Eversberg. Drei Frauen aus der Ukraine sind mit ihren Kindern in Eversberg untergekommen. Über Hoffnungen und den letzten friedlichen Tag in der Heimat.

Es duftet nach Kaffee in der hellen Altbauwohnung in Eversberg. Auf dem Tisch steht Kuchen, die Kinder spielen in den Zimmern nebenan. Ihr fröhliches Gemurmel schwappt immer wieder wie eine Welle in die Küche, wo die Ukrainerinnen Marina Kulivnyk (36), Elena Stepura (30) und Tetiana Kulivnyk (30) sitzen und über Ostern erzählen. Feiertage, die sich in diesem Jahr weit weg anfühlen.

„Es ist doch klar, dass man da hilft“

Marina Kulivnyk lebt derzeit mit Sohn Mark (5), Tochter Mira (sieben Monate) und ihrer Schwägerin Tetiana Kulivnyk in Eversberg. Sie konnten in eine freie Wohnung einer „Babuschka“ (Oma) ziehen, wie die Schwägerinnen ihre Vermieterin bereits liebevoll nennen. Zwei Wochen später folgte Elena Stepura mit Sohn Egor (3), die wiederum mit Marina Kulivnyks Bruder verheiratet ist.

Elena Stepura wohnt bei Waltraud Gördes, eine herzliche Eversbergerin, die ohne zu zögern, Räume ihrer Wohnung zur Verfügung stellte und so freundliche Dinge sagt wie: „Wir haben doch alles. Es ist doch klar, dass man da hilft.“

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Und nun sitzen also sechs Frauen (inklusive Russisch-Übersetzerin Natascha Liss aus dem Haus gegenüber und die Autorin dieser Zeilen) am Küchentisch – und schweigen. Wie fängt man so ein ukrainisch-russisch-deutsch-englisches Gespräch über Krieg, Flucht, Ostern und Hoffnung an? Mit Kaffee.

„Meine Mutter vermisse ich sehr“

Dieses ukrainische Osterbrot (Paska) hat Elena Stepura 2021 gebacken.
Dieses ukrainische Osterbrot (Paska) hat Elena Stepura 2021 gebacken. © Unbekannt | Privat

„Ostersonntag ist bei uns erst am 24. April“, sagt Marina Kulivnyk. „Es ist ein Fest für die Familie. Genauso wichtig wie Weihnachten.“ In diesem Jahr wird jedoch alles anders sein. Ihre Eltern blieben in der Nähe von Kiew. „Meine Mutter vermisse ich sehr. Sie war im Krankenhaus und kann gerade nicht richtig laufen. Ich bin nicht da, um ihr zu helfen.“ Auch die Männer und Brüder sind weiterhin in der Ukraine. Videotelefoniert wird so oft es geht, die Handys liegen immer in Reichweite.

Als streng gläubig bezeichnen sich die Frauen nicht, das sei eher im Osten der Ukraine so, wo beispielsweise 40 Tage vor Ostern keine tierischen Lebensmittel verzehrt werden.

Aber selbstverständlich gibt es viele Rituale. Ostereier bemalen zum Beispiel. In der Ukraine ist es eine Kunst, die Eier mit Ornamenten zu verzieren. „Pysanky“ heißt das. Es gibt sogar Museen, die diese ovalen Kunstwerke ausstellen. „Die Eier werden selbst gefärbt. Im Geschäft gibt es die nicht zu kaufen wie hier“, sagt Marina Kulivnyk.

Osterkörbchen segnen

„Verbreitet sind auch Osterkörbchen mit Lebensmitteln, die wir in der Kirche segnen lassen“, erklärt Tetiana Kulivnyk. Und wie sieht es mit Schokoladenhasen aus? „Nein, die gibt es bei uns nicht“, sagt Marina Kulivnyk und lacht mit Blick auf das lilafarbene Mitbringsel aus dem Hause Milka.

Marinas Kulivnyks letztes Handybild vor dem Krieg zeigt Mark.
Marinas Kulivnyks letztes Handybild vor dem Krieg zeigt Mark. © Unbekannt | Privat

Aber Kuchen. „Wir backen Paska“, erzählt Elena Stepura und zeigt ein Foto von ihren hübsch verzierten Osterkuchen aus dem letzten Jahr. Das ukrainische Osterbrot aus Mehl, Milch, Eiern, Zucker und Hefe wird traditionell in runden Formen gebacken. „Manchmal auch in alten Konservenbüchsen“, übersetzt Natascha Liss, die das Brot auch aus ihrer Kindheit in Sibirien kennt. Oft werde das Brot dann mit bunten Streuseln und Glasur dekoriert und auch verschenkt.

Hoffnungen und Wünsche

Und wie sieht es mit der Botschaft der Hoffnung aus, für die die Osterzeit steht? Hoffnung und Wünsche... Die drei Frauen überlegen kurz und erklären mit wenigen Worten, dass sie den Krieg so hinnehmen, dass er für etwas gut sein werde. Es klingt aufgeräumt, nüchtern. Gehadert wird nicht. „Wir nehmen die Situation wie sie ist“, sagt Marina Kulivnyk. „Ich wünsche mir, dass alles wieder normal wird“, fügt Tetiana Kulivnyk hinzu. So normal wie auf dem letzten Foto, das sie am Abend vor Kriegsbeginn mit ihrem Handy aufgenommen hatte. Sie war mit Kollegen in Kiew in einem georgischen Restaurant essen.

Die Fragen nach dem „schlimmen Gewitter“

Elena Stepura hofft auf ein Leben, in dem Egor (3) abends nicht mehr nach dem „schlimmen Gewitter“ fragt. In den Nächten vor der Flucht nach Deutschland hatte die Mutter mit ihrem Sohn in einem Kriechkeller Schutz gesucht vor den russischen Bomben. Als sie Egor abends die Winterjacke anzog, hatte sie ihm immer erzählt, dass sie sich vor einem Unwetter verstecken müssen.

  • Die meisten Kirchen in der Ukraine richten sich nach dem Julianischen Kalender. Dieser unterscheidet sich vom gregorianischen Kalender, der in den meisten westlichen Ländern die Jahreszählung bestimmt, um 13 Tage. So finden dadurch die meisten Feiertage 13 Tage später statt.
  • Ostern jedoch ist ein beweglicher Feiertag, der normalerweise auf den ersten Vollmond nach der Tag- und Nachtgleiche fällt – wenn also Tag und Nacht gleich lang dauern. In diesem Jahr ist der Ostersonntag am 24. April in der Ukraine.