Meschede. Die Wirtsleute der Halle Sauerland verabschieden sich in Meschede. Erfolg hatten sie mit einer Küche, die selten geworden ist.
Und wieder gibt es eine Veränderung in der Gastronomie in Meschede. Zwei beliebte Wirtsleute verabschieden sich.
Eigentlich nur aus Zufall nach Meschede
Für Doris Engel und Helmut Brandenburg ist jetzt Schluss. Nach genau 32 Jahren zapfen sie am Sonntag, 11. März, das letzte Pils in der „Halle Sauerland“ an der Lagerstraße – den Meschedern auch als „Bullenhalle“ bekannt. Beide sind 75 Jahre alt, aus Altersgründen gibt das Ehepaar jetzt den Betrieb in dem Lokal auf.
Damals kamen sie per Zufall nach Meschede, denn eigentlich wollten sie ein Lokal in Neheim übernehmen. Dann wurden sie noch auf die leerstehende „Halle Sauerland“ aufmerksam gemacht – verliebten sich in sie, erkannten ihr Potenzial: „Wir haben das hier gesehen und uns gedacht: Das könnte was werden!“ Wertvolle Tipps zum Einleben in Meschede kamen nebenan von der Familie Ricke.
Erfolgrezept: Gutbürgerliche Küche
Und der Erfolg im Mescheder Norden kam – die klassischen Kneipengänger kamen, Vereine, Stammtische und Kegelclubs fanden eine neue Heimat. Die Wirtsleute belebten zum Beispiel den „Bullenkarneval“ wieder, ein echter Kneipen-Karneval immer am Karnevalssonntag. Ein Biergarten kam hinzu. „Wir haben ganz viel für unsere Gäste getan, aber wir auch haben ganz, ganz viel zurückbekommen“, sagt Doris Engel rückblickend: „Wir haben tolle Leute kennenlernen dürfen – und auch tolle Tiere.“ Das ist eine der Besonderheiten hier, denn angegliedert an das Lokal ist die Viehversteigerungshalle, über eine Genossenschaft sind Landwirte deshalb auch die Verpächter des Lokals: „Ich wusste gar nicht, was es für wunderschöne Rindviecher gibt. Wir haben hier auch viel über Tierhaltung gelernt.“ Der persönliche Kontakt, die Herzlichkeit seien das A und O im Umgang mit den Gästen.
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Das Erfolgsrezept dazu, buchstäblich, ist eine klassische, gutbürgerliche Küche gewesen - die ist selten geworden inzwischen. In der Küche ist Doris Engel anzutreffen gewesen, Helmut Brandenburg stand hinter der Theke. „Am meisten sind Schnitzel gegangen, auch Steaks gingen wie verrückt“, sagt Doris Engel. Die Zeit des Spargels, des Gänsebratens, des Grünkohls – in der Halle Sauerland folgte man dem kulinarischen Jahreskalender, immer mit Variationen. Das kam an bei den Gästen.
Und dazu immer: Bratkartoffeln, ebenfalls ganz klassisch zubereitet mit Speck und Zwiebeln. „Sie können sich nicht vorstellen, was wir an Bratkartoffeln gekocht haben: In der Woche gingen hier 50 Kilo durch, mindestens. Wenn Gänsezeit war, durchaus auch 100 Kilo.“ Auch junge Leute hätten hier Bratkartoffeln gegessen, acht von zehn, so die Erfahrung – Pommes dagegen gingen kaum. Und auch Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle von der CSU schmeckte es bei einem Besuch in Meschede bei Doris Engel. Nach einem offiziellen Termin kam er in die Küche und gestand, „Endlich mal keine Kanapees!“ Er hatte sich über Geschnetzeltes und Gemüse sowie, na klar, Bratkartoffeln gefreut, danach gab es Herrencreme.
Markenzeichen: Besondere Saucen
Persönliches Markenzeichen der Küche war auch die Salatsauce und die Currysauce, die Doris Engel anrichtete – und die sie selbst gar nicht so außergewöhnlich findet: „Ich finde die ganz normal.“ Ihr Mann sagt aber: „Die essen hier die Salatsauce mit dem Löffel!“ Wie sie die Salatsauce anfertigt? Aus einem Zehn-Liter-Eimer Joghurt hat sie immer vier Eimerchen Salatsauce gezaubert, „die brauche ich in einer Woche“: „Da kommt nur noch Sahne dran, Essig, Salz, Pfeffer, Zucker, Kräuter - das war es.“ Die Currysauce wiederum sei ein Originalrezept aus den USA von ihrer Tante – mit Coca-Cola eingekocht: „Die Leute sind da ganz verrückt nach“, weiß Helmut Brandenburg aus jahrelanger Erfahrung.
Man kennt sich hier im Mescheder Norden. Gerade putzte Doris Engel noch draußen, da hielt draußen eine Autofahrerin und fragte: „Kennen Sie mich noch?“ „Ja sicher“, antwortete sie. „Sagen Sie mal, woher!“ Die Wirtin antwortete: „Sie haben bei uns Ihre Kommunion gehabt, Sie haben bei uns Verlobung und Ihre Hochzeit gefeiert, Sie haben von den zwei Kindern die Taufe hier gefeiert.“ Die Autofahrerin entgegnete: „Prima! Jetzt kommen wir im April zur Kinderkommunion.“ Da musste Doris Engel sie enttäuschen: „Wir sind aber nicht mehr da.“ „Ohne Sie ist die Bullenhalle doch nicht denkbar“, meinte die Autofahrerin. Ein Stammtisch von Frauen urteilte: „Wir sind jetzt wie Kinder ohne Eltern. Wir wissen nicht, wohin.“
Ohne solche treuen Gäste, sagt Helmut Brandenburg, hätte man wiederum nach der Corona-Zeit auch nicht wieder eröffnen können: Seinerzeit wurde ständig Essen bestellt, das dann im Viertelstundentakt abgeholt wurde.
Jetzt ist also Schluss. Erstmals nach 32 Jahren werden Doris Engel und Helmut Brandenburg einen langen Urlaub machen können, es geht zu Freunden nach Mallorca. Kommen kann jeder noch einmal am Sonntag, 17. März, ab 10 Uhr zum Kneipentrödel – dann wird jede Menge an Deko, es werden Gardinen, Kissen, Kochtöpfe und alles Mögliche für kleines Geld verkauft. Und wer weiß: Vielleicht gibt es doch noch zum letzten Mal auch Salatsauce und Currysauce.