Siegen. Eltern und Kinder froh über Impfung gegen Corona in Siegen. Impf-Kritiker demonstrieren – manche halten neben Schildern Grablichter in den Händen
Die meisten Eltern und Kinder haben sehnlichst auf die Kinderimpfung gewartet. „Endlich Stichtag“, sagt zum Beispiel flachsend Ivonne Utsch, die mit ihren beiden Söhnen Paul (11) und Leo (8) aus Netphen zum Kinder-Impftag in die Ziegelwerkstraße nach Siegen gekommen ist. Auch bei dieser besonderen Aktion nur für die Jüngsten ist der Andrang an der Impfstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein wieder groß.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Paul wird zwar bald 12 und könnte dann auch schon den Impfstoff für die Erwachsenen bekommen. Aber das hätte eben noch ein paar Monate gedauert und mit Blick auf die Omikron-Variante „sind wir doch froh, dass es heute diese Aktion gab“, sagt Ivonne Utsch. Denn beim Kinderarzt hätte es noch gedauert. Paul hat keine Lust, sich mit Corona zu infizieren, sagt er. „Die Impfung bietet da schon Schutz.“ Findet auch sein kleiner Bruder: An Covid-19 erkranken – „nicht so schön“, sagt der 8-Jährige. Manche wissen ja gar nicht, dass sie Corona haben und verteilen es dann in der Schule, erzählt er. Und das ist ihnen beiden und den vielen anderen Kindern wichtig: Dass sie weiter in die Schule gehen können.
In wohl jeder Familie in Siegen-Wittgenstein ist Corona regelmäßig Thema
Die Utschs sprechen in der Familie oft beim Abendessen über Corona, erzählt Paul, wie das derzeit wohl in fast jedem Haushalt der Fall ist. Leo weiß genau Bescheid, von Zuhause, aus der Schule, und er hat auch viel „Logo“ geguckt, die Kindernachrichtensendung. Der neue Kanzler Olaf Scholz habe schon davon gesprochen, dass man vielleicht auch noch eine vierte Impfung braucht, sagt er zu seiner Mutter, die geboostert ist. „Wusstest Du das nicht, Mama?“ Ivonne Utsch hatte durchaus einige Nebenwirkungen, auch nach ihrer Drittimpfung. Kann nervig sein, auch unangenehm, aber muss ja, der Schutz ist wichtiger.
Ist doch nur ein Piks, finden die beiden Jungs, Leo will die Impfung in den linken Arm, damit er auf jeden Fall mit rechts weiter schreiben kann. Eine Infektion selbst ist bei Kindern ja meistens nicht so gefährlich, das wissen sie – aber Long Covid, die Langzeitfolgen der Erkrankung… „Gerade in dem Alter“, sagt Ivonne Utsch, und bevor ihre Söhne über längere Zeit schulunfähig sein sollten – lieber nicht!
„Unsere Kinder waren in der Corona-Pandemie lange genug ungeschützt“
Lieber heute als morgen impfen, findet auch Kathrin Kramer aus Weidenau. Für ihre beiden Töchter hatte sie schon einen Impftermin beim Kinderarzt – aber erst im Februar. „In den letzten Tagen haben wir uns immer mehr Gedanken gemacht“, berichtet sie – und als die Kinder-Impfaktion bekannt wurde, entschieden, den Piks vorzuziehen. „Unsere Kinder waren lange genug ungeschützt“, sagt Kramer, wenn es nun die Möglichkeit gibt, wollen sie sie auch ergreifen. Omikron, Long Covid – die Sorgen der Eltern kreisen viel um diese beiden Gefahren.
Karoline, die ältere Tochter (9), berichtet, dass ihre Freunde in der Schule und im Schwimmverein sich auch alle impfen lassen und auch für sie war das keine Frage: Ab zum Impfen. Eine Klassenkameradin hatte Corona und fehlte lange in der Schule, erzählt sie, während die kleine Schwester Karla (4) um sie herumwuselt. Will Karoline nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Lieber mehr Sicherheit durch die Impfung. Wie es gelaufen ist? „Super“, ruft die 9-Jährige fröhlich und winkt zum Abschied.
Protest gegen Kinderimpfung in Siegen: Grablichter angeblich gegen Kälte und für Licht
Bis es die Impfung gibt, dauert es mitunter zwar, die Warteschlange ist lang, aber die Stimmung entspannt bis fröhlich, wie immer eigentlich vor und in der Siegener Impfstelle. Auf der anderen Straßenseite postieren sich am späteren Nachmittag Menschen in gelben Westen und mit Schildern, auf die sie ihre Slogans geschrieben haben, mit denen sie ihren Unmut über die Coronaschutzimpfung von Kindern auszudrücken. „Komisch“, findet nicht nur Karoline das – zumal die Polizei sich mit zwei Einsatzfahrzeugen mit etwas Abstand postiert hat und die Protestierenden im Blick behält. Manche Kinder zeigen sich irritiert, die meisten aber lassen die Impfgegner links liegen. „Ich zwinge meine Meinung ja auch nicht anderen auf“, sagt eine Mutter.
Keine Aggressionen, Abstand halten, hatte die Polizei den Demonstrierenden eingeschärft. Alles bleibt friedlich, drei Frauen indes halten unbeschriftete Grablichter in den Händen. Was daran denn verwerflich sei, fragen sie zurück, die Dunkelheit breche herein, man wolle halt etwas Licht und sich außerdem die Hände wärmen. Von den „Impfopfer“-Drohungen, bei denen Grablichter mit dieser Aufschrift unter anderem vor Arztpraxen abgestellt wurden, hätten sie nichts gehört.
Demonstranten vor Impfstelle Siegen wollen nicht beängstigen oder irritieren
Angemeldet hat die Versammlung Sophie W., die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie wolle ein Zeichen setzen, dass nicht alle mit der Impfung gerade an Kindern einverstanden seien, sagt sie über die Motivation zu dieser Aktion; man wolle Kinder weder irritieren noch verängstigen, auch nicht mit den Botschaften auf den Schildern, die etwa die Risiko-Abwägung thematisieren; aber eben zeigen, dass es auch Menschen gibt, die anders darüber denken. Bei Kindern sei aus ihrer Sicht die rote Linie erreicht. Dass es gang und gäbe ist, Kinder gegen alles mögliche zu impfen – mRNA-Vakzine seien etwas anderes und nicht ausreichend erforscht.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
Dr. Michael Klock, Impfstellen-Koordinator der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), sagt in Bezug auf den inzwischen äußerst gründlich erforschten Impfstoff ziemlich das exakte Gegenteil. Und Kinder und auch Eltern seien irritiert von diesem Protest.