Schmallenberg-Winkhausen. Das Geheimnis der Himmelsscheibe von Nebra: Hat der Schmallenberger Heimatforscher Matthias Dickhaus das Rätsel entschlüsselt?

Matthias Dickhaus ist für seine Heimatforschung rund um den Wilzenberg mittlerweile so etwas wie eine kleine Berühmtheit in archäologischen Kreisen: Der Kfz-Mechaniker gehört zu den wenigen Menschen in NRW, die den Auftrag der Bodendenkmalpflege haben und so Sondengänge auf Wallburgen durchführen dürfen. Zu seinen Funden gehören große Sammlungen alter Münzen, aber auch Waffen, Pferdegeschirre und andere historische Gegenstände. Sie alle stellt er der LWL-Archäologie zur Verfügung, deren Außenstelle Olpe auch den Bereich Schmallenberg betreut.

Durch dieses außergewöhnliche Hobby sowie sein großes Interesse an Astronomie ist er schließlich mit dem wohl außergewöhnlichsten Fund in Berührung gekommen, der diese beiden Dinge verbindet: die Himmelsscheibe von Nebra. Bei dem Objekt, das erst vor etwas mehr als 25 Jahren gefunden wurde, handelt es sich laut der gängigen Forschung um die wohl älteste kleine Kalenderdarstellung der Welt: Die Himmelsscheibe ist schätzungsweise 3800 Jahre alt.

Die Himmelsscheibe von Nebra so, wie sie derzeit in Halle ausgestellt ist.
Die Himmelsscheibe von Nebra so, wie sie derzeit in Halle ausgestellt ist. © LDA | JURAJ LIPTAK

Sie soll einen Mondkalender darstellen - oder auch nicht? Die genaue Nutzweise stellt die Forscher weiterhin vor Rätsel. In der gängigen Theorie war es den Spezialisten nicht gelungen, alle Elemente und Darstellungen der Scheibe sinnvoll zu verbinden.

Himmelsscheibe von Nebra: So können alle Elemente verbunden werden

Genau das will Matthias Dickhaus jetzt aber geschafft haben. „Ich bin durch Zufall auf die Forschung zu der Himmelsscheibe von Nebra gestoßen - und die Interpretation kam mir einfach unlogisch vor. Warum sollten die Menschen aus so teuren Metallen so etwas herstellen, um dann nach wenigen Jahrzehnten zu vergessen, wie es genutzt wird?“

Heimatforscher Matthias Dickhaus Schmallenberg
Er ist gelernter Kfz-Mechaniker, nicht Archäologe oder Astronom - kommt es deswegen zu Problemen? © WP | Stefan Schwope

Er hat sich damit beschäftigt, hat ein maßstabgetreues Modell der Scheibe angefertigt - aus Holz und Reißzwecken. Daran erklärt er, wie er glaubt, dass die Himmelsscheibe benutzt wurde: „Die Abbildungen darauf sind eine einfache bildliche Bedienungsanleitung, da man nicht über Schrift verfügte - wie auf der goldenen Schallplatte der Voyager 2.“

Heimatforscher Matthias Dickhaus Schmallenberg
Auf der Himmelsscheibe sieht Matthias Dickhaus eine Bedienungsanleitung. © WP | Stefan Schwope

Seine Idee: Der versetzte Stern auf der linken Seite der Himmelsscheibe markierte wahrscheinlich den Startpunkt - und die Ansammlung von sieben Sternen rechts oben stellt in seiner Interpretation nicht die Plejaden da, sondern den kleinen Wagen. „Der Stern in der Mitte ist Polaris - der Stern, um den sich das gesamte Himmelsbild dreht. Deswegen sind die anderen Sterne des kleinen Wagens auch im Kreis drum herum angeordnet“, erklärt Matthias Dickhaus. Außerdem will er die Sternbilder Cepheus, Drache, großer Wagen und Jagdhund auf der Scheibe erkennen.

Himmelsscheibe könnte ein Kalender sein

Die Himmelsscheibe von Nebra konnte dann als Kalender genutzt werden, wenn sie auf einer Unterlage lag, auf der der Startpunkt markiert war - und dann konnte man mit ihr, so glaubt Dickhaus, einen Jahreskalender tagesgenau abzählen. „Die Zahlen des Mondkalenders passen genau zu den Kerben außen an der Scheibe.“ Außenrum hat die Himmelsscheibe 39 Löcher - rechts und links sind jeweils neun Löcher mit Gold hinterlegt, unten nochmal drei dort, wo in der gängigen Interpretation ein „Schiff“ dargestellt worden ist - für Dickhaus ein weiterer Teil der Bedienungsanleitung.

Heimatforscher Matthias Dickhaus Schmallenberg
Die Erklärungen hat Matthias Dickhaus auf einem selbst hergestellten Modell abgebildet. © WP | Stefan Schwope

Und so würde Matthias Dickhaus die Scheibe benutzen: Als erstes müsse man die Scheibe auf den Untergrund legen und den Startpunkt ausrichten. Dann müsse man mit Blick nach Norden die Scheibe so ausrichten, wie man den großen Wagen aktuell im Verhältnis zum kleinen Wagen am Himmel stehen sehe. Auf die äußere goldene Markierung, die auf Seite des Startpunktes ist, werden neun Pins gesteckt oder Steine gelegt. „Jeden Tag wechselt dann ein Markierer die Seite - und wenn alle neun Pins auf der anderen Seite sind, wird die Scheibe gegen den Uhrzeigersinn ein Feld weitergedreht.“

Heimatforscher Matthias Dickhaus Schmallenberg
Mithilfe von Pins oder Steinen können auf der Darstellung Tage abgezählt werden. © WP | Stefan Schwope

Dieser Wechsel von der einen auf die anderen Seite wurde für Matthias Dickhaus durch die Darstellung von Vollmond und Halbmond (oder Sonne und Halbmond) dargestellt. „Das Gleichgewicht der Himmelsscheibe ist wichtig - das zeigen auch die Beifunde: Zwei Schwerter, zwei Äxte, zwei Armreifen. Aber nur ein Meißel - mehr braucht man nicht, um die Scheibe wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“

Eine Darstellung der Himmelsscheibe mit ihren Beifunden.
Eine Darstellung der Himmelsscheibe mit ihren Beifunden. © LDA | JURAJ LIPTAK

Sobald der Startpunkt des Untergrunds auf die goldenen Außenmarkierungen des Schiffs trifft, müsse ein zusätzlicher Tag gezählt werden - zehn statt neun -, um so auf die Zahl der Tage im Mondjahr zu kommen. „Nach drei Jahren wird man merken, dass die Position des Großen Wagens auf der Himmelsscheibe nicht mit der tatsächlichen Position der Sterne übereinstimmt“, erklärt Matthias Dickhaus. „Dann wird es Zeit, einen Schaltmonat dazu zu zählen.“ Dafür, glaubt er, wurde die linke der beiden goldenen Barken entfernt und dann einmal alle Markierungen außerhalb der übrigen Barke gezählt - 30 Tage. Das ergibt den Schaltmonat, für den das klassische Mondjahresmodell bekannt ist: 354x3+30. „Dann stimmen die Darstellung und die Sterne wieder überein.“

Warum Matthias Dickhaus in der Forschung nicht ernst genommen wird

Heimatforscher Matthias Dickhaus Schmallenberg
Wochenlang hat sich Matthias Dickhaus mit der Himmelsscheibe von Nebra beschäftigt. © WP | Stefan Schwope

Das Problem: Matthias Dickhaus ist Handwerker, kein Wissenschaftler. „Als ich mich das erste Mal mit meiner Theorie an einen Experten gewandt hab, bin ich abgeschmettert worden“, erinnert er sich. Die etablierte Theorie, erarbeitet von den Forschern und Wissenschaftlern des Landesmuseums für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt, in dem die Himmelsscheibe ausgestellt ist, wird nur selten hinterfragt. Doch Dickhaus bekommt nicht nur Unterstützung durch die LWL-Archäologie, sondern mittlerweile ist er auch mit Experten im Ruhrgebiet im Gespräch.

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Den Inhalt der Theorie zur Himmelsscheibe kann Dr. Manuel Zeiler, wissenschaftlicher Referent der LWL-Archäologie und Ansprechpartner für Matthias Dickhaus, zwar nicht beurteilen - wohl aber die Arbeit von Dickhaus. „Matthias Dickhaus ist ein Autodidakt, der sehr enthusiastisch und mit sehr großer Professionalität seine Forschung betreibt“, lobt er. „Er ist sehr vielseitig, arbeitet sich in Archäologie und Geschichte genauso ein wie in Astronomie und andere Themen. Für uns ist er ein sehr wichtiger Heimatforscher für den Bereich Schmallenberg.“

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