem Rutsch, wie am Fließband: Stationen für Anmeldung, Sozialamt, Unterkunft, Begleitung, Gesundheits-Check, Impfstatus. „Tuberkulose ist in der Ukraine ein Thema“, weiß Schneider. Wenn die Lungenkrankheit in einer Gemeinschaftsunterkunft kursiert, „haben wir ein Problem“. Besser vorsorgen. Auch bei Haustieren. Mehrere Ärzte mit Sprachkenntnissen haben ihre Hilfe angeboten. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das bis nächste Woche hintereinanderbekommen.“
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„Das Ehrenamt ist toll“, lobt Johannes Schneider. Die Gemeinde unterstützt, wo sie kann, will die Bevölkerung mitnehmen, mit allen kommunizieren, die die neue Lage irgendwie betrifft. „Wir können und dürfen nicht erwarten, dass Privatpersonen alles von A bis Z abarbeiten.“ Und wenn die Verwaltung in so einer Situation mit Bürokratie ankomme, „dann werden wir schnell scheitern“.