Schmallenberg. Claudia Schwan ist Lehrerin aus Leidenschaft an Schmallenbergs Schule am Wilzenberg. Über Herausforderungen und Veränderungen im Lehreralltag.

Claudia Schwan ist Lehrerin für Mathematik, Deutsch Sport, Kunst, Biologie und Schultheater an der Schule am Wilzenberg in Schmallenberg - eigentlich hatte sie Sport und Haushalts- und Ernährungswissenschaften auf Lehramt fürs Gymnasium studiert, dann landete die Bad Berleburgerin aber in Schmallenberg. Dort ist sie geblieben, ist mittlerweile Ausbilderin für Lernhelferinnen, Ausbildungsbeauftragte, Ansprechpartnerin für Gleichstellung und Mitglied der Steuergruppe. Warum das so ist und was die Schule für sie so besonders macht, erklärt sie im Interview.

Wie kamen Sie an die Schule am Wilzenberg?

Das ist eine berechtigte Frage! Per Ordnungsliste war eigentlich eine Kandidatin aus Berlin auf die für Deutsch und Englisch ausgeschriebene Stelle besetzt worden. Aus unerklärlichen Gründen zog sie es im letzten Moment vor, doch in Berlin zu bleiben. So trat ich - mit meinem Lehramt für Sport und Ökotrophologie – diese Stelle mit einem Monat Verspätung am 1. September 1999 an.

Was hat Sie dort über die Jahre gehalten?

Ich kannte aus meinen Berufsanfängen das Gymnasium und das Berufskolleg, Hauptschulen waren mir fremd. Schnell lagen jedoch die aus pädagogischer Sicht enormen Vorteile dieser Schule auf der Hand. Ein Wechsel zurück an eine andere Schulform war für mich nach kurzer Zeit unvorstellbar. Mir liegt diese Allrounder-Tätigkeit in unserem System: Ich unterrichte zwar in vielen Fächern, aber nur in wenigen Lerngruppen. Und das ist etwas ganz Besonderes. Hinzu kamen Schulleitungen, die meinen Ideen wenig Grenzen setzten.

Schulband on Tour - ein Herzensprojekt

Was war eins Ihrer schönsten Erlebnisse, die sie mit Ihrer jetzigen Schule verbinden?

Meine erklärten Lieblingsmomente sind unsere Aktionen „Schulband on Tour“. Seit 2020 fährt ein etwa 20-köpfiges Ensemble aus Jahrgang acht bis zehn immer wieder auf Tagestournee zu Seniorenheimen und Grundschulen. Mich begeistert und berührt immer wieder das unglaubliche Engagement und der Teamgeist der Band, die unterschiedliche Wirkung der Musik auf die jeweilige Zuhörergruppe und das Bewusstsein, dass das Projekt der Orchesterklassen bei Kindern und Eltern seit so vielen Jahren unvermindert großen Anklang findet und von unserem kompletten Kollegium unterstützt und mitgetragen wird.

Auch interessant

Gab es auch nicht so gute Zeiten an der Schule?

Ich kam mit einer modernen, schülerorientierten Ausbildung an diese Schule. Frontalunterricht und Päckchenrechnen waren nicht mein Ding. Das führte damals zwangsläufig zu Reibereien mit einigen Kollegen. Dafür haben Heranwachsende bekanntermaßen ein untrügliches Gespür. In Kombination mit pubertärer Konfliktfreude sorgte das vor 20 Jahren für ordentlich Zündstoff und war für mich schwierig.

Zwischen Berufung und Erschöpfung

Was macht für Sie die Faszination am Lehrerberuf aus?

Wenn dieser Beruf jemandem Berufung ist und diese Person es schafft, sich den Blick für all die Überraschungen, die lustigen und oft kuriosen Momente jeden Schultages zu erhalten, dann hat man einen Job, in dem die Zeit verfliegt und in dem man sich nie die Sinnfrage stellen muss. Der Preis, den man an manchen Tagen dafür bezahlt, ist eine geistige und emotionale Erschöpfung, die man häufig nur sehr schwer wieder los wird.

Schule am Wilzenberg Wilzenbergschule Beste Schule 2024
Sport ist ein wichtiger Teil im Leben von Claudia Schwan - in der Schule und in ihrer Freizeit. Den Sportbereich oberhalb der Mensa hat Claudia Schwan damals mit entwickelt. © WP | Katharina Kalejs

Was sind die größten Herausforderungen für Lehrer?

Herausfordernd ist für jeden Lehrer und jede Lehrerin jeder Unterrichtstag. Wir treffen täglich in Sekundenschnelle Entscheidungen über erzieherische Maßnahmen, planen Vorgehensweisen und verwerfen sie wieder, wenn die Situation es erfordert. Wir kategorisieren, nehmen Einschätzungen vor und revidieren sie gegebenenfalls. Oft werden wir bestätigt, genauso oft verblüfft. Das empfinde ich als im positiven Sinne herausfordernd.

Gibt es Schüler, die Ihnen immer im Gedächtnis bleiben werden? Warum?

Mein Denken dreht sich immer um meine aktuellen Schülerinnen und Schüler. Im Gedächtnis habe ich aber unzählige Situationen aus der Vergangenheit, die ich bei meiner täglichen Arbeit berücksichtige und die mit helfen Entwicklungen einzustufen.

Die Schule am Wilzenberg teilt sich im Schulzentrum das Gelände mit dem Gymnasium der Stadt Schmallenberg.
Die Schule am Wilzenberg teilt sich im Schulzentrum das Gelände mit dem Gymnasium der Stadt Schmallenberg. © WP | Privat

Welche Fünftklässler sind an Ihrer Schule genau richtig?

An unserer Schule ist wirklich jedes Kind richtig, das möchte ich ausdrücklich betonen. Wir besitzen langjährige Erfahrung mit der stetig steigenden Heterogenität unserer Schülerschaft. Besonderheiten, Unterschiede und Vielfalt gehören zu uns. Aber was wir unbedingt brauchen, das sind Elternhäuser, die in Erziehungsfragen mit uns kooperieren, die uns vertrauensvoll zum Wohl ihres Kindes Grenzen setzen lassen. Wir brauchen Eltern, die verstehen, dass wir bei aller individuellen Unterstützung, bei allem emotionalen Zuspruch auch mit einem Mindestmaß an Druck arbeiten müssen, um Heranwachsende nach vorne zu pushen. Nicht um sie klein zu machen.

Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken: Woran erinnern Sie sich besonders gern? Und woran besonders ungern?

Ich habe jede einzelne Stunde des Sportunterrichtes geliebt. Meinen Pädagogikkurs in der Oberstufe habe ich gehasst. Französisch habe ich erst gelernt, als ich mich in einen französischen Sportler verliebt hatte.

Lesen Sie auch:

Am Ende ein Blick auf die Schule der Zukunft: Was wird sich ändern?

Gar nicht so viel! Kinder und Jugendliche sind zu großen Teilen mit denselben Dingen zu begeistern wie vor 25 Jahren. Nur ist ihnen durch den übermäßigen Medienkonsum oft der Blick dafür verstellt. Was wir brauchen, sind andere Architekturen in den Schulgebäuden. Wir brauchen Räumlichkeiten, die uns nicht auf eine durchgängige Sozialform festnageln, weil man sonst sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Wir brauchen Stätten der Begegnung, die nach außen offen sind. Rechteck-Klassenzimmer und dunkle, schlecht belüftete Flure errichten allen Beteiligten auch irgendwann Mauern in den Köpfen.

Mehr Nachrichten? Folgen Sie der WP Meschede in den sozialen Medien: