Meschede. In einer Disco in Dortmund beginnt die Auseinandersetzung, dann artet sie in Meschede in einer Massenschlägerei aus - jetzt folgt der Prozess.
Fast vier Jahre ist die Tat her: Anfang Juli 2017 ereignete sich an der Aral-Tankstelle an der Briloner Straße eine Massenschlägerei. Jetzt kommt es zum Versuch einer juristischen Aufarbeitung. So lange dauerten die schwierigen Ermittlungen, bis die mutmaßlichen Täter identifiziert wurden. Und weil es so dabei viele Beteiligte gibt, muss das Gericht an einem ungewöhnlichen Ort urteilen.
Das Schöffengericht zieht um: Verhandelt wird im Mai nicht im Mescheder Amtsgericht – sondern erstmals in der Schützenhalle von St. Georg. Denn angeklagt sind insgesamt fünf Männer aus Meschede, Arnsberg und aus Niedersachsen. Über ein Dutzend Zeugen soll angehört werden. Zusammen mit den Anwälten, Dolmetschern und anderen Prozessbeteiligten käme dafür schon unter normalen Bedingungen der große Sitzungssaal im Amtsgericht an seine Grenzen. Unter den Hygieneanforderungen der Corona-Bestimmungen kam ein Verfahren im Gericht dann gar nicht in Frage.
Mit Kantholz zugeschlagen
Die Anklage bei allen fünf Männern lautet auf gefährliche Körperverletzung. Zwei Bedingungen dafür sollen erfüllt gewesen sein: Die Männer sollen gemeinschaftlich vorgegangen sein, außerdem setzten sie offenbar ein gefährliches Werkzeug ein – in diesem Fall eine Dachlatte oder ein Kantholz, mit dem zugeschlagen wurde. „Die Täter wollten nicht nur einfach vermöbeln, die wollten verletzen“: So schilderte im Juli 2017 ein Augenzeuge im Gespräch mit dieser Zeitung die Situation an der Tankstelle. Er war gegen 3.20 Uhr zufällig dort und sah, wie plötzlich Menschen aus ihren Autos stiegen und sofort aufeinander losgingen. Zwei Männer wurden nach der Schlägerei schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert.
Nach den damaligen Informationen waren alle Beteiligten Kurden und Türken. Die Polizei ging schon damals davon aus, dass es sich nicht um ein unerwartetes Aufeinandertreffen handelte. Das bestätigte sich im Laufe der Ermittlungen. „Es war kein Zufall, dass man sich an der Briloner Straße traf“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Poggel auf Anfrage.
Wie der Streit begonnen haben soll
Hintergrund soll die damals angespannte Situation zwischen Kurden und Türken rund um Meschede gewesen sein – unter anderem nach Auseinandersetzungen beim Fußball. Offenbar hat es dazu damals einen umstrittenen Facebook-Eintrag gegeben, der die Runde machte. Beide Seiten trafen dann in Folge vor der Mescheder Schlägerei bereits in einer Disco in Dortmund aufeinander – auch dort soll es schon zu einer Auseinandersetzung gekommen sein.
Laut Mescheder Amtsgericht war es eine „körperliche Auseinandersetzung“ zwischen einem der Angeklagten und einem Mann, der jetzt als Nebenkläger in dem Prozess auftreten wird. Dieser Mann und ein Freund hätten dann die Disco verlassen, um sich an der Tankstelle mit weiteren Freunden zu treffen. Bei der Rückkehr erfuhr dann offenbar die Tätergruppe davon, dass sich die Kontrahenten an der Aral-Tankstelle aufhielten – und die Schlägerei begann.
>>>HINTERGRUND<<<
Im Strafgesetzbuch findet sich zur gefährlichen Körperverletzung ausdrücklich auch der Vorwurf, „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ eine Tat begangen zu haben. Als beteiligt können dabei auch Personen gelten, die selbst zwar nicht zugeschlagen oder das Opfer bedroht haben, sondern den Täter bei der Ausübung befeuert oder dazu angestiftet haben.
Die Mindesthöhe einer Freiheitsstrafe liegt bei der gefährlichen Körperverletzung bei sechs Monaten und kann bis zu zehn Jahre reichen. Eine Geldstrafe ist bei gefährlicher Körperverletzung nicht mehr zu verhängen.
Für eine einfache oder fahrlässige Körperverletzung ist die Anzeige eines Opfers erforderlich. Eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgt unabhängig vom Opfer: Jeder bekannt gewordene Fall kommt automatisch zur Anzeige – auch, wenn ein Opfer lieber auf einen Strafantrag verzichten möchte.